Die Schornsteine am Brothers-Vulkan haben mich beeindruckt

Die Meeresforscherin Andrea Koschinsky über Unterwasservulkane vor Neuseeland, die hydrothermale Muschelart Vulcanidas insolatus und das Familienleben an Bord der Sonne

Frau Professor Koschinsky, Sie haben die Expedition SO253 des Forschungsschiffs „Sonne wissenschaftlich geleitet. Was war für Sie besonders eindrucksvoll?

Ein ganz besonderer Moment war für mich, als ich zum ersten Mal die sogenannten Schornsteine am Brothers-Vulkan unter uns gesehen habe: In den Tagen zuvor konnte unser Unterwasserroboter an dieser Stelle noch nicht in die Tiefe gehen, weil die Strömungen am Meeresboden zu stark waren. Als wir dann zum ersten Mal hinabgetaucht sind, war das Erste, was ich gesehen habe, ein faszinierender riesiger Schornstein, aus dem Qualm ausgetreten ist, inmitten eines regelrechten Schornsteinwalds. Und ich wusste: Wir haben es geschafft.

Was bedeutet es für Sie, Ihrem Forschungsgegenstand auf einmal so nah zu sein?

Forschungsfahrten sind für mich immer ein Highlight: Es ist zwar auch schön, wenn ich im Labor bin und Proben von anderen untersuche. Aber wenn man die Proben selber vor Ort genommen hat und gesehen hat, wo die herkommen und wie besonders die sind, dann hat man eine ganz andere Beziehung zu ihnen. Das Tolle an der Meeresforschung ist, dass sie keine reine Theorie ist, sondern eng mit der Arbeit vor Ort verbunden ist.

Neben den Schornsteinen am Brothers-Vulkan – was haben Sie noch gesehen?

Wir haben ganz neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen: Wir haben Hydrothermalsysteme neu entdeckt! Da ich bisher hauptsächlich an Hydrothermalsystemen an den mittelozeanischen Rücken in großer Wassertiefe gearbeitet habe, war die enorme geologische und biologische Vielfalt der flachen Systeme am Kermadec-Vulkanbogen in 200 bis 1600 Meter Wassertiefe für mich sehr beeindruckend. Hier mischen sich Prozesse aus der lichtdurchfluteten oberen Zone des Meeres mit den hydrothermalen Prozessen der darunter liegenden Wasserschichten.

Was war das Ziel dieser Fahrt der Sonne, einem Schiff, das vom Bundesforschungsministerium entschieden gefördert wird?

Wir wollten herauszufinden, ob und in welcher Weise die Stoffe aus den heißen Quellen einen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Bioproduktivität der oberen Wasserschichten haben. Wir wissen nun, dass es dafür wohl keine pauschale Antwort gibt: Manche dieser heißen metallreichen Lösungen sind so salzreich, dass sie aufgrund ihrer hohen Dichte wie eine Salzlinse in den Vulkankratern liegen bleiben oder über deren Ränder quellen. Bei anderen Hydrothermalquellen konnten wir dagegen die Ausbreitung des Eisens, eines lebenswichtigen Spurenelements im Ozean, über weite Entfernungen verfolgen. Außerdem konnten wir zeigen, dass die Vulkane enorme Mengen an Wärme aus dem Untergrund in das Meerwasser übertragen.

Das klingt ein bißchen so, als ob Meeresforschung vor allem etwas für Geologen wäre!

Gar nicht. Wir haben auch interessante biologische Entdeckungen gemacht: Zum Beispiel haben wir offenbar auch eine hydrothermale Muschelart in 1600 Meter Wassertiefe gefunden, die bisher nur aus flachen Bereichen bekannt war. Ihr Name ist „Vulcanidas insolatus – insolatus bedeutet „im Sonnenschein. Allerdings müssen wir das noch genetisch analysieren.

Sind eigentlich die Wissenschaftler an Bord alle gut miteinander klar gekommen?

Und ob. An Bord sind wir alle aufeinander angewiesen und unterstützen uns gegenseitig. Auch dieses Mal hat sich eine gute Gemeinschaft gebildet: Es ist wie in einer richtigen Familie. Dieser Zusammenhalt hält über die Fahrt hinaus: Ich bin überzeugt davon, dass wir in den kommenden Jahren spannende Forschungsergebnisse veröffentlichen werden. Im September dieses Jahres treffen wir uns zu einem Workshop mit unseren neuseeländischen Kollegen.


Die Expedition SO253 in Zahlen

  • 19 Tauchgänge hat der Unterwasserroboter ROV QUEST absolviert.
  • 24 Perlen haben die Meeresbiologen in den Muscheln Gigantidas gladius gefunden.
  • 71 Menschen haben an der Fahrt teilgenommen: 39 Wissenschaftler, 31 Besatzungsmitglieder und die Journalistin Marie Heidenreich.
  • 85 Zentimeter pro Sekunde war die stärkste Strömung, die auf der Fahrt gemessen wurde.
  • 99 Tischtennisspiele wurden im Laufe der Expedition ausgetragen.
  • 150 Kilogramm Gesteinsproben hat der Unterwasserroboter QUEST vom Meeresboden an Bord gebracht.
  • 312 Grad ist die heißeste gemessene Temperatur der Fahrt: So heiß war eine hydrothermale Quelle am Brothers-Vulkan.
  • 5350 Eier haben Wissenschaftler und Besatzung wir während der Fahrt gegessen.
  • 5720 Liter Wasserproben wurden mit dem Kranzwasserschöpfer genommen.
  • 3 Container mit Laborausrüstung und Proben und 4 ROV-Container wurden nach der Expedition zurück nach Deutschland eingeschifft.