Interview mit Bienenforscher Michael Kuhlmann

Wie er in Südafrika eine neue Wildbiene fand, was sie so besonders macht und was sie mit dem Wissenschaftsjahr zu tun hat verrät Michael Kuhlmann im Interview

Herr Dr. Kuhlmann, Sie haben in Südafrika eine neue Bienenart entdeckt. Ein aufregendes Erlebnis?

Dr. Michael Kuhlmann: Ein Erfolgserlebnis auf jeden Fall, schließlich habe ich lange nach ihr gesucht. Aufgeregt war ich nicht, soweit ich mich erinnere. Als Taxonom findet man dort unten recht häufig neue Spezies, das ist nichts Ungewöhnliches. Schließlich sind rund ein Drittel der weltweit 25.000 bis 30.000 Bienenarten noch nicht wissenschaftlich beschrieben, Neuentdeckungen sind da relativ häufig.

Warum haben Sie gerade nach dieser Biene gesucht?

Dr. Michael Kuhlmann: Ich arbeite zurzeit an einer Bestandsaufnahme der Gattung Scrapter. Diese Wildbienen sind eng verwandt mit den auch in Europa heimischen Masken- und Seidenbienen. Sie sind unscheinbar, klein und schwarz – und bis vor wenigen Jahren war nur eine Art bekannt. Heute kennen wir mindestens 20, und weitere gibt es sicherlich noch zu entdecken. Diese Tierchen sind so spannend, weil sie uns Einblicke in die Artentstehung und Evolutionsgeschichte bei Bienen geben – die nächsten Verwandten leben nämlich in Australien!

Die Scrapter-Arten haben ihren Diversitätsschwerpunkt in der Kapregion Südafrikas, allerdings kommen sie dort zum Teil nur in relativ kleinen Gebieten vor. Die neue Art konnte ich bisher nur an wenigen Stellen beobachten, an denen sie meist nur auf wenigen Quadratmetern auftritt.

Können Sie uns diese neue Art vorstellen?

Dr. Michael Kuhlmann: Gerne! Ihr Körper ist lackschwarz und nur wenig behaart – ein edles Outfit, würde ich sagen. Die Männchen sind etwas schlanker als die Weibchen. Ihre Zunge, mit der sie Nektar saugt, ist zweilappig. Als Beinsammlerin trägt sie die Pollen nach einem Blütenbesuch an ihren Beinen. Soweit wir wissen, ist sie nicht auf bestimmte Futterpflanzen spezialisiert. Sie nistet in selbst gegrabenen Nestern im Boden.

Warum soll die Wildbienenart im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2012 benannt werden?

Dr. Michael Kuhlmann: Wildbienen sind ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig der Schutz der Biodiversität auf der Erde ist: Sie bestäuben einen Großteil unserer Nutzpflanzen, das würden die Honigbienen allein nie schaffen. Ohne den Bestäubungs-Service der Wildbienen wäre die Ernährung weltweit gefährdet. Ihr Schutz ist deshalb ein wichtiges Zukunftsprojekt und passt gut zum Wissenschaftsjahr 2012.

Herr Dr. Kuhlmann, vielen Dank für das Gespräch!

Der Name der Biene

Eine Nadel im Heuhaufen? Der Vergleich hinkt. Zwar kann die neu entdeckte Wildbiene auch stechen, ist aber mit vier Millimetern wesentlich kürzer als eine übliche Nadel. Die Kapregion, in der sie Michael Kuhlmann aufspürte, ist dagegen größer als jeder Heuhaufen.

Ein Glückfall also – für Michael Kuhlmann und die Teilnehmer des Wildbienenprojekts. Denn der Gewinner des Hauptpreises konnten der noch namenlosen Biene ihren Namen geben.

Mit einer Einschränkung: Einen Nachnamen hat sie schon. Denn ihr Gattungsname Scrapter ist gesetzt. Damit die Biene auch einen Vornamen – den Artnamen – bekommt, geschieht folgendes:

  • Der Entdecker Michael Kuhlmann publiziert die Merkmalsbeschreibung der neuen Art samt ihrem künftigen Namen in einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Hierzu reicht er ein Manuskript bei der Zeitschrift ein, dieses wird dann von Gutachtern auf seine Richtigkeit geprüft, gegebenenfalls müssen Verbesserungen vorgenommen werden.
  • Erst mit der endgültigen Veröffentlichung ist die Art offiziell eingeführt und der Name wird verwendet. Die weltweite Gültigkeit und Dauerhaftigkeit des Artnamens machen die Taufe einer neuen Spezies zu etwas ganz Besonderem.

Die Wahl des Namens ist deshalb mit Bedacht erfolgt – er ging schließlich in die Biologiebücher ein.

Zuletzt geändert am