Klimaerwärmung und invasive Arten gefährden Seegraswiesen im Mittelmeer

Der Anstieg von Meerestemperatur und Salzgehalt im Mittelmeer sowie die Einwanderung invasiver Arten gefährden die Struktur und biologische Vielfalt der Seegraswiesen, die eine wesentliche Funktion für die Meeresumwelt haben. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung in einer aktuellen Studie. Die Forschung wurde vom BMBF im Rahmen der Deutsch-Israelischen Zusammenarbeit in der Meeresforschung (Projekt SEANARIOS) gefördert.

Wissenschaftlich verbürgt ist: Der Klimawandel und seine Folgen führt immer deutlicher zu besorgniserregenden Veränderungen in den Ökosystemen der Ozeane. Auch das Mittelmeer bleibt davon nicht verschont. Dort gelten die Seegraswiesen als äußerst wichtige „Ökosystemingenieure": Sie bieten ökologische Nischen für eine Vielzahl von Meeresbewohnern und tragen so zur allgemeinen Gesundheit und Artenvielfalt der Küstenökosysteme bei. Zudem haben sie eine wichtige Funktion als CO₂-Senke.

Ein internationales Team von Forschenden unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen hat nun untersucht, wie sich der kontinuierliche Anstieg der Meeresoberflächentemperatur und des Salzgehalts sowie die ungewöhnlich warmen Sommerereignisse auf die Seegraswiesen im Mittelmeer auswirken. Dabei nahmen sie auch ein zusätzliches Ereignis ins Visier: In den Unterwasserwiesen macht sich eine invasive Seegrasart breit, Halophila stipulacea, die aus dem Roten Meer eingewandert ist.

Einwanderung tropischer Arten durch den Suezkanal

Das Mittelmeer beherbergt - zusammen mit der eingewanderten Spezies - fünf Arten von Seegräsern, von denen jede unterschiedliche ökologische Eigenschaften und Umwelttoleranzen hat. Die Halophila ist im Roten Meer, im Persischen Golf und im Indischen Ozean heimisch. Sie wanderte durch den Suezkanal ins Mittelmeer ein. „Die Einwanderung exotischer tropischer Arten durch den Suezkanal hat dazu beigetragen, dass das Mittelmeer als Hotspot für marine Bioinvasionen gilt", sagt der ZMT-Forscher Pedro Beca-Carreterovom ZMT, Erstautor der Studie.

In ihrem Projekt verwendeten die Forschenden einen Modellierungsansatz, der sich für die Simulation komplexer räumlicher biologischer und ökologischer Prozesse eignet. Sie entwickelten verschiedene Klimaszenarien, in denen sich entweder nur einheimische mediterrane Arten oder die einheimischen mit der invasiven Art einmal ungestört entwickeln konnten, ein anderes Mal menschlichen Einflüssen ausgesetzt waren.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere der Anstieg der Meerestemperatur und des Salzgehalts, sowie die Einwanderung invasiver Arten zu einem erheblichen Wandel in der Seegrasgemeinschaft des Mittelmeers führen könnten.

Auswirkungen auf die biologische Vielfalt

„Wir erwarten eine Verschiebung von langlebigen, großen Arten, wie der einheimischen Posidonia oceanica, hin zu kleinen und schnell wachsenden Arten wie der invasiven Halophila", erklärt Beca-Carretero. „Posidonia ist zwar noch die häufigste Seegrasart im Mittelmeer – sie bildet ausgedehnte Unterwasserwiesen entlang der Küste – doch sie ist wenig ausbreitungsfähig, wächst langsam und ist sehr stressanfällig. Halophila hingegen ist an die Bedingungen im Roten Meer angepasst, das einen hohen Salzgehalt hat und aufgrund seiner eingeschlossenen Lage eines der wärmsten Meere der Welt ist."

Die Veränderungen könnten sich auf Struktur und Funktion des Lebensraums all jener Tierarten auswirken, die von Seegraswiesen abhängig sind. Denn die Seegraswiesen beherbergen eine Vielzahl an Lebewesen, wie verschiedene Fischarten, Krebse, Garnelen, Mollusken und andere Organismen. Seegraswiesen sind für den Lebenszyklus vieler Arten von entscheidender Bedeutung, da sie ihnen Schutz und Nahrungsgebiete sowie Brutplätze bieten.

„Es ist gut möglich, dass dadurch die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der gesamten Küstenumwelt im Mittelmeer beeinträchtigt werden", so Beca-Carretero. „Damit sind auch Menschen wie Fischer, Gastronomen und andere betroffen, die auf diesen Küstenlebensraum angewiesen sind." Der Forscher plant, die neuen Modelle auch für andere Meeresregionen und marine Ökosysteme einzusetzen, um die Folgen globaler Umweltveränderungen abzuschätzen.

Originalpublikation:

Pedro Beca-Carretero, Gidon Winters, Mirta Teichberg, Gabriele Procaccini, Fabian Schneekloth, Ramon H. Zambrano, Kelcie Chiquillo, Hauke Reuter, Climate change and the presence of invasive species will threaten the persistence of the Mediterranean seagrass community, Science of The Total Environment, Volume 910, 2024, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.168675