SONNE-Expedition: Wie entstehen Hangrutschungen im Meer?

Rutschungen im Meer sind oft Auslöser von Flutwellen, die katastrophale Folgen für Menschen an der Küste haben können. Wissenschaftler aus Bremen und Jena brechen heute zu einer Expedition östlich von Neuseeland auf, um mit dem Forschungsschiff SONNE die Ursache dieser Hangrutschungen zu untersuchen. 

Der Hikurangi Kontinentrand östlich der Nordinsel Neuseelands ist eine Subduktionszone, an der die Pazifische unter die Australische Kontinentalplatte abtaucht. In Folge der Subduktion gibt es eine Reihe aktiver Vulkane entlang des Hikurangi Randes und es kommt immer wieder zu Erdbeben an der Grenzfläche zwischen beiden Platten. Diese Beben gehen einher mit starken Erschütterungen des oberen Sedimentstockwerkes und tektonischen Vertikalbewegungen von mehreren Millimetern pro Jahr. Beide Effekte können dazu führen, dass Sedimentpakete von bis zu 80 Metern Mächtigkeit ins Rutschen kommen und sich den Hang hinabbewegen. Diese Hangrutschungen sind um ein Vielfaches größer als die uns an Land bekannten Hangrutsche und Bergstürze, weshalb sie wiederum der Auslöser für Tsunamis sein können. Bei großen Wassertiefen können diese Wellen über große Distanzen Geschwindigkeiten von bis zu 1000 Stundenkilometern erreichen und verheerende Schäden nicht nur in den  angrenzenden Küstenregionen anrichten.

Die Geologen der Universität Jena und vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Bremen, erforschen auf der aktuellen SONNE-Fahrt, inwiefern Gashydrate die Destabilisierung von Sedimenten und die Ausbildung von Hangrutschungen im Meer begünstigen. Gashydrate wurden als „brennendes Eis“ bekannt, da es sich um Gas handelt, das in einem Käfig aus gefrorenem Wasser eingeschlossen ist. Dieses „Gas in Eis“ kommt oft an Kontinentalhängen vor, weil dort über Flüsse viele Pflanzen und organisches Material ins Meer getragen werden – aus dem im sauerstofffreien Milieu Methangas entsteht. Gelangt das Gashydrat an die Oberfläche, wo der Druck geringer und die Temperatur höher ist, schmilzt der Eiskäfig und das Gas wird frei.

Gashydrate sind im Sediment der Kontinentalhänge verteilt und beeinflussen die Stabilität der Sedimente am  Meeresboden. Bei einem Erdbeben wird schlagartig eine große Menge an Energie freigesetzt, die den Meeresboden erschüttert. Fahrtleiterin Professor Katrin Huhn-Frehers beschreibt, was bei derartigen tektonischen Bewegungen mit den Gashydraten geschieht: „Werden die Gashydrate unter niedrigere Druckbedingungen gebracht, erfolgt eine Phasenumwandlung. Die Gashydrate wandeln sich sehr schnell in freies Methangas und Wasser um. Das Entscheidende dabei ist, dass aus einem Kubikmeter Gashydrate mehr als 160 Kubikmeter Gas austritt. Das heißt, dass sich das Volumen vervielfacht und den Sedimentkörper regelrecht aufsprengt.“

Bisherige Studien legen nahe, dass die eingelagerten Gashydrate das Sediment bei einem Erdbeben zusätzlich destabilisieren. Wie genau es dazu kommt, ist eine Forschungsfrage, der die Forscher um Huhn-Frehers vom MARUM nachgehen: „Es  fehlen auch nach vielen Jahren von Rutschungsforschung noch stichhaltige Beweise. Das liegt primär daran, dass man dazu Material aus diesen Rutschungen benötigt, das man dann im Labor in Hinblick auf seine physikalischen Eigenschaften untersuchen kann.“ Genau dieses Material gewinnen Huhn-Frehers und ihr Team auf der aktuellen Fahrt mit dem Meeresbodenbohrgerät MeBo200. „Die Bohrkerne können wir dann zum Teil bereits an Bord und später in den Laboren zu Hause untersuchen und so ein besseres Verständnis für die Mechanik und damit die Auslöser dieser Rutschungen gewinnen.“

Die Forschung zur Früherkennung von Naturgefahren wird vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) gefördert. Das Forschungsschiff SONNE stellt das BMBF den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Verfügung.

Expeditionsleiterin Katrin Huhn-Frehers berichtet in ihren Expeditions-Logbüchern live von der Forschung auf der SONNE: Expeditions-Logbücher des MARUM