Wasserqualität in China: Hilfe für den Tai-See

Im Verbundprojekt „SIGN – Sauberes Wasser von der Quelle bis zum Verbraucher“ kämpfen chinesische und deutsche Partner für eine bessere Wasserqualität im Tai-See. Der See versorgt Millionen Menschen mit Trinkwasser, ist jedoch stark mit organischen Schadstoffen, Nährstoffen und Schwermetallen belastet.

Die Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt für SIGN neue Monitoring-Technologien. Kürzlich nahmen die Wissenschaftler Wasserproben vor Ort.

Die Gegend um den Tai-See ist eine der am schnellsten wachsenden Regionen in China. Infolge der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung steigt der Bedarf an Brauch- und Trinkwasser. Der Tai-See, mit 2 250 Quadratkilometern der drittgrößte Süßwassersee Chinas, dient als Trinkwasserquelle für rund zehn Millionen Menschen. Doch das Wasser ist durch industrielle und landwirtschaftliche Einträge stark mit organischen Schadstoffen, Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor sowie Schwermetallen belastet. Die schlechte Rohwasserqualität führte in den vergangenen Jahren wiederholt zu Versorgungsschwierigkeiten. 2007 kam es zu einem Blaualgenausbruch, der durchschnittlich nur zwei Meter tiefe Tai-See kippte um, und die Wasserversorgung der Millionenstadt Wuxi war tagelang unterbrochen. Ähnliche Probleme treten in anderen Regionen Chinas auf. Daher weist das Projekt SIGN (Sino-German Water Supply Network) Modellcharakter auf.

„SIGN – Sauberes Wasser von der Quelle bis zum Verbraucher“ zielt auf eine Verbesserung der Wasserqualität und damit auch der Lebensqualität der Menschen am Tai-See. Besondere Schwerpunkte liegen auf den Metropolen Wuxi und Suzhou. SIGN betrachtet den gesamten Wasserkreislauf und erstreckt sich von urbanem Abwasser- und Regenwassermanagement über Monitoring- und Frühwarn-Systeme, Schadstoffminderung, Trinkwasseraufbereitung und Trinkwasserverteilung, Weiterbildung und Markteinführung bis hin zu Handlungsempfehlungen für Wasseraufbereitung und Ressourcenmanagement. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt drei Millionen Euro geförderte Verbundprojekt startete im April 2015 und ist auf drei Jahre angelegt. Beteiligt sind 15 deutsche Partner aus Forschung und Industrie, unter ihnen das KIT, sowie zehn chinesische Wissenschaftseinrichtungen, Behörden und Wasserwerke. Die Koordination des Gesamtvorhabens erfolgt durch Professor Andreas Tiehm und Dr. Kathrin Schmidt am DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe.

Ende November/Anfang Dezember dieses Jahres reisten Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse des KIT nach China in die Region am Tai-See, um Messungen durchzuführen sowie Proben aus dem See selbst und aus Renaturierungszonen im Uferbereich zu nehmen. Vier Tage war die Gruppe, in der mehrere deutsche und chinesische Projektpartner vertreten waren, mit einem Forschungsschiff des Nanjing Institute of Geography and Limnology (NIGLAS) der Chinese Academy of Sciences (CAS) auf dem nördlichen Tai-See unterwegs. „Dieser Teil des Sees ist nach bisherigen Studien am stärksten mit Schadstoffen belastet“, berichtet Andreas Holbach vom KIT:

Die Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse des KIT unter der Leitung von Professor Stefan Norra hat innerhalb von SIGN das Teilprojekt DYNAQUA (Dynamik der Qualität des Wassers) übernommen. Dabei entwickeln, bewerten und nutzen die Forscher neue Monitoring-Technologien, um räumliche und zeitliche Veränderungen der Wasserqualität zu untersuchen. Während der China-Reise setzten sie erstmals das an Flachwasser angepasste Sensorsystem BIOFISH ein. Dieses basiert auf einem System, das für ein früheres Projekt am Jangtse-Fluss entwickelt und nun an die besonderen Bedingungen des Tai-Sees angepasst wurde, das heißt an das dortige flache Wasser und die häufig vorkommenden Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, die verschiedene Giftstoffe bilden und die Gewässernutzung erheblich einschränken. Der BIOFISH misst in der jeweils eingestellten Tiefe verschiedene chemisch-physikalische Parameter und zeichnet sie zeitlich und räumlich hoch aufgelöst auf: Temperatur, pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, photosynthetisch aktive Strahlung, Trübung sowie Gehalt an organischen Stoffen, Sauerstoff, Chlorophyll a und anderen Stoffen.

Außerdem verfügt der BIOFISH über ein Probeentnahmesystem, das sich vom Schiff aus per Knopfdruck steuern lässt. Die gewonnenen Wasser- und Sedimentproben werden nun auf Nährstoffe, Schwermetalle und organische Spurenstoffe sowie auf die Verhältnisse stabiler Isotope und auf schadstoffabbauende Mikroorgansimen untersucht. Dabei übernimmt die Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse, die am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) und am Institut für Geographie und Geoökologie (IfGG) des KIT angesiedelt ist, die Untersuchungen auf Nährstoffe und Schwermetalle. Das TZW untersucht die Proben auf schadstoffabbauende Mikroorganismen.

Im Rahmen von SIGN widmen sich die Forscher des KIT auch der Entwicklung einer neuen Profilierungsboje, um Schichtungsbedingungen im Wasserkörper und meteorologische Einflüsse punktuell und langfristig zu beobachten. „Die Ergebnisse der Messungen mit dem BIOFISH und der Profilierungsboje werden wir zu den Schadstoffgehalten aus Wasser- und Sedimentproben in Beziehung setzen und daraus umweltrelevante Prozesse im Wasser des Tai-Sees ableiten“, erklärt Professor Stefan Norra. Ein weiteres Ziel des Teilprojekts DYNAQUA ist, mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität zu erarbeiten. Zudem untersuchen die Wissenschaftler die Wirksamkeit bereits vorgenommener Renaturierungsmaßnahmen in einigen Uferbereichen, wo künstlich angelegte Feuchtbiotope die Funktion der ursprünglich vorhandenen Vegetationsgürtel übernehmen und Schadstoffe zurückhalten oder abbauen sollen.

 Dem Projekt SIGN kommt große politische und soziale Bedeutung zu: In einem Programm, das die chinesische Regierung zur Überwachung und Behandlung von verschmutztem Wasser gestartet hat, stellt die Gegend um den Tai-See eine der Schwerpunktregionen dar.