Weltbodentag: Forschung der Böden zum Schutz des Amazonas-Regenwald
Böden haben unter anderem als Wasserspeicher eine zentrale Rolle im Klimasystem. Gerade in der Amazonasregion ist diese Funktion wichtig, doch droht hier durch Landnutzung ein Überschreiten von Kipppunkten in den Böden. Wie dies verhindert werden kann, untersucht das BMBF-Projekt PRODIGY.
Jedes Jahr am 5. Dezember macht der internationale Weltbodentag (World Soil Day) auf die Bedeutung gesunder Böden aufmerksam. In diesem Jahr widmet sich der Aktionstag dem Thema „Pflege des Bodens: messen, überwachen, verwalten" und unterstreicht die Bedeutung genauer Bodendaten und -informationen für das Verständnis von Bodeneigenschaften. Gerade in Zeiten des Klimawandels leiden viele Böden unter Trockenphasen – doch wie wirkt sich das auf ihre Eigenschaften aus? Und insbesondere auf die Eigenschaften, die durch die Biodiversität bestimmt werden.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt PRODIGY konzentriert sich auf die Untersuchung von Böden im Amazonasgebiet in Peru, Brasilien und Bolivien. Insbesondere untersucht das Projektteam den Zusammenhang von der biologischen Vielfalt in Böden und ökologischen Prozessen. Denn durch die Folgen des Klimawandels und die fortschreitende Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes könnte dort in Zukunft ein sogenannter Kipppunkt überschritten werden: Weite Teile des Amazonas-Regenwaldes könnten sich aufgrund der fortschreitenden Abholzung vor Ort ein Klima schaffen, welches durch intensivere Dürreperioden zur Bildung einer Savanne führt. Würde dieser Kipppunkt überschritten werden, könnte es wiederum zu weiteren Änderungen des regionalen und dann auch globalen Klimas führen (siehe Infobox unten). Noch verhindert die Widerstandsfähigkeit der Böden dies.
Widerstandsfähigkeit steigern, Kipppunkte verhindern
Ziel des Projektes PRODIGY ist es, zu verstehen, worauf die hohe Widerstandsfähigkeit der Böden im westlichen Amazonasbecken basiert. Prof. Dr. Hermann Jungkunst von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU in Landau) koordiniert seit 2019 das interdisziplinäre Projekt, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen und Universitäten wie Geographie, Wirtschaft, Boden-, Klima- und Politikwissenschaft beteiligt sind. Er erläutert: „Unsere Hypothese ist es, dass die hohe funktionale Vielfalt der Lebewesen – vor allem der Pilze – diese Widerstandsfähigkeit erklärt. Diese Resilienz gilt es besser zu verstehen und dann zu nutzen. Der Schlüssel liegt demnach darin, die Diversität der Böden zu erhalten. Nur durch diese kann das Überschreiten der gefürchteten Kipppunkte vermieden werden."
Forschungsprojekt entwickelt neues Modell – für eine optimierte Landwirtschaftsplanung
Besonders vor Ort im Amazonasgebiet drohen negative Effekte, wie etwa für die Landwirtschaft, wenn die Böden ihre Funktion dauerhaft nicht mehr erfüllen können. Die Folge für die Gesellschaft: Die lokale Bevölkerung könnte möglicherweise nicht mehr von ihrem Land leben und noch mehr Wald roden – ein weiterer sich selbst verstärkender Prozess. Jungkunst erklärt: „Der Boden – einschließlich der Artenvielfalt im Boden – erfüllt eine entscheidende Funktion: Er ist vor allem Wasser-, Kohlenstoff- und Nährstoffspeicher. Ähnlich wie ein Schwamm sorgt er dafür, dass die Pflanzen immer trinken können, wenn sie es brauchen. Auch werden Nährstoffe im Boden gehalten, sodass die Pflanzen konstant hiermit versorgt sind. Im Amazonas-Regenwald sehen wir, dass diese Funktionen besonders stark von der Biodiversität und insbesondere von den Pilzen erfüllt werden – trotz oder gerade, weil die Böden dort natürlicherweise bereits stark verwittert sind und eher geringe Nährstoffgehalte aufweisen. Zum Beispiel werden die Pflanzen nur dank der Pilze mit dem wichtigen Phosphor versorgt, das grundsätzlich für die Pflanzen nur schlecht verfügbar ist."
Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die landwirtschaftliche Planung: Da immer mehr Böden unter den weitreichenden Veränderungen leiden und die Erträge dadurch sinken, werden zum Ausgleich immer mehr Flächen gerodet. „Hier sehen wir einen wichtigen Ansatzpunkt", betont Jungkunst. „Aus ökologischer und klimatischer Sicht – so unsere Berechnungen – macht es einen deutlichen Unterschied, ob eine große Fläche bewirtschaftet wird oder mehrere kleine Flächen landwirtschaftlich genutzt werden. Denn bei kleinen Flächen können die Böden ihre Funktion als Wasser- und Nährstoffspeicher besser erfüllen, da die Artenvielfalt im Boden besser funktioniert."
Aktuell arbeitet das Projektteam an der Entwicklung eines neuen Tools: Ein spezielles Modell soll künftig Entscheidungstragenden dabei helfen, anhand von Szenarien vorab zu prüfen, wie sich zum Beispiel großflächige im Vergleich zu kleinflächigen Abholzungen auf den Boden und auf das Klima auswirken. Dabei setzen die Forschenden auf ein integriertes Modell, in das Daten zu Landnutzung, Klima und Bodeneigenschaften einfließen. „In dieses Werkzeug fließt das Wissen der Menschen vor Ort ein und soll Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zum Umdenken bewegen", erklärt der Projektkoordinator. „Seit Beginn des Projekts ist es uns gelungen, den Kontakt zu lokalen Schlüsselpersonen zu intensivieren und wir haben uns gegenseitig für das Thema sensibilisiert. So habe ich gelernt, dass die zunehmende Trockenheit das Hauptproblem der Region darstellt."
Durch die Kontakte zu den lokalen Universitäten im Amazonasgebiet konnte das Projektteam – neben den Entscheidungstragenden – auch Studierende erreichen und Inhalte für Seminare und universitäre Projekte liefern. Jungkunst stellt fest: „Von der vertrauensvollen Zusammenarbeit profitieren beide Seiten: Wir erhalten von der lokalen Wissenschaft wichtige Informationen für unsere Forschungsarbeit – und umgekehrt stellen wir unsere Ergebnisse zur Verfügung."
Alle Forschungsergebnisse plant das PRODIGY-Team bis zum Projektende im Herbst 2025 zu veröffentlichen. Während der gesamten Laufzeit förderte das BMBF das Projekt mit rund acht Millionen Euro.
Kippelemente im Fokus: Was der Boden im Amazonas-Regenwald mit dem globalen Klimasystem zu tun hat
Unser Klimasystem ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen der Atmosphäre und der Oberfläche der Erde, wie den unterschiedlichen Gewässern, Wäldern, Grasflächen, den Eis- und Schneemassen, den Böden und Gesteinen sowie allen besiedelten Schichten der Erde. Alle Komponenten stehen in ständiger Wechselwirkung miteinander. So tauscht beispielsweise der Boden Treibhausgase mit der Atmosphäre aus. Teile dieses globalen Klimasystems sind durch die Erwärmung zusätzlich gefährdet und es drohen Rückkopplungseffekte. Wird ein bestimmter Temperatur- oder Niederschlags-Schwellenwert erreicht, können Subsysteme – wie zum Beispiel der Amazonas-Regenwald – aus dem Gleichgewicht geraten und in einen anderen Zustand „kippen". Sind diese Subsysteme so systemrelevant, dass das gesamte System zu kippen droht, werden diese Komponenten des Klimasystems „Kippelemente" genannt. Jedes Kippelement kann dabei verschiedene Kipppunkte überschreiten.
Der Boden in seiner Funktion als Wasser-, Kohlenstoff- und Nährstoffspeicher hat daher nicht nur für die lokale Bevölkerung und das regionale Klima im Amazonasgebiet eine zentrale Rolle (siehe oben). Er ist auch ein entscheidender Faktor für das globale Klimasystem. Denn sollten weite Teile des Bodens im Amazonas-Regenwald kein Wasser mehr speichern können, da die dafür zuständige Artenvielfalt zerstört wurde, kippt das Ökosystem und der Boden könnte in einen Savannen-artigen Zustand geraten. Damit würde das Regenwaldökosystem nicht nur als großer CO2-Speicher (im Boden) verloren gehen, sondern auch unser globales Klima – und damit auch das Klima in Deutschland – zusätzlich bedroht werden.