Welttag der Meteorologie: Deutschlands neues Treibhausgas-Monitoringsystem
Um die Wirkung von Klimaschutzmaßnahmen zu überprüfen, fördert das BMBF den Aufbau eines neuen Monitoringsystems für die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid (N2O). Im Interview berichtet die Projektkoordinatorin Dr. Andrea Kaiser-Weiss über aktuelle Fortschritte.

Jedes Jahr am 23. März findet der „Welttag der Meteorologie" statt. Warum die Meteorologie so wichtig für die Klimaforschung ist und wie Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre gemessen und künftig unabhängig überwacht werden, erklärt Geophysikerin Dr. Andrea Kaiser-Weiss. Sie leitet beim Deutschen Wetterdienst (DWD) das Referat „Emissionsverifikation Treibhausgase". Zudem koordiniert sie den Aufbau eines unabhängigen „Integrierten Treibhausgas-Monitoringsystem für Deutschland" (kurz ITMS). Die Entwicklung des Systems fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einer ersten Aufbauphase von 2021 bis 2026 mit rund 15 Millionen Euro.
Frau Dr. Kaiser-Weiss, zunächst eine grundsätzliche Frage: Mit welchen Themen befasst sich die Meteorologie und in welcher Beziehung steht sie zur Klimaforschung?
Die Meteorologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Atmosphäre der Erde beschäftigt. Es geht zum Beispiel darum, atmosphärische Zustände wie Temperatur, Niederschlag oder Wind zu beobachten, zu verstehen und vorherzusagen. Zu diesem Zweck kombiniert die Meteorologie Messungen, wie etwa Daten von Wetterstationen oder Satelliten, mit Computermodellen. Durch die Modellierungen sind Meteorologen in der Lage, die Prozesse in der Atmosphäre zu simulieren und beispielsweise kurzfristige Wettervorhersagen zu erstellen.
Beim Klima stehen dagegen die langfristigen Beobachtungen im Fokus. Um die klimatischen Veränderungen, wie etwa die globale Erwärmung, zu verstehen, werden Daten über längere Zeiträume, manchmal Jahrzehnte oder Jahrhunderte, gesammelt. Beide Disziplinen sind deshalb so eng miteinander verknüpft, da die Klimaforschung – neben anderen Faktoren – die meteorologischen Daten nutzt und damit langfristige Klima-Beobachtungen ermöglicht werden.
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sich Deutschland – neben weiteren 194 Vertragsparteien – dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen durch Klimaschutzmaßnahmen zu senken. Doch wie kann überprüft werden, ob die ergriffenen Maßnahmen wirksam sind oder nicht?
Aktuell sammelt das Umweltbundesamt jedes Jahr verschiedene Daten aus unterschiedlichen Quellen – das sind Zahlen aus Klimaberichten von Unternehmen bis hin zur Viehanzahl in der Landwirtschaft. Anhand der riesigen Datenmenge wird so eine Bilanz erstellt, welche Treibhausgas-Mengen in den einzelnen Sektoren – wie etwa Industrie, Landwirtschaft, Verkehr – schätzungsweise ausgestoßen wird.
Damit diese Zahlen in Zukunft auch unabhängig empirisch überprüft werden können, hat sich das Bundesforschungsministerium vor etwa drei Jahren dazu entschieden, den Aufbau eines unabhängigen Treibhausgas-Monitoringsystems für Deutschland zu fördern. Damit wird Deutschland in die Lage versetzt, die Quellen und Senken der drei – für den Klimawandel entscheidenden – Treibhausgase CO2, Methan und das sogenannte Lachgas mit Hilfe unabhängiger Messungen zu kontrollieren. Es geht darum, in Zukunft sowohl die natürlichen als auch die menschengemachten Treibhausgas-Quellen und -Senken durch konkrete Messungen zu erfassen.
Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, das ITMS-System im kommenden Jahr in die Praxis zu überführen. Wo stehen Sie aktuell?
So ein System aufzubauen, ist recht komplex. Wir müssen uns für jedes der drei Treibhausgase anschauen, wie wir die Quellen und Senken erfassen und abbilden können. Wenn wir uns das CO2 anschauen, so muss beispielsweise die Vegetation sehr gut modelliert werden, um die Daten von Mooren und Wäldern einfließen zu lassen. Was die Erfassung der CO2-Daten anbelangt, ist der Schwierigkeitsgrad also hoch und wir stehen noch in der Aufbauphase.
Beim Methan sind wir da schon weiter und können die natürlichen und menschengemachten Methan-Quellen für Deutschland bereits voneinander unterscheiden und abbilden (Anm. d. Redaktion: siehe Videosequenz). Dabei greifen wir auf verschiedene Messungen zurück – allein in Europa gibt es 50 Messstationen, die zum Beispiel jede Stunde die Methankonzentration in der Atmosphäre und die Windrichtung messen. Wenn wir diese Daten in die Computermodelle einspeisen, können wir präzisere Aussagen über die tatsächlichen, messbaren Emissionen treffen.
Das neue Treibhausgas-Monitoring ITMS unterscheidet, welche Emissionen menschengemacht (gelb) und natürlich (blau) sind. © DWD, Dr. Valentin Bruch
Konkret haben wir beispielsweise die Methan-Emissionen untersucht, nachdem es die Explosion der Nord-Stream-Pipeline im September 2022 in der Ostsee gab. Innerhalb von einer Woche konnten wir erste Berechnungen erstellen und damit schnell auf besorgte Anfragen aus der Bevölkerung reagieren, die sich erkundigten, ob durch den Methanausstoß eine Explosionsgefahr auf Rügen bestehe. Dank der Simulation konnten wir hier zügig Entwarnung geben. Es ist schon sehr wichtig, zu erfassen, wie viel Methan – oder auch andere Treibhausgase – durch Luftströmungen über die Grenze nach Deutschland hinein transportiert wird. Das wird bei unseren europaweiten Modellierungen mitberücksichtigt. So können wir unterscheiden, welche Emissionen tatsächlich in Deutschland verursacht werden.
Wenn das System in den operationellen Betrieb geht: Wie kann es aus Ihrer Sicht am effektivsten eingesetzt werden?
Das neue ITMS-Monitoringsystem kann als eine Art Ergänzung zur bestehenden Treibhausgas-Bilanzierung gesehen werden. Künftig wird es möglich sein, anhand des neuen Systems unabhängig zu überprüfen, ob die zentral beim Umweltbundesamt gesammelten Daten mit den tatsächlich bei den unterschiedlichen Messstationen dokumentierten Daten übereinstimmen – oder ob und welche Abweichungen es gibt. So kann auch die Politik oder Industrie überprüfen, ob umgesetzte Klimaschutzmaßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen oder ob es bei den Maßnahmen Anpassungsbedarf gibt.
Kommen wir am Ende zurück auf den diesjährigen Welttag der Meteorologie, der unter dem Motto „Closing the early warning gap together – Gemeinsam die Frühwarnlücke schließen" läuft. Kann das neue Monitoringsystem auch für die Frühwarnung eingesetzt werden?
Auf jeden Fall ist das möglich! Im Fokus steht zwar die jährliche Standardüberprüfung der Treibhausgas-Überwachung. Doch sicherlich kann das System auch für die Frühwarnung eingesetzt werden. Denn mit diesem neuen ITMS-System können wir sehen, wie gut Deutschland im Vergleich zu den eigenen Klimazielen abschneidet und ob in der Atmosphäre eine Treibhausgaskonzentration vorherrscht, die in Zukunft gefährlich wird. Auch unterjährig oder zu konkreten Anlässen könnte das System als Warnsystem genutzt werden, wenn wir zum Beispiel messen, ob sich ein Wald von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle entwickelt. So wird es künftig schneller möglich sein, auf solche Veränderungen zu reagieren.
Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Dr. Andrea Kaiser-Weiss
Nach dem Studium der Geophysik an der Bergakadamie Freiberg, an der Universität Southampton und am KIT Karlsruhe promovierte Andrea Kaiser-Weiss an der ETH Zürich in Atmosphärenwissenschaften. Bei der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) leitete sie eine Arbeitsgruppe zur Modellierung der Herkunft der Luftschadstoffe. Danach beschäftigte sie sich an der britischen Universität Reading mit Datenassimilation und koordinierte das internationale Forschungsteam GHRSST, bevor sie am Deutschen Wetterdienst das Climate Data Center aufbaute und das Integrierte Treibhausgas-Monitoringsystem vorbereitete.
Zum Hintergrund: Integriertes Treibhausgas-Monitoringsystem für Deutschland – ITMS
CO2, Methan, Distickstoffmonoxid (Lachgas) und weitere Spurengase – der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen (THG) trägt maßgeblich zur Erderwärmung bei. Die größten Treibhausgasquellen bilden insbesondere die Energiewirtschaft, die Industrie sowie der Verkehr, aber auch die Landwirtschaft. Als Treibhausgassenken werden beispielsweise intakte Moore und Wälder bezeichnet, weil sie CO2 binden können.
In Deutschland setzt sich das BMBF für ein unabhängiges „Integriertes Treibhausgas-Monitoringsystem für Deutschland – ITMS" ein und fördert seit Dezember 2021 dessen Entwicklung. Damit sollen anthropogene – vom Menschen gemachte – sowie natürliche Treibhausgasquellen und -senken deutschlandweit gemessen, quantifiziert und eingeordnet werden. Im Fokus stehen hier die relevantesten Treibhausgase Deutschlands: CO2, Methan und Distickstoffmonoxid (Lachgas).
Koordiniert durch das Max-Planck-Institut für Biogeochemie sowie dem Deutschen Wetterdienst arbeiten insgesamt 19 deutsche Partnerinstitutionen am dem Aufbau von ITMS.
Eine Basis für das neue Monitoringsystem ITMS bilden zum Beispiel die erhobenen Daten zu den Treibhausgasen aus den über das BMBF geförderten Forschungsinfrastrukturen ICOS (Integrated Carbon Observation System) und IAGOS (In-service Aircraft for a Global Observing System), die in das Monitoringsystem einfließen. Der Aufbau des deutschen Beitrags zu ICOS wurde von 2012 bis 2016, der zu IAGOS von 2012 bis 2022, durch das BMBF gefördert.