BIOACID: Interdisziplinäre Vernetzung bringt wichtige neue Erkenntnisse

Ein Jahr nach Beginn der zweiten Förderphase informierten die Mitglieder des deutschen Forschungsverbunds zur Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) einander über den aktuellen Stand ihrer Arbeiten. Ihre vorläufigen Ergebnisse lassen wichtige Erkenntnisse über die Reaktionen der marinen Lebensgemeinschaft sowie zu Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft erwarten. Das Treffen fand am 1. und 2. Oktober 2013 am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) statt.

Vom Mikroplankton bis zum Wechselspiel der Arten im marinen Ökosystem und von elementaren Stoffkreisläufen bis zu Folgen für die Wirtschaft und Gesellschaft: Das deutsche Verbundprojekt zur Erforschung der Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) betrachtet „das andere Kohlendioxid-Problem“ in seiner gesamten Breite. Auf ihrem Jahrestreffen am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) tauschten sich 110 Forscher über den Stand ihrer Arbeiten aus. „Das Niveau der Vorträge und Poster-Präsentationen ist durchgängig hoch. Unser international besetzter wissenschaftlicher Beirat zeigte sich beeindruckt“, stellt Prof. Ulf Riebesell fest. Der Professor für Biologische Ozeanografie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert BIOACID. „Besonders positiv ist die enge Kooperation zwischen den einzelnen Disziplinen. Biologen, Chemiker und Physiker arbeiten mit Ökonomen und Soziologen zusammen. Das ist wichtig, um die komplexen Reaktionen der Lebensgemeinschaften auf Ozeanwandel besser zu verstehen und ihre Folgen für uns Menschen vorausschauend einschätzen zu können.“

Das bislang aufwendigste Experiment seit Beginn der zweiten Förderphase dauerte fast ein halbes Jahr: Von Januar bis Juni 2013 waren die Kieler KOSMOS Mesokosmen im Gullmarfjord in Westschweden im Einsatz. Mit dieser weltweit einzigartigen seegängigen Experimentieranlage untersuchten die Forscher, wie die Planktongemeinschaft langfristig auf Ozeanversauerung reagiert und ob sich das natürliche System an neue Umweltbedingungen anpassen kann. An der vom GEOMAR koordinierten Studie nahmen neben zahlreichen BIOACID Partnern auch ausländische Institute aus Schweden, Finnland, Großbritannien und den Niederlanden teil. Das Gastgeber-Institut IOW widmet sich insbesondere den Auswirkungen auf die Cyanobakterien in der Ostsee. Diese Planktonorganismen scheinen von der Versauerung des Meerwassers zu profitieren.
 
In fest installierten Benthokosmen betrachtet eine Forschergruppe Veränderungen in bodennahen Lebensgemeinschaften der Ost- und Nordsee bei zukünftigen Temperaturen und Kohlendioxid-Konzentrationen. Die Becken stehen am GEOMAR in Kiel und an der Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Die Langzeit-Experimente sind so konzipiert, dass die Wissenschaftler Wechselwirkungen zwischen einzelnen Organismengruppen berücksichtigen können. Denn in der Natur, wo die Lebenskreisläufe eng aufeinander abgestimmt sind, können sich die unterschiedlichen Umweltveränderungen in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder abmildern.
 
Parallel finden Laborversuche mit isolierten Organismen unter kontrollierten Bedingungen statt, die den Forschern mehr über die Physiologie wichtiger Schlüsselarten verraten. Die Auswahl reicht dabei von der Flügelschnecke Limacina helicina, einem bedeutenden Bindeglied der Nahrungskette im Nordatlantik und der Arktis, über die Miesmuschel Mytilus edulis bis hin zur Kaltwasserkoralle Lophelia pertusa.

Regionen, in denen das Meer natürlicherweise besonders viel Kohlendioxid enthält, dienen zudem als „Fenster zur Zukunft“. „Eine Studie an Korallenriffen in der Nähe von Kohlendioxid-Quellen in Papua-Neuguinea legt nahe, dass es neben den Verlierern der Versauerung zwar auch Profiteure geben wird, die Biodiversität insgesamt aber deutlich abnimmt“, berichtet Konsortiumsleiter Dr. Dirk de Beer vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen.

Mehrere Arbeitsgruppen betrachten in der zweiten Phase von BIOACID, wie wichtige Speisefischarten wie Dorsch, Hering oder Thunfisch auf Versauerung reagieren. „Die frühen Entwicklungsstadien erweisen sich in Bezug auf Versauerung und Temperaturerhöhung des Wassers als besonders empfindlich“, so Dr. Felix Mark vom AWI, der diesen Forschungsschwerpunkt des BIOACID Programms leitet. Gleichzeitig entwickeln Ökonomen bereits Modelle, die untersuchen, inwiefern ein angepasstes Fischereimanagement sinkende Bestandszahlen ausgleichen könnte. Mit Hilfe gezielter Befragungen und Interviews wird außerdem ermittelt, wie die lokale Bevölkerung, Fischer und Fischereiunternehmen mit Auswirkungen der Ozeanversauerung umgehen.
 
„Obwohl noch zwei Jahre vor uns liegen, ist schon jetzt absehbar, dass von den BIOACID-Forschern wichtige Erkenntnisse über die Folgen der Ozeanversauerung zu erwarten sind“, fasst Riebesell zusammen. „Ergebnisse aus BIOACID fließen unmittelbar in die aktuellen Erhebungen des UN-Klimarats ein und stehen nationalen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit in vielfältiger und allgemein verständlicher Form zur Verfügung.“

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