Hitze, Dürre, Starkregen, Stürme: Forschende der BMBF-Fördermaßnahme „ClimXtreme“ zeigen, wie der Klimawandel Extremwetterereignisse beeinflusst hat und verändern wird

Wurden vergangene Wetterextreme durch den Klimawandel beeinflusst? Werden zukünftige Wetterextreme sich in ihrer Intensität, Häufigkeit und räumlichen Lage durch den Klimawandel verändern? Die Forschenden der BMBF-Maßnahme ClimXtreme stellten ihre Ergebnisse vor.

Starkregen, Stürme, Hitze und Dürre haben in den letzten Jahren massive Schäden in Deutschland angerichtet. So wird in der Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung der Arbeitsgruppe 1 des sechsten IPCC Sachstandsberichtes im Herbst 2021 festgehalten, dass „das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem – und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems – seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos" ist. Der IPCC-Bericht fährt fort: „Es ist praktisch sicher, dass Hitzeextreme (einschließlich Hitzewellen) in den meisten Regionen an Land seit den 1950er Jahren häufiger und intensiver geworden sind, während Kälteextreme - einschließlich Kältewellen - seltener und weniger schwerwiegend geworden sind, wobei hohes Vertrauen darin besteht, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel der Hauptantriebsfaktor für diese Veränderungen ist." So lautet die Aussage des IPCC 2021. Diese Extremwetterereignisse werden sich aus physikalischen Gründen infolge des Klimawandels weiter ändern.

ClimXtreme schließt Phase I ab: Ausführliche Stellungnahmen zu Starkregen und Sturmtiefs

Hier ist Forschung mehr denn je gefragt, Klimadaten über diese Veränderungen zu erfassen und auszuwerten: Über 120 ClimXtreme-Forschende aus 39 Einzelprojekten trafen sich vom 24. bis 25. November 2022 auf einem Statusseminar in Offenbach zum Abschluss der ersten Phase der BMBF-Fördermaßnahme ClimXtreme.

Zu den zentralen Ergebnissen der gemeinsamen Arbeiten seit März 2020 gehören zwei Stellungnahmen, erstens zu den Starkregenereignissen im Juli 2021 in den Einzugsbereichen der Flüsse Ruhr, Ahr, Erft, Swist und Maas sowie zweitens zur Abfolge der Sturmtiefs Ylenia, Zeynep und Antonia im Februar 2022. Diese Stellungnahmen ordnen die Ereignisse auf Grundlage der Teilprojektergebnisse ein.

Für die Flutereignisse im Juli 2021 haben Mitarbeitende eines ClimXtreme-Teilprojekts die internationale Zusammenarbeit im Rahmen des „World Weather Attribution Teams" koordiniert und dabei auch Ergebnisse weiterer ClimXtreme Projekte verwendet. Die daraus entstandene Studie WWA 2021 kam zu der Schlussfolgerung, dass die Wahrscheinlichkeit von derart extremen Niederschlägen in der betrachteten Region durch den Klimawandel um das 1,2- bis 9-fache erhöht war.

Weitere Arbeiten von ClimXtreme befassen sich mit den physikalischen Prozessen, die zu diesen Starkniederschlägen und -abflussmengen führten, und der Bewertung der statistischen Eigenschaften der Extreme und ihrer Einwirkungen auf die Infrastrukturen. So konnte bereits wenige Tage nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (21. Juli 2021) der Gesamtschaden nach dem Ereignis auf 11 bis 24 Milliarden Euro geschätzt werden. Eine wichtige Basis für Einschätzungen dieser Art ist der ClimXtreme-Katalog zu vergangenen Extremwetterereignissen, der eine Art historisches „Gedächtnis" darstellt und so eine vergleichende Perspektive auf vergangene, gegenwärtige und mögliche zukünftige Ereignisse ermöglicht. Daran lassen sich auch erste Trends erkennen. So wird die Flutkatastrophe von Juli 2021 aus wissenschaftlicher Perspektive zum Beispiel unter anderem mit dem Heinrichsflutereignis in Ostwestfalen, Nordhessen und Thüringen verglichen, das sich fast auf den Tag genau 56 Jahre früher, vom 15. auf den 16. Juli 1965, ereignete.

Zur Analyse der Sturmereignisse Anfang 2022 und den daraus resultierenden Schäden erklärten die ClimXtreme-Koordinatoren Prof. Joaquim Pinto vom KIT und Prof. Uwe Ulbrich von der FU Berlin: „Anfang des Jahres 2022 zogen die Tiefdruckgebiete Ylenia, Zeynep und Antonia als Teil einer sogenannten Sturmserie über Nord- und Zentraleuropa. Solche Serien von mehreren, kurz hintereinander auftretenden Stürmen in Europa sind hinsichtlich des Gesamtschadens besonders relevant. Die Stürme stehen mit einem verstärkten, quasi-stationären und sich nach Europa erstreckenden Jet-Stream im Zusammenhang, der sie nach Westeuropa leitet."

Eine Anzahl von drei Stürmen innerhalb einer Woche wurde seit 1979 wiederholt - nämlich neun Mal - beobachtet. Bei den Sturmereignissen im Februar 2022 wurden Geschwindigkeiten der Warnstufe 3 des Deutschen Wetterdienstes (Orkanböen um 120 km/h) weiträumig erreicht oder überschritten. Die schadenträchtigen Windgeschwindigkeiten traten bei dieser Serie über besonders lange Zeit auf, was sie von anderen Ereignissen, wie etwa dem Sturm Kyrill, unterscheidet. Zudem traten an manchen betroffenen Orten Phänomene, wie Tornados oder der sogenannte „Sting Jet" auf, die mit extremen Windgeschwindigkeiten verbunden sind. Hinsichtlich der Wirkungen lässt sich die Sturmserie mit einem versicherten Schaden in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro historisch auf Platz drei einordnen, hinter Kyrill (2007: 3,6 Milliarden Euro) und Jeanett (2002: 1,44 Milliarden Euro).

Der Mehrwert der Zusammenarbeit in der Maßnahme ClimXtreme

Die Kernfragen der ClimXtreme-Maßnahme werden von den Forschenden aus verschiedenen Perspektiven bearbeitet:

  • Extremwetterereignisse sind seltene Ereignisse, was den statistischen Nachweis von systematischen Veränderungen in ihrer Stärke und Häufigkeit erschwert. ClimXtreme entwickelt vor diesem Hintergrund eine verbesserte statistische Analyse und wendet diese auf alle verfügbaren Daten in hoher Raum-Zeitauflösung an.
  • Die Schäden durch Extremwetterereignisse hängen oft davon ab, welche Abfolgen, wie zum Beispiel Sturm-Serien oder Starkregen nach langanhaltender Dürre, bzw. welche Wetterfaktoren gemeinsam aufgetreten sind. Diese Kombinationsereignisse und ihre Veränderungen durch den Klimawandel stellen eine Herausforderung für die Statistik und das Prozessverständnis dar und werden in ClimXtreme im Hinblick auf ihre Auswirkungen untersucht.
  • ClimXtreme baut eine Datenbasis auf, die historische Schadensereignisse sowie beobachtete und in Computermodellen berechnete Wetter- und Klimadaten enthält. Ein einfacher Zugang zu dieser Datenbank wird die nachhaltige Nutzung in Zukunft sichern.

Die Bedeutung der Forschung von ClimXtreme wurde auch vom Münchner Rückversicherer MunichRe hervorgehoben. Dr. Anja Rädler, Convective Storm und Climate Change Consultant,  erklärte: „Einige wenige Extremereignisse sind für den Großteil der Schäden verantwortlich. Daher ist es wichtig zu erfahren, ob sich die Häufigkeit von seltenen und extremen Ereignissen durch den Klimawandel bereits verändert hat oder nicht. Solche Analysen benötigen Unterstützung durch wissenschaftliche Klimamodellierungsansätze, wie sie im Rahmen von ClimXtreme durchgeführt werden."

Die Herausforderungen für die Rückversicherungswirtschaft durch Extremwetterereignisse seien groß, denn diese Unternehmen ständen unter dem Druck, dass die Extremereignisse einer sich verändernden Verteilung bereits auftreten können, obwohl es aufgrund kurzer Zeitreihen, großer Unsicherheiten und fehlender Forschungsstudien noch nicht möglich sei, sie sofort zu quantifizieren. Die ClimXtreme-Maßnahme stelle somit eine äußerst wertvolle Forschungsarbeit für die Rückversicherungsbranche dar, indem sie Antworten auf die Frage nach den Auswirkungen des Klimawandels auf Extremwetterereignisse sowohl für das vergangene als auch für das zukünftige Klima liefere.

Das BMBF hat die im Februar 2023 auslaufende erste Phase der Fördermaßnahme ClimXtreme mit 14 Millionen Euro unterstützt. Die zweite Phase von ClimXtreme startet im Sommer 2023.