Die wichtigsten Forschungsthemen für erneuerbare Energien

Wie lässt sich die Energiewende am besten verbinden mit einer Verkehrswende und einer Wärmewende? Das Thema der Sektorenkopplung stand ganz oben auf der Tagesordnung der Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien am 2. und 3. November im Berliner Umweltforum. Der FVEE ist eine bundesweite Kooperation von Forschungsinstituten, die Technologien für erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energiespeicherung und das optimierte technische und sozio-ökonomische Zusammenwirken aller Systemkomponenten erforschen und entwickeln.

Die Wissenschaftler arbeiten an der Gestaltung des Energiesystems – gemeinsam mit den forschungsfördernden Ministerien für Bildung und Forschung, für Wirtschaft, für Ernährung und Landwirtschaft sowie für Umwelt. Vertreter der Ministerien diskutierten am ersten Tag die Frage, wie die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz in die Tat umgesetzt werden können. Am zweiten Tag gaben die Wissenschaftler Einblicke in ihre aktuellen Arbeiten und skizzierten die Entwicklungstrends im Bereich von Erzeugungstechnologien, Netzen, Speichern und Kraftstoffen.  

„Eine mehrgleisige, technologieoffene Energieforschungsförderung sowie keine verfrühten technologischen Vorfestlegungen sind gut für den Klimaschutz“, betonte Dr. Christoph Rövekamp vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Energieforschung helfe dem Klimaschutz, denn sie sei durch umfassende Agendaprozesse und wissenschaftsbasierte Stakeholder-Dialoge abgesichert. Bis 2050 muss die Energieversorgung klimaneutral erfolgen, damit sich die durchschnittliche Temperatur der Luft nicht um mehr als zwei Grad erhöht – im besten Fall sogar um weniger als 1,5 Grad. Der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur im Stromsektor, sondern auch in der Mobilität und bei der Wärmeversorgung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Welchen Beitrag kann die Forschung dazu leisten?

Dr. Volker Niendieker vom Bundeslandwirtschaftsministerium wies auf die Sonderrolle der Bioenergie hin, die flexibel einsetzbar und leicht zu speichern sei und deshalb als Systemdienstleistung wahrgenommen werden müsse. „Diese Stärken sind via Forschung auszubauen“, so Niendieker.  Dr. Ingrid Hanhoff vom Bundesumweltministerium forderte: „Wir sollten die Forschungsförderung für erneuerbare Energien in den kommenden zehn Jahren verdoppeln.“

Alexander Folz vom Bundeswirtschaftsministerium fasste die seiner Auffassung nach wichtigsten Forschungsthemen zusammen: intelligenter und sicherer Netzbetrieb, Flexibilisierung, Digitalisierung, Sektorkopplung sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut sagte dazu: „Die Energieforschung hilft Optionen für die Gestaltung der Energiewende zu entwickeln. Die Forschungsbudgets sind angestiegen. Den hohen Stellenwert, den das Thema in der Bundesregierung hat, erkennt man auch an neuen Forschungsformaten wie den Kopernikus-Projekten für die Energiewende.“ Die 400 Teilnehmer der Tagung informierten sich bei Experten-Vorträgen und Diskussionsrunden über den aktuellen Stand der Forschung. Zum einen zeigten die Wissenschaftler, welche Potenziale in der Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie liegen. Sie zeigten anhand von verschiedenen Energieszenarien, wie die erneuerbaren Energien am besten in das Gesamtsystem integriert werden könnten und warum die Energieeffizienz in allen Sektoren steigen muss. Neue Antriebskonzepte in der Mobilität wie die Elektroautos und synthetische Kraftstoffe wurden diskutiert. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Bewertungskriterien für die Energiewende nicht nur ökonomische sein sollten, sondern auch gesellschaftliche, technische und ökologische.  Christoph Rövekamp vom BMBF fasste zusammen: „Wir brauchen einen viel stärkeren Begleitprozess. Klimaschutz ist keine Glaubens- sondern eine Erkenntnisfrage. Dafür brauchen wir die Forschung.“

Am zweiten Tag zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche technologischen Optionen mittel- und langfristig zur Verfügung stehen werden. Prof. Bernd Rech vom HZB beleuchtete die Entwicklungstrends in der Photovoltaik und nannte vielversprechende neue Technologien sowie Fortschritte im Bereich der Dünnschicht und Tandem-Zellen. Rech kam zu dem Schluss „Forschung lohnt sich“.

Dr. Thorsten Dullweber vom ISFH lenkte die Aufmerksamkeit danach auf Fortschritte bei den PV-Produktionstechnologien. Dullweber sagte eine Zunahme von den heutigen weltweiten Produktionskapazitäten von rund 60 GWp auf 150-800 GWp voraus, einhergehend mit weiter sinkenden Stromgestehungskosten, die bereits heute in Deutschland bei rund 7 Eurocent/kWh liegen würden. Absehbar sei außerdem, dass sich die PERC-Technologie weltweit weiter durchsetzen werde.

Marco Jung, Forscher am Fraunhofer IWES, berichtete anschließend über die grundsätzliche Rolle der PV-Systemtechnik. Neben der Photovoltaik standen an diesem Tag aber auch andere Erzeugungstechnologien im Mittelpunkt. Prof. Andreas Reuter vom Fraunhofer IWES informierte über Entwicklungstrends in der Windbranche. Reuter prognostizierte unter anderem, dass das Größenwachstum der Windenergieanlagen bald an Grenzen stoßen werde da zusätzliche Erträge in großer Höhe nicht den Mehraufwand hinsichtlich Materialeigenschaften und Statik aufwiegen würden.

Dr. Martin Müller vom Forschungszentrum Jülich stellte im Folgenden die Forschung im Themenfeld Wasserstoff-Technologien dar. Dabei ging Müller auf verschiedene innovative H2-Erzeugungstechnologien wie z.B. den  photoelektrischen Pfad und die Hydrogenase ein. „Für die Elektrolyse sind 500€/kWh als akzeptables Ziel angesetzt“, ergänzte Müller weiter. Im Themenfeld Bioenergie referierte Prof. Daniela Thrän vom DBFZ über die Entwicklungsperspektiven von „Smart Bioenergy Concepts“. Ziel sei eine Flexibilisierung der Anlagenkonzepte um Bioenergie immer dann zu nutzen, wenn Wind und PV keine Erträge liefern, so Thrän. Prof. Ernst Huenges vom GFZ erläuterte außerdem, wie die Geosphäre maßgeblich zum Gelingen der Energiewende und Klimaziele beitragen könne. Er plädierte für mehr Mut bei der Umsetzung und der großflächigeren Nutzung von Geothermie und unterirdischen Speicherräumen. „Die Wärmewende ist mit Geothermie machbar. In Berlin ist rund 5 Prozent der Wärmeversorgung mit Geothermie möglich“, so Huenges.

Im anschließenden Verlauf wurde die Rolle der Netze und Speicher weiter diskutiert. Dr. Thomas Denger vom Fraunhofer IWES stellte die Anforderungen an ein zukunftsfähiges Stromnetz vor, während Prof. Oliver Kastner vom ISFH auf die bedeutende Rolle von Quartieren bei der Integration von erneuerbarer Wärme hinwies. Quartiere seien „die kritische Masse für die Wärmewende“ und im Übrigen solle die direkte Nutzung der EE-Wärme zwingend prioritär verfolgt werden, sagte Kastner dazu. Dr. Andreas Hauer vom ZAE verschaffte den Teilnehmern anschließend einen aktuellen Überblick über die Speicher-Landschaft. Dazu gab er als Ziel die „flexible Sektorenkopplung“ mit Hilfe der Energiespeicher aus. Dr. Matthias Vetter vom Fraunhofer ISE ging dann im Detail auf Entwicklungen im Bereich der Zell- und Batterieforschung ein. So riet Vetter unter anderem dazu große Speicher zukünftig auf Basis großskaliger Zellen zu fertigen und nicht analog zum „Model Tesla“ kleinteilig vorzugehen. Entscheidend seien auch weitere Fortschritte bei der Simulation von Alterungsprozessen. Außerdem sieht Vetter konkrete Anwendungsfälle von Redox-Flow-Speichern als Mittelfristlösung und Wasserstoff als Langfristspeicher.

Abschließend stellte Dr. Franziska Müller-Langer vom DBFZ die Entwicklungschancen von Erneuerbaren Kraftstoffen für die Mobilität und Industrie vor. Dabei verwies sie u.a. auf den vielversprechenden Ansatze der photoelektrochemischen Erzeugung von solaren Brennstoffen und auf das Konzept der Bioelektroraffinerie zur Umwandlung von Biomasse in hochwertige organische Chemikalien.