Untermeerische Grundwasseraustritte vor Finnland entdeckt

Wissenschaftler des BONUS SEAMOUNT Projektes haben vor der Hanko-Halbinsel in Südfinnland eine zuvor unbekannte Austrittsstelle von submarinem Grundwasser entdeckt. Neben der Eckernförder Bucht und der Puck-Bucht in Polen ist dies nun die dritte, eindeutig dokumentierte Austrittsstelle in der Ostsee.

Der ökologische Zustand der Ostsee wird im Allgemeinen als schlecht bewertet, was vor allem auf den überschüssigen Eintrag von Nährstoffen durch die intensive Landwirtschaft im Einzugsbereich der Ostsee zurückzuführen ist. Ein Großteil dieser Nährstoffe gelangt durch Flüsse und die Atmosphäre in die Ostsee. Es wird jedoch vermutet, dass auch submarine Grundwasseraustritte (submarine groundwater discharge – SGD) eine nicht unwesentliche Rolle beim Nährstoffeintrag spielen. Als SGD wird der Austritt von Meer- und Grundwasser am Meeresboden bezeichnet. Wenn der Grundwasserspiegel an Land über dem Meeresspiegel liegt und es durchlässige Gesteine zulassen, fließt Grundwasser ins Meer. Dort vermischt es sich mit dem in den marinen Sedimenten vorhandenen Meerwasser, bevor es am Meeresboden austritt. Im Fall von sehr lokal begrenzten sogenannten fokussierten Austritten, wie sie zum Beispiel häufig entlang der französischen Mittelmeerküste auftreten, kann man SGD anhand von runden Aufwölbungen an der Wasseroberfläche identifizieren.

Neben diesen fokussierten Austritten sind sehr fein verteilte, sogenannte diffusive Austritte weit verbreitet. Sie sind manchmal bei Niedrigwasser am Strand zu erkennen.

Der überwiegende Teil der submarinen Grundwasseraustritte ist nicht sichtbar. Um sie nachzuweisen, werden verschiedene Methoden verwendet, beispielsweise indem die Wassertemperatur mithilfe von Satelliten oder Drohnen erfasst wird oder chemische Spurenstoffe (z. B. Salinität, Radon, Radium, Methan etc.) identifiziert werden, die charakteristisch für Grundwasseraustritte sind.
Während es weltweit bereits viele Untersuchungen gibt, die die Bedeutung von flachen Grundwasseraustritten in Strandnähe für die küstennahen Umweltbedingungen herausstellen, gibt es wenige Informationen zum Vorkommen von Grundwasseraustritten in größeren Wassertiefen. Dies liegt unter anderem daran, dass der Nachweis von Austritten in größeren Wassertiefen von über zehn Metern eine besondere Herausforderung an die bisher verfügbare Messtechnik stellt.
Das von Wissenschaftlern und Firmen aus Deutschland, Dänemark, Finnland und Polen gemeinsam durchgeführte Projekt BONUS SEAMOUNT (New surveillance tools for remote sea monitoring and their application on SGD and seabed surveys; www.seamount.eu) hat zum Ziel, neue Technologien und Plattformen zum Auffinden und Erforschen von Grundwasseraustritten in der Ostsee zu entwickeln. Kernstück von BONUS SEAMOUNT ist dabei die Entwicklung autonomer Unterwasserfahrzeuge, die sowohl nach bisher unbekannten tiefen Grundwasseraustritten suchen können, als auch mit den nötigen Sensoren ausgerüstet sind, um diese umfassend zu charakterisieren. Innerhalb des Projektes werden sowohl bereits bekannte Grundwasseraustrittstellen in der Ostsee näher untersucht, als auch gezielt nach neuen unbekannten Lokationen gesucht.

Eine dieser zuvor unbekannten Austrittstelle wurde nun durch hochauflösende Kartierung des Meeresbodens durch den Geologischen Dienst von Finnland, einer der Projektpartner in BONUS SEAMOUNT, etwa 200 Meter vor der Hanko-Halbinsel in Südfinnland in einer Wassertiefe von zehn bis 17 Metern entdeckt. Der leitende Wissenschaftler der Studie, Dr. Joonas Virtasalo, fand mehr als zwanzig sogenannte „Pockmarks“ am Meeresboden, bis 25 Meter breite und etwa zwei Meter tiefe Senken, die als Indiz für austretende Gase oder Grundwasser gelten. Ähnliche Strukturen finden sich zum Beispiel auch in der Eckernförder Bucht, wo ein eindeutiger Zusammenhang mit austretendem Grundwasser bekannt ist.
Um die Herkunft dieser Pockmarks zu klären, wurde im Mai 2018 eine Feldkampagne zusammen mit Dr. Jan F. Schröder und Dr. Jan Scholten vom Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität Kiel, ebenfalls Mitglieder von BONUS SEAMOUNT, durchgeführt. Mit vom Forschungsboot Gridi herabgelassenen Pumpen haben die Wissenschaftler den Radon-Gehalt im Bodenwasser direkt über den Pockmarks mittels eines Durchflussverfahrens bestimmt. Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Gas, das durch seine relativ hohe Konzentration im Grundwasser gegenüber dem Meerwasser als Indikator für einen submarinen Grundwasseraustritt gilt. Kontrollmessungen an Land bestätigten die starke Anreicherung von Radon im dortigen Grundwasser.
Weitere geophysikalische Untersuchungen an Land und auf See konnten den Aufbau und die Geometrie des Grundwasserleiters klären. Den neuen Erkenntnissen zufolge befinden sich die Pockmarks im äußeren Bereich einer ehemaligen Gletscherzunge, der sogenannten Ersten Salpausselkä Eisrand-Formation. Das Grundwasser fließt entlang dieser sandigen Schichten unter das Meer. In Bereichen, in denen der darüber liegende Meeresboden dünn genug oder durch gröberes Material durchlässig ist, tritt das Grundwasser wieder aus. Durch das austretende Grundwasser wird der Meeresboden gelockert und bildet die charakteristischen Pockmarks.

Die Wissenschaftler haben ihre Studie in der frei zugänglichen Online-Fachzeitschrift Solid Earth veröffentlicht.

Originalpublikation:
Virtasalo, J. J., Schröder, J. F., Luoma, S., Majaniemi, J., Mursu, J., und Scholten, J. 2019: Submarine groundwater discharge site in the First Salpausselkä ice-marginal formation, south Finland, Solid Earth, 10, 405-423, https://www.solid-earth.net/10/405/2019/.