Wie kalt wird ein Winter in zwei Jahren?

Neue Studie zeigt: Klimamodelle tun sich noch schwer mit mittelfristigen Klimaprognosen.

Wie gut sind die weltweit wichtigsten Klimamodelle geeignet, um die Wetterbedingungen für das kommende Jahr oder gar Jahrzehnt vorherzusagen? Die Potsdamer Wissenschaftler Dr. Dörthe Handorf und Prof. Dr. Klaus Dethloff vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) haben 23 Klimamodelle getestet und ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift Tellus A veröffentlicht. Ihr Fazit: Der Weg zu verlässlichen regionalen Vorhersagen auf saisonalen und dekadischen Zeitskalen ist noch weit. Keines der getesteten Modelle ist heute schon in der Lage, die wetterbestimmenden Muster von Hoch- und Tiefdruckgebieten so gut vorauszuberechnen, dass die Wahrscheinlichkeit eines kalten Winters oder eines trockenen Sommers verlässlich prognostiziert werden kann.

Wie sich der globale Klimawandel regional und mittelfristig auswirken wird, gehört aktuell zu den wichtigsten Fragen der Klimaforschung. Diese sind Gegenstand nationaler und internationaler Forschungsprogramme und werden auch im nächsten Weltklimabericht eine große Rolle spielen. Denn Gesellschaften, die sich auf klimatische Änderungen einstellen müssen, sollten wissen, welche konkreten Veränderungen auf sie zukommen. Für die Energie- oder Landwirtschaft beispielsweise wäre es ein enormer Gewinn, wenn die mittelfristig vorherrschenden Wetterbedingungen in einer Region einigermaßen verlässlich prognostiziert werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist die Vorhersagequalität gängiger Klimamodelle für den Zeitraum von Jahreszeiten bis hin zu einem Jahrzehnt von großer Bedeutung.

Das Wettergeschehen auf der Erde wird ganz wesentlich von großräumigen Zirkulationsmustern der Atmosphäre bestimmt. Ein Beispiel ist die nordatlantische Oszillation. Sie beeinflusst Stärke und Lage der Westwinde über dem Nordatlantik und legt damit die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete über Nord- und Mitteleuropa fest. Solche auch als „Telekonnektion“ bezeichneten Zirkulationsmuster sind über die gesamte Erde verteilt und bestimmen die räumliche und zeitliche Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten über große Entfernungen hinweg. Wissenschaftler sprechen dabei von der Ausbildung „meteorologischer Aktionszentren“, die das Wetter einer ganzen Region prägen. Im Fall der nordatlantischen Oszillation sind das zum Beispiel die bekannten Wetterzentren „Islandtief“ und „Azorenhoch“.

„Kurzfristige Wettervorhersagen sind mittlerweile sehr verlässlich. Die Probleme für saisonale und dekadische, also mittelfristige Vorhersagen sind die enorme Variabilität und die vielfältigen Rückkopplungseffekte, denen die atmosphärische Zirkulation unterliegt“, erläutert AWI-Meteorologin Dörthe Handorf die besondere Herausforderung für Modellierer. Um die Vorhersagequalität der 23 wichtigsten Klimamodelle zu testen, haben die AWI-Wissenschaftler überprüft, wie gut diese Modelle die großräumigen Zirkulationsmuster der vergangenen 50 Jahre reproduzieren können. Insgesamt wurden 9 bekannte Zirkulationsmuster rückblickend untersucht, vier davon besonders eingehend. Ergebnis: Die räumliche Verteilung atmosphärischer Zirkulationsmuster wird von einigen Modellen bereits sehr gut beschrieben. Wie stark oder schwach Islandtief, Azorenhoch und andere meteorologische Aktionszentren zu einem bestimmten Zeitpunkt der letzten 50 Jahre ausgeprägt waren, die zeitlichen Verteilungsmuster also, konnte allerdings keines der Modelle zufriedenstellend reproduzieren.

„Gegenwärtig arbeiten Klimaforscher in aller Welt daran, die Auflösung ihrer Modelle und die Leistungsfähigkeit von Klimarechnern zu erhöhen“, beschreibt AWI-Forscherin Dörthe Handorf eine naheliegende und wichtige Möglichkeit, um die mittelfristige Vorhersagequalität von Klimamodellen weiter zu verbessern. Dadurch können klimatische Veränderungen räumlich und zeitlich kleinskaliger abgebildet werden. „Es wird aber nicht reichen, die reine Computer-Power zu erhöhen“, o die Potsdamer Wissenschaftlerin, die sich bereits seit 1997 mit Fragen der Klimavariabilität beschäftigt. „Wir müssen weiter daran arbeiten, die grundlegenden Prozesse und Wechselwirkungen in diesem komplizierten System „Atmosphäre“ zu verstehen. Denn auch ein Hochleistungsrechner kommt an seine Grenzen, wenn die mathematischen Gleichungen eines Klimamodells die wirklichen Zusammenhänge nicht exakt genug beschreiben.“

Eine Schlüsselrolle für die Optimierung von Klimamodellen spielt die Arktis. Sie gehört zu den wichtigsten Motoren des Klima- und Wettergeschehens, ist gleichzeitig eine der Regionen, in denen das Klima sich gegenwärtig am stärksten verändert. Gleichzeitig ist der Hohe Norden noch immer so unwirtlich, dass viel zu wenig Daten über die Arktis existieren. Künftige Forschungsarbeiten der Potsdamer Wissenschaftler gehen deshalb in zwei Richtungen. Zum einen entwickeln sie ein Klimamodell, das die oft kleinskaligen, wetterbestimmenden Prozesse in der Arktis besonders gut auflösen kann. Das Projekt namens TORUS wird im Rahmen des Forschungsprogrammes „MiKlip-Mittelfristige Klimaprognosen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von Dörthe Handorf koordiniert. Da Modellverbesserungen aber nur möglich sind, wenn umfangreiche Datensätze in hoher Qualität vorliegen, ist für den Zeitraum 2018-2019 eine große internationale Messkampagne in der Arktis geplant. Sie wird den beteiligten Wissenschaftlern einiges abverlangen. Denn Teil der Messkampagne soll eine internationale arktische Driftstation sein, bei der ein Forscherteam im arktischen Winter mehrere Monate mit dem Meereis durchs Nordpolarmeer treibt.

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