Angler fördern Artenvielfalt von Fischen in Baggerseen

Baggerseen, an denen geangelt wird, haben tendenziell eine höhere Artenvielfalt als vergleichbare Gewässer, die nicht von Anglern bewirtschaftet werden. Denn Angelvereine pflegen die Gewässer und schaffen Fischpopulationen, die denen von Naturseen sehr ähnlich sind. Dies zeigen neue Ergebnisse des Projekts BAGGERSEE.

Störenfriede oder Artenschützer?

Anglerinnen und Angler werden manchmal als Störfaktor für Gewässer angesehen. Studien vom Projekt BAGGERSEE zeigen jedoch, dass Freizeitfischer helfen, artenreiche, naturnahe Fischgemeinschaften in Baggerseen zu etablieren. Weitere ans Wasser gebundene Arten wie Vögel oder Pflanzen werden in ihrem Artenreichtum dabei nicht nennenswert beeinträchtigt. Sie können durch die von Angelvereinen durchgeführten Lebensraum aufwertenden Maßnahmen in ihren Populationen auch gefördert werden.

Naturnutzung und Naturschutz am Gewässer müssen kein Widerspruch sein

Die Forschenden verglichen insgesamt 27 beangelte und nicht beangelte Baggerseen in Niedersachsen, um herauszufinden, welchen Einfluss Hobbyfischer auf die von ihnen genutzten und bewirtschafteten Gewässer haben. Ins Visier der Untersuchung nahmen sie sowohl Fische, als auch weitere ans Wasser gebundene Arten, wie Wasser- und Uferpflanzen, Vögel, Libellen und Amphibien. Die Ergebnisse überraschen: Von Angelvereinen bewirtschaftete Seen weisen im Vergleich zu nicht bewirtschafteten ähnlichen Gewässern eine deutlich höhere heimische Fischartenvielfalt auf. In den untersuchten bewirtschafteten Baggerseen kamen in der Regel sieben bis elf verschiedene Fischarten vor. In den nicht bewirtschafteten gab es nur rund drei bis fünf Fischarten. Dabei ähnelte die Fischartengemeinschaft in den Angelgewässern sehr stark der Artenzusammensetzung vergleichbarer Naturseen. Wasservögel, Singvögel an den Ufern, Libellen sowie Wasser- und Uferpflanzen scheinen von den Aktivitäten der Anglerinnen und Angler in ihrem Artenreichtum nicht beeinträchtigt zu werden. Bei den Untersuchungen gab es zwischen beiden Gewässergruppen keine Unterschiede in den Artenzahlen und weiteren Biodiversitätsindikatoren.

Angelvereine fördern bedrohte Fischarten

Baggerseen sind vom Menschen geschaffene, künstliche Ökosysteme. Fehlt eine Verbindung zu natürlichen Gewässern, werden sie nur langsam von Fischen besiedelt. Unter der Bewirtschaftung von Angelvereinen sind von Anglerinnen und Anglern begehrte, heimische Arten wie Hecht oder Barsch häufiger in Baggerseen anzutreffen. Nicht bewirtschaftete Seen werden vor allem von Kleinfischen wie Moderlieschen oder Stichlingen besiedelt. Da über ein Drittel der heimischen Süßwasserfischarten bedroht ist, können Baggerseen so als wichtige Ersatzrefugien für verlorene natürliche Biotope fungieren. Gebietsfremde invasive Fischarten wie Blaubandbärbling oder Katzenwels konnten die Forschenden in den untersuchten Baggerseen nur vereinzelt nachweisen. „Angelvereine wirken in Baggerseen vor allem als Besiedelungsbeschleuniger, ohne dabei künstliche Fischartengemeinschaften zu produzieren", erläutert Projektkoordinator Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.

Auch stark bedrohte Arten gedeihen in Angelgewässern

Dass sich Naturnutzung und Naturschutz nicht ausschließen müssen, zeigt ein besonderer Fund: In einem der Angelseen konnte das Projektteam eine in Deutschland als vom Aussterben bedrohte Armleuchteralge nachweisen (Vielästige Glanzleuchteralge, Nitella hyalina). Im Jahr 2005 entdeckten andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Rarität bereits im selben See. Elf Jahre später konnte das Team von BAGGERSEE diese Art dort immer noch nachweisen – trotz jahrelanger anglerischer Bewirtschaftung und dem Vorkommen von Karpfen, denen häufig eine negative Wirkung auf solche Wasserpflanzen nachgesagt wird.

Mehr Artenreichtum durch Verbesserung von Lebensräumen?

Das Projekt BAGGERSEE gibt sich nicht mit der Erforschung des Ist-Zustands zufrieden. Ziel ist es herauszufinden, ob der Artenreichtum in Baggerseen durch Lebensraum verbessernde Maßnahmen gesteigert werden kann. Hierfür versenkte das Forscherteam gemeinsam mit Anglerinnen und Anglern in acht Seen 800 Totholzbündel. Viele Angelvereine machen dies eigenständig nach. Totholz wird als Ersatzhabitat für fehlende Pflanzenarten von Fischen, Insektenlarven und anderen Wassertieren gern angenommen. In vier dieser Seen schuf das Team zusätzlich Flachwasserzonen. 12.000 Kubikmeter Erde wurden hierfür bewegt. So möchten die Mitwirkenden an den steilscharigen Kieslöchern eine natürliche Pflanzenbesiedlung ermöglichen. Erste Ergebnisse zeigen, dass das Pflanzenwachstum im abgeflachten Wasser erfolgreich funktioniert. Zudem werden die versenkten Totholzbündel von Jungfischen und anderen Wassertieren sehr gut als Ersatzhabitat angenommen. Vor allem im Winter, wenn Unterwasserpflanzen fehlen, nutzen Fische das Totholz sehr intensiv. Noch ist unklar, ob dadurch auch die Anzahl von Fischen gesteigert wurde, oder ob diese sich nur gehäuft an den neuen Unterschlüpfen aufhalten. Abgesicherte Ergebnisse werden bis zum Projektende im Jahr 2022 erwartet.

Angelvereine übernehmen Verantwortung für Artenschutz

Schon vor Projektende macht das Beispiel BAGGERSEE bei den Angelvereinen national Schule. Das Projekt erreichen mehr und mehr Zuschriften von Vereinen, die Tipps für Lebensraum verbessernde Maßnahmen wünschen oder diese bereits in Eigenregie durchgeführt haben. Das ist ein Beleg, dass die Gewässernutzung durch Hobbyfischer mit dem ureigenen Interesse der Förderung einer biologischen Vielfalt Hand in Hand gehen kann.

 

Über das Projekt BAGGERSEE

Ziel des Verbundprojekts ist es herauszufinden, wie die Artenvielfalt in künstlich geschaffenen Baggerseen und an deren Ufern erhöht werden kann. Dafür bringen Angelvereine des Anglerverbands Niedersachsen e.V. (AVN) gemeinsam mit einem Forscherteam des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Baggerseen Totholz ein und schaffen Flachwasserzonen. Die Maßnahmen sollen Ersatzhabitate für Kleinstlebewesen und Fische schaffen sowie eine natürliche Pflanzenbesiedlung ermöglichen. Der Erfolg dieser Lebensraum verbessernden Schritte wird wissenschaftlich untersucht. Gleichzeitig wird der ökologische und soziale Wert von Baggerseen erhoben. BAGGERSEE wird gemeinsam gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Das BfN/BMU fördert im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt. Mehr Infos unter: www.baggersee-forschung.de.