Forscherteam entwickelt neue Methode: Erstmals Glyphosat-Nachweis in der Ostsee

Glyphosat ist einer der weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter. Das umstrittene Herbizid wird auch in Deutschland intensiv genutzt und gelangt vom Land in Flüsse, die es ins Meer spülen. Wie viel sich davon in der Ostsee findet, konnte das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) mithilfe einer neuen Methode erstmals zuverlässig nachweisen.

Glyphosat, das als sogenanntes „Totalherbizid" vor allem in Landwirtschaft, Gartenbau und Industrie genutzt wird, aber auch in Privathaushalten häufig zur Anwendung kommt, gelangt durch Regen- und Winderosion von den Einsatzflächen in Bäche, Flüsse und Seen. Dementsprechend kann es gemeinsam mit seinem durch biologische Prozesse entstehenden Abbauprodukt, der Aminomethylphosphonsäure (AMPA), weltweit im Süßwasser nachgewiesen werden. IOW-Forscher konnten beide Stoffe auch schon in Mündungsgebieten nachweisen, niemals jedoch im Meer selbst.

Wie toxisch das Herbizid auf Meeresorganismen wirkt, ist nicht abschließend geklärt.
„Als Grundvoraussetzung, um das Gefahrenpotenzial einer Substanz für ein Ökosystem beurteilen zu können, muss man zu allererst herauszufinden, ob und in welchen Konzentrationen die Substanz dort nachgewiesen werden kann", hebt Marisa Wirth hervor, die sich in ihrer Doktorarbeit am IOW auf den Nachweis von Glyphosat in Umweltproben spezialisiert hat. „Ausgangspunkt für unsere aktuelle Studie war daher die Frage, ob Glyphosat und AMPA tatsächlich nicht im Meer ankommen, etwa durch biologischen Abbau und Ablagerung in den Fließgewässern, oder ob es schlichtweg methodische Schwierigkeiten sind, die bislang einen Nachweis in marinen Ökosystemen verhindert haben", erläutert die Meereschemikerin weiter.

Eine bekannte Hürde für einen zuverlässigen Nachweis im Meer ist die starke Verdünnung der beiden Zielsubstanzen, je weiter man sich von den Flussmündungen entfernt und Proben im offenen Meer nimmt. „Bevor man Glyphosat und AMPA mit instrumentellen Mitteln – Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie – überhaupt messen kann, werden die Proben so stark aufkonzentriert, dass die Geräte die Substanzen erfassen können", schildert Wirth einen wichtigen Arbeitsschritt in der Glyphosat-Analytik. Bei Meerwasserproben erwies sich für diesen Schritt bislang das darin enthaltene Salz als Problem: Bei der Festphasenextraktion, mit der man die Aufkonzentration erreicht und bei der die Zielsubstanzen aus einer flüssigen Probe erst an ein festes Trägermaterial gebunden und danach wieder in ein sehr viel kleineres Flüssigkeitsvolumen überführt werden, verhindern die Salzionen die Bindung der Glyphosat- und AMPA-Moleküle an die feste Phase.

 

 

 

 

Um die Salz-Störeffekte bei der Probenaufkonzentration in den Griff zu bekommen, testete Wirth verschiedene Trägermaterialien für die Festphasenextraktion und konnte als geeignetes Material schließlich ein Polymer identifizieren, das durch sogenannte molekulare Prägung hochselektiv Glyphosat und AMPA bindet und zugleich unempfindlich gegenüber dem Salz der Meerwasserproben ist. Außerdem etablierte sie erfolgreich einen zusätzlichen Aufreinigungsschritt vor der instrumentellen Messung, der eine störungsfreie Analytik erlaubt.
Nach gründlicher Validierung der neuen Methode wurde das Verfahren an natürlichen Umweltproben von sieben verschiedenen Beprobungsstellen in der Westlichen Ostsee getestet. Beide Substanzen, sowohl Glyphosat, als auch sein Abbauprodukt AMPA konnten nachgewiesen werden – und damit erstmals im Meer. Die Glyphosatkonzentrationen zwischen 0,42 und 0,49 ng/l waren, unabhängig von der Entfernung zur Küste, recht konstant. Die AMPA-Konzentrationen (maximal 1,47 ng/l) waren in der Nähe von Flussmündungen deutlich höher als weiter draußen im Meer, wo sie zum Teil unter die Nachweisgrenze der neuen Methode fielen.

„Mit der am IOW entwickelten Glyphosat- und AMPA-Analytik können wir erstmals in Konzentrationsbereichen unterhalb von 1 ng/l messen, wie sie in marinen Ökosystemen zu erwarten sind – und das störungsfrei bei allen Salzgehalten, die man in den unterschiedlichen Meeresgebieten der Welt findet", sagt Marisa Wirth. Die jetzt in der Ostsee gemessenen Werte lägen weit unterhalb der Konzentrationen, die für Menschen oder Meeresorganismen als bedenklich diskutiert werden. Aber da bisher nur diese punktuellen Messungen vorliegen, sei noch keine Datenbasis für eine Einschätzung vorhanden, inwieweit die Ostsee durch diese Stoffe gefährdet ist, so Wirth weiter. „Wir haben jetzt aber eine hinreichend sensitive und zuverlässige Methode, mit der man ein aussagefähiges Umweltmonitoring im Meer für beide Substanzen durchführen kann."