Langzeitfolgen des Klimawandels: Sauerstoff im Ozean wird noch Jahrhunderte abnehmen

Der Sauerstoffgehalt wird in den Ozeanen selbst bei sofortigem Stopp aller CO2-Emissionen noch über Jahrhunderte hinweg abnehmen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. Gründe dafür sind die Verlangsamung der Ozeanzirkulation und die fortschreitende Erwärmung tieferer Wasserschichten.

Das Leben praktisch aller Tiere im Meer hängt von der Verfügbarkeit von Sauerstoff ab, welcher im Meerwasser gelöst ist. Doch schon seit einigen Jahrzehnten verliert der Ozean kontinuierlich Sauerstoff. Hauptgrund dafür ist die globale Erwärmung, die zu einer Abnahme der Löslichkeit von Gasen und damit auch von Sauerstoff sowie zu einer Verlangsamung der
Umwälzbewegung des Ozeans und damit der Belüftung führt.

Eine neue Studie, die in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, zeigt, dass dieser Prozess sich noch über Jahrhunderte fortsetzen wird, selbst wenn alle CO2-Emissionen und damit die Erwärmung an der Erdoberfläche sofort gestoppt werden würden. „In der Studie wurde in einem Modell des Erdsystems einmal theoretisch durchgespielt, was bei einem sofortigen Stopp aller CO2-Emissionen langfristig im Ozean geschehen wird“, erläutert der Autor, Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Die Ergebnisse zeigen, dass sich sogar in diesem Extremszenario die Sauerstoffabnahme über Jahrhunderte fortsetzt und sich der bis heute realisierte Sauerstoffverlust des Ozeans mehr als vervierfacht“, so Oschlies weiter.

Auswirkungen auf Lebensräume in der Tiefsee

Der langzeitliche Rückgang des Sauerstoffs findet vor allem in tieferen Schichten statt. Dies habe, so Prof. Oschlies, auch Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme. Ein sogenannter metabolischer Index, der die maximal mögliche Aktivität Sauerstoff atmender Lebewesen misst, verringere sich vor allem in der Tiefsee (unterhalb von 2000 Metern) um etwa 25 Prozent, was zu großen Verschiebungen in diesem bisher als sehr stabil betrachteten Lebensraum führen dürfte, erläutert der Kieler Forscher.

Diese Veränderungen sind bereits durch unsere bisherigen CO2-Emissionen losgetreten und sind
nun auf dem Weg in den tiefen Ozean. Eine umfassende Untersuchung des bisher nur
stichprobenartig erforschten Lebensraums Tiefsee sollte stattfinden, bevor sich diese als seit vielen Jahrtausenden stabil erachtete Umwelt durch die nun erwartete Sauerstoffabnahme deutlich verändern dürfte.

In den oberen Schichten des Ozeans zeigt das Modell eine deutlich raschere Reaktion. Dort kann
durch einen Stopp der Emissionen eine weitere Ausdehnung der relativ oberflächennahen
Sauerstoffminimumzonen innerhalb weniger Jahre gestoppt werden. Eine ambitionierte Klimapolitik kann also helfen, zumindest die oberflächennahen Ökosysteme nicht noch weiter durch eine fortschreitende Sauerstoffabnahme unter Druck zu setzen.

Wechselspiel von Schwankungen der Strömungen und des Sauerstoffgehalts

Besonders kritische Regionen sind die tropischen Ozeane mit ihren sauerstoffarmen Gebieten. Hier finden sich aber auch komplexe und stark schwankende Meeresströmungen. Entlang des Äquators befindet sich eine der stärksten Strömungen, der Äquatoriale Unterstrom, der Wassermassen ostwärts quer über den Atlantik transportiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR untersuchen schon seit Jahren in Zusammenarbeit mit dem internationalen Programm PIRATA entsprechende Schwankungen dieser Strömung mit Hilfe von ortsfest verankerten Beobachtungsplattformen.

Basierend auf den Messdaten dieser Verankerungen konnten sie nachweisen, dass sich der Äquatoriale Unterstrom zwischen 2008-2018 um mehr als 20 Prozent verstärkt hat. Ursache ist eine Veränderung der Passatwinde im westlichen tropischen Nordatlantik. Die Verstärkung dieser Meeresströmung ist auch mit steigenden Sauerstoffkonzentrationen im äquatorialen Atlantik und einem Anwachsen der sauerstoffreichen Schicht in Oberflächennähe verbunden. Dies bedeutet auch eine Vergrößerung des Lebensraums für tropische pelagische Fische. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht. Die Untersuchungen basieren auch auf einer Schiffsexpedition, die Ende 2019 mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR am Äquator durchgeführt wurde.