Klimageschichte: Ältester Permafrostboden von Sibirien entdeckt

Ein internationales Forscherteam hat bei der Altersbestimmung einer Permafrostschicht in Sibirien einen neuen Rekord aufgestellt: Mindestens 650.000 Jahre ist der Boden alt. Die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen auch, wie empfindlich Permafrost auf Störungen reagiert – und wie schnell er zerstört werden kann.

„Das bedeutet, dass diese Permafrostschicht bereits mehrere Kalt- und Warmzeiten überdauert hat", sagt der Geograph Thomas Opel vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI). Mit der Probe kann nachgewiesen werden, dass Permafrostböden selbst in wärmeren Zeiten nicht gänzlich abtauen. So hat der Permafrostboden von Batagai offensichtlich auch besonders warme Phasen vor rund 130.000 Jahren überstanden, als es in der Arktis im Sommer rund vier bis fünf Grad Celsius wärmer war als heute.

Beim Permafrost handelt es sich um Böden und Gesteine, die permanent gefroren sind, teilweise bis zu mehrere Hundert Meter tief. Sie kommen vor allem in Nordamerika und Sibirien aber auch in Hochgebirgen vor und konservieren wie eine gigantische Gefriertruhe riesige Mengen abgestorbener Biomasse - vor allem Pflanzenreste, aber auch Überreste von Vertretern der Tierwelt der letzten Eiszeit wie Mammut oder Wollnashorn. Taut der Permafrost auf, werden Bakterien aktiv, die diese uralte Biomasse abbauen und durch ihren Stoffwechsel die Klimagase Kohlendioxid und Methan freisetzen. Im Hinblick auf den heutigen Klimawandel befürchten Fachleute, dass sich dadurch der Treibhauseffekt noch verstärkt.

Permafrost reagiert empfindlich auf Störungen durch den Menschen

Insofern sind die aktuellen Ergebnisse, die das Forschungsteam jetzt im Magazin Quaternary Research veröffentlicht haben, von großer Relevanz. Die Situation bei Batagai zeigt aber auch, wie empfindlich der Permafrostboden auf Störungen durch den Menschen reagiert. Der 650.000 Jahre alte Permafrostboden liegt an einem Berghang eigentlich in rund 50 Meter Tiefe, wo permanent eine Temperatur von etwa minus 10 Grad Celsius herrscht. Ein Teil des Hangs aber war zwischen den 1940er und 1960er Jahren teilweise entwaldet und außerdem mit schweren Kettenfahrzeugen einer nahe gelegen Mine befahren worden. Dadurch ging die schützende und isolierende Pflanzendecke verloren. In der Folge taute der jüngere Permafrost an der Oberfläche im Sommer auf, bis der Boden schließlich ins Rutschen geriet und den alten Permafrost freilegte. Seit Jahren trägt das Schmelzwasser das aufgetaute Material hangabwärts, sodass ein großer Krater entstanden ist.

 

Kombination verschiedener Analysemethoden

Das internationale Team aus deutschen, russischen und englischen Forscherinnen und Forschern hat den Permafrostboden vom oberen Ende der Abbruchkante bis zu ihrem Fuß mit verschiedenen Methoden untersucht, um das Alter des Permafrostes in den verschiedenen Tiefen genau zu bestimmen. Durch Bestrahlung mit Licht wurde beispielsweise gemessen, wann die in den Sandkörnern enthaltenen Quarz- und Feldspatkristalle in den verschiedenen Tiefen von nachfolgenden Schichten überlagert wurden und zum letzten Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Zudem wurde in den Eisproben die Konzentration von radioaktivem Chlor mittels der hochsensitiven Beschleunigermassenspektrometrie gemessen. Dadurch ließ sich direkt das Alter des Eises selbst bestimmen. Des Weiteren wurden Isotope bestimmter chemischer Elemente gemessen. Mithilfe der Konzentration von Sauerstoff-Isotopen im Eis der Gletscher und Permafrostböden konnten Forscherinnen und Forscher vom AWI auf die vorherrschenden Klimabedingungen und damit indirekt auf das Alter der verschiedenen Permafrostschichten schließen.

„Die Datierungsergebnisse von Batagai zeigen eindrucksvoll, wie stabil ein Permafrostboden sein kann und so Jahrhunderttausende überdauert", sagt Thomas Opel. „Aber auch, wie empfindlich er gegenüber Störungen ist." Der Schaden sei irreparabel, weil der offen liegende Permafrostboden in jedem Sommer weiter abtaue. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Hangrutschung bereits auf eine Breite von rund 900 Metern ausgedehnt.

Die Studie

Julian B. Murton, Thomas Opel, Phillip Toms, Alexander Blinov, Margret Fuchs, Jamie Wood, Andreas Gärtner, Silke Merchel, Georg Rugel, Grigoriy Savvinov und Sebastian Wetterich: A multi-method dating study of ancient permafrost, Batagay megaslump, east Siberia. Quaternary Research (2021); DOI: 10.1017/qua.2021.27

 

Projekt KoPf

Wichtige Erkenntnisse zur Abschätzung der zukünftigen Entwicklung von Permafrostlandschaften angesichts der globalen Erwärmung und deren Auswirkungen auf die Atmosphäre wurden im Verbundprojekt KoPf gewonnen, das vom BMBF von 2017 bis Ende 2021 im Rahmen der Wissenschaftlich-Technischen Zusammenarbeit mit Russland gefördert wurde. Im Projekt wurden umfassende Felddaten zur Vegetation, zur Biomasse, zu den Kohlenstoffquellen sowie zur Mikrobiologie für den Permafrost im sibirischen Lena-Delta erhoben.