Hintergründe zum nächsten Weltklimabericht des IPCC, Folge #3 – Kippelement Permafrost? Wenn ganze Landstriche den Boden unter den Füßen verlieren

Der IPCC erstellt zurzeit den nächsten Weltklimabericht. FONA-Projekte beschäftigen sich mit Themen, die hierfür relevant sind. PermaRisk simuliert das Auftauen von arktischem Permafrost und bewertet Risiken für Ökosysteme und Infrastruktur.

Der Weltklimarat IPCC erstellt zurzeit seinen Sechsten Sachstandsbericht. In mehreren Bänden wird dieser den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammenfassen und einordnen. Der erste Band „Naturwissenschaftliche Grundlagen" erscheint voraussichtlich am 9. August 2021. Auf der Website der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle finden Sie aktuelle Informationen dazu.

Mit einer Serie von Meldungen stellen wir Ihnen Projekte aus der BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) vor, die sich mit Themen beschäftigen, die für den IPCC-Bericht wichtig sind. Denn Forschung liefert die Grundlage für faktenbasierte und informierte politische und gesellschaftliche Entscheidungen zum Umgang mit dem Klimawandel.

Kipppunkte im Klima: Wenn es kein Zurück mehr gibt

Nicht alle Veränderungen auf der Erde laufen bei fortschreitendem Klimawandel gleichmäßig ab. Einige Systeme verändern sich sprunghaft und zum Teil unumkehrbar in einen anderen Zustand, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden – sie „kippen". Hier spielen Prozesse eine Rolle, die sich selbst verstärken und dadurch immer weiterlaufen, sobald sie einmal angestoßen sind. Oft heizen sie das Klima langfristig noch weiter an. Es besteht außerdem die Gefahr, dass durch Rückkopplungsprozesse eine Kettenreaktion ausgelöst wird, bei der weitere Kipppunkte überschritten werden. Auf diese Weise könnten auch Teile des Erdsystems „kippen", die vom ursprünglichen Kippelement weit entfernt sind.

Der IPCC hat zum ersten Mal im Dritten Sachstandsbericht von 2001 auf die mögliche Rolle von Kippelementen hingewiesen. Seitdem hat sich das Verständnis über die grundlegenden Prozesse, die diese sprunghaften Veränderungen verursachen, stark verbessert und viele Zusammenhänge sind wissenschaftlich untersucht. Die aktuellen IPCC-Sonderberichte über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5) von 2018 und über den Ozean und die Kryosphäre (SROCC) von 2019 haben gezeigt, dass viele Kipppunkte bereits bei einer globalen Erwärmung zwischen 1 °C und 2 °C überschritten werden könnten.

Bekannte Beispiele für solche Kippelemente sind das Abschmelzen der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis, Störungen des Monsuns in Indien und Westafrika, das Austrocknen des Regenwaldes im Amazonas oder auch die Abschwächung des Golfstroms bzw. der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation. Nicht zuletzt wird auch das Abtauen von dauerhaft gefrorenem Boden, sogenanntem Permafrost, in der Wissenschaft als ein mögliches Kippelement diskutiert.

Permafrost ist schon jetzt besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen. Durch das Auftauen wird Kohlenstoff, der bisher im gefrorenen Boden gespeichert war, freigesetzt und kann so von Mikroorganismen zersetzt werden. Dabei entstehen Treibhausgase wie CO2 und Methan, die wiederum die Klimaerwärmung weiter verstärken. Außerdem werden unmittelbar arktische Ökosysteme gestört, da sich ihre Wärme- und Wasserkreisläufe verändern. Auch Infrastrukturen wie Straßen oder Pipelines wird der feste Boden entzogen.

Welche Faktoren beeinflussen das Risiko durch das Auftauen von Permafrost?

Daher entwickelt das Projekt PermaRisk aus dem BMBF-Förderprogramm „Nachwuchsgruppen Globaler Wandel 4 + 1" neue Computermodelle, um Erosion und die Bewegung von Bodenmaterial in Permafrost-Landschaften zu simulieren. So können die Risiken für Ökosysteme und Infrastruktur durch das Auftauen von Permafrost abgeschätzt werden.

Die Forscher:innen konnten zeigen, dass insbesondere Permafrostböden mit einem hohen Eisanteil anfällig für schnelles Auftauen sind und durch abschmelzendes Bodeneis an Stabilität verlieren können. Daher ist in eisreichen Regionen das Risiko für Ökosysteme und bestehende Infrastrukturen besonders hoch. Diese sogenannten Thermokarst-Prozesse sind allerdings noch nicht in den globalen Klimamodellen berücksichtigt, sodass bisherige Modellrechnungen das Auftauen des Permafrosts unterschätzen. Infrastrukturen, wie Bauwerke und Straßen, könnten nach den Erkenntnissen des Projektes sogar Jahrzehnte früher von der Destabilisierung des Permafrostbodens betroffen sein als die natürliche Landschaft.