Gefahren und Chancen der Munitionsbeseitigung aus dem Meer

Die Altmunition am Boden von Nord- und Ostsee stellt eine zunehmende Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Unter dem Motto „Gefahr und Chance" stellen Fachleute bei der Kiel Munition Clearance Week 2021 erste konkrete Lösungsansätze zur Diskussion. Die Konferenz läuft noch bis 10. September.

Allein am Boden von Nord- und Ostsee liegen seit Ende des 2. Weltkriegs mehr als 1,5 Millionen Tonnen Munition. Substanzen aus den Sprengstoffen sammeln sich im Wasser und werden regelmäßig in Pflanzen und Tieren nachgewiesen. Über Fische und Meeresfrüchte gelangen krebserregende Stoffe sogar in unsere Nahrungskette. Nicht nur Deutschland, sondern auch Länder wie Großbritannien, Frankreich, Italien, USA, Kanada oder Japan stehen vor der Herausforderung, die Munition sicher und umweltschonend zu beseitigen.

Die „Kiel Munition Clearance Week" bringt darum vom 6. bis 10. September 2021 mehr als 150 Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltschutz und Marine in der Business Lounge der Arena Kiel zusammen. Auf der internationalen Tagung präsentiert auch die Generaldirektion „Maritime Angelegenheiten und Fischerei" der Europäischen Kommission (DG MARE) erstmals vorläufige Ergebnisse ihrer Studie zu Munition im Meer.

„Die systematische Beseitigung von Munition im Meer ist eine riesige Langzeitaufgabe. Aber jeder Marathon beginnt mit einem ersten Schritt", sagt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), Schirmherr der Veranstaltung. Für Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, stellt diese Aufgabe eine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre für Politik, Behörden, Meereswissenschaft und Historiker dar. 

„Unsere Vision ist es, die Weltmeere bis 2100 frei von Munitionsaltlasten zu bekommen", erklärt Jann Wendt (north.io GmbH), Initiator der Munition Clearance Week und Gründer des internationalen Munitionskatasters Ammunition Cadastre Sea (AmuCad.org). AmuCad.org organisiert den Kongress gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft wie dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Veranstaltung wird auf einer Internet-Plattform live übertragen. Noch in diesem Jahr werden drei weitere Projekte zum Thema am GEOMAR starten. Hierbei geht es um technologische Entwicklungen zur Sprengstoffdetektion im Wasser sowie einer durch künstliche Intelligenz unterstützen Einschätzung des Risikos durch  Munitionsobjekte - insbesondere hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen im Meer.

Insgesamt umfasst das englischsprachige Programm acht Podiumsdiskussionen, eine Reihe von Präsentationen und Workshops. Für die interessierte Öffentlichkeit finden zum Themenkomplex Munition im Meer zusätzliche Side-Events statt. So bietet der Naturschutzbund Deutschland  am 9. September von 10 bis 13 Uhr eine Strandwanderung an, bei der für die Verwechslungsgefahr von Sprengstoffen und Steinen sensibilisiert wird. Am gleichen Tag findet von 17 bis 18.30 Uhr zudem ein Vortrag zur Geschichte des Munitionsversenkungsgebietes Heidkate statt. (Rückfragen: Dr. Anne Böhnke-Henrichs, munition@NABU.de).

Projekt AMMOTRACE

Das europäische Verbundprojekt MarTERA-AMMOTRACE will neue Messansätze an Bord von Schiffen und unter Wasser entwickeln, um in Echtzeit konventionelle und chemische Munition aufzuspüren. Der Vorteil gegenüber aktuellen Verfahren besteht in der beschleunigten Identifizierung potenzieller Munition sowie einer Verringerung falsch-positiver Munitionsdetektion. Im Erfolgsfall kann die Erkennungsrate von Unterwassermunition verbessert und die Räumungszeit erheblich reduziert werden. Das Projektkonsortium besteht aus acht Partnern aus drei europäischen Ländern. Koordiniert wird AMMOTRACE vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Weitere deutsche Verbundpartner sind die Photonion Airsense GmbH, die InnoLas Laser GmbH, die Universität Rostock und das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Auf polnischer Seite unterstützen die Partner CTM und IOPAN das Vorhaben. Das belgische Unternehmen DEME wird im Bereich der Meeresbodenräumung einen wichtigen Beitrag leisten. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt läuft vom 1. September 2021 bis zum 31. August 2024.