Kunststoffverpackungen vermeiden oder nachhaltig gestalten

Mitte des Jahres sind neue gesetzliche Regelungen zur Reduzierung von Verpackungsmüll in Kraft getreten. Sie sollen entsprechend einer EU-Richtlinie die Flut an Plastikmüll eindämmen, indem etwa Produkte aus Einwegkunststoff wie Geschirr und Trinkhalme verboten oder Getränkeverpackungen mit neuen Pfandauflagen versehen werden. Industrie und Handel stehen seitdem vor einer großen Herausforderung: Wie sehen Nachhaltigkeitskriterien sowie Innovationen für den Ersatz und für die Umgestaltung kurzlebiger Plastikverpackungen aus? Wege zur Vermeidung und nachhaltigen Gestaltung von Lebensmittelverpackungen zeigen im aktuellen Policy Brief des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung - Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Forschungsgruppe PlastX aus dem BMBF-Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung auf.

Mit der Novelle des Verpackungsgesetzes und weiteren Verordnungen setzt die Bundesregierung zum 3. Juli 2021 die EU-Kunststoffrichtlinie um. Bestimmte Einwegkunststoffprodukte wie Trinkhalme, Rührstäbchen, Luftballonstäbe oder Einweggeschirr aus konventionellem Plastik und sogenanntem „Bioplastik" sind dann verboten. Auch To-go-Becher und Einwegbehälter aus Styropor dürfen nicht mehr produziert und in den Handel gebracht werden. „Weil ein großer Teil des gegenwärtigen Plastikmülls aus nur kurzzeitig genutzten Einwegverpackungen stammt, ist es folgerichtig, dafür zu sorgen, dass der Einsatz von Kunststoffverpackungen grundlegend reduziert wird," sagt Carolin Völker, Leiterin der Forschungsgruppe PlastX. „Allerdings müssen wir weiterhin mit einem hohen Aufkommen an Plastikmüll rechnen, denn es gibt schlichtweg noch zu wenig Innovation und Nachhaltigkeitsmanagement im Umgang mit Kunststoffverpackungen."

Plastikmüllaufkommen: Regulierung greift zu kurz

Aus Sicht der ISOE-Forscherin geht die Regulierung mit dem Fokus auf Vermeidung von Service- und To-go-Verpackungen sowie auf verstärktes Recycling nicht weit genug. Denn ein wesentlicher Teil des Kunststoffverpackungsmülls fällt durch klassische Produktverpackungen in Supermärkten an, die ebenfalls nur einmal verwendet werden. „Für diese Verpackungen sieht die neue Regelung aber lediglich eine Kennzeichnungspflicht vor," kritisiert Völker. „Ein spezielles Label, das Verbraucher*innen vor Umweltschäden durch Plastik warnt, ist natürlich nicht verkehrt, es greift jedoch zu kurz." Gerade für die herkömmlichen Produktverpackungen sei eine drastische Reduzierung und ein konsequenteres Ökodesign ebenso notwendig wie die Ausweitung von Mehrweglösungen.

Abschied von Standardlösungen – Verpackungen bedarfsorientiert und nachhaltig gestalten

Mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der PlastX-Gruppe hat Carolin Völker die wichtigsten Empfehlungen für Unternehmen und Verbände in der Lebensmittelversorgung sowie für Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Politik und Behörden in einem ISOE Policy Brief zusammengefasst. „Wer als Pionier der Nachhaltigkeit zur Lösung des Plastikmüllproblems beitragen will, muss sich von Standardlösungen verabschieden", sagt PlastX-Forscher Lukas Sattlegger. „Zentral ist die Frage, wo Verpackungen weggelassen oder eingespart werden können". Kritisch zu hinterfragen sei aber auch: Was muss eine Verpackung können? Was ist die nachhaltigste Verpackungslösung für den konkreten Anwendungsfall und wie lassen sich nachhaltige Innovationsprozesse dafür vorantreiben? „Verpackungen müssen grundsätzlich vom Bedarf und von der Nachhaltigkeit her gedacht werden", sagt Lukas Sattlegger.

Erweiterte Materialtests für neue Kunststoffverpackungen zur toxikologischen Sicherheit

Der ISOE Policy Brief Nr. 8 „Lebensmittelverpackungen – nachhaltig" zeigt die Kriterien für eine nachhaltige Verpackungsauswahl auf, von der Ökobilanz über das Recyclingpotenzial bis hin zur chemischen Sicherheit. Explizit weist die BMBF-Forschungsgruppe PlastX darauf hin, dass die toxikologische Sicherheit von Verpackungsmaterial bislang nicht in gängigen Ökobilanzen berücksichtigt werde. „Es sind insbesondere die in Kunststoffen enthaltenen Zusatzstoffe wie Weichmacher oder Farbstoffe, die an die Lebensmittel abgegeben werden können und deren toxikologischen Effekte in der Summe noch nicht ausreichend verstanden sind," sagt Ökotoxikologin Carolin Völker. Vor der Einführung neuer Verpackungen sollten deshalb grundsätzlich erweiterte Materialtests durchgeführt werden. Damit dies gewährleistet sei, hält sie eine gesetzliche Regulierung für notwendig. Darüber hinaus bieten die Handlungsempfehlungen wichtige Hinweise zur Reduzierung von Verpackung unter Berücksichtigung von Produkt- und Ladenpräsentation sowie der Warenlogistik.

Weitere Informationen im Policy Brief: Lebensmittelverpackungen – nachhaltig. Wege zu einer nachhaltigen Gestaltung und Vermeidung von Verpackungen. Lukas Sattlegger, Tobias Haider, Lisa Zimmermann, Carolin Völker (2021): ISOE Policy Brief Nr. 8. Frankfurt am Main: ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Über die Forschungsgruppe PlastX

Die interdisziplinäre Nachwuchsgruppe PlastX – Kunststoffe als systemisches Risiko für sozial-ökologische Versorgungssysteme wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Forschung für nachhaltige Entwicklungen (FONA)" gefördert. PlastX ist darin Teil der Fördermaßnahme „SÖF – Sozial-ökologische Forschung" im Förderbereich „Nachwuchsgruppen in der Sozial-ökologischen Forschung". Seit 2016 untersuchen sechs Wissenschaftler*innen die Problematik von Kunststoffen aus sozial-ökologischer Perspektive. Forschungspartner sind dabei das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung (Leitung), das Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI), Abteilung Physikalische Chemie der Polymere und die Goethe-Universität Frankfurt, Abteilung Aquatische Ökotoxikologie. www.plastx.org

 

Kontakt:

Dr. Carolin Völker
voelker(at)isoe.de

Lukas Sattlegger
sattlegger(at)isoe.de

Pressekontakt ISOE:
Melanie Neugart
neugart(at)isoe.de