Projekt in Georgien: Forschende wollen vor Gefahren durch Erdrutsche warnen

In der georgischen Region Oberswanetien sind Straßen und Ortschaften immer stärker von Hangrutschungen und Felsstürzen bedroht. Das lähmt die zuletzt positive wirtschaftliche Entwicklung. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt will die Region beim Risikomanagement unterstützen.

Der Tourismus boomt in Swanetien, einer georgischen Hochgebirgsregion mit einer langen Kulturgeschichte, wilden Landschaften und mittelalterlich geprägten Dörfern. Das zieht Reisende an, die besondere Orte auf dem Globus entdecken wollen. Vor allem in Mestia, der auf 1500 Meter Höhe gelegenen Hauptstadt Swanetiens, herrscht große Aufbruchsstimmung. Überall entstehen neue Gästehäuser, Cafés und Hotels.

Doch in diese Region des Großen Kaukasus führen oft nur schmale, abenteuerliche Straßen, die sich entlang des Enguri-Tals an Berghängen schlängeln. Immer wieder kommt es zu gravierenden Hangrutschungen und Felsstürzen. Mit der Sicherung der Straßen sind die Behörden zumeist überfordert, mitunter ist die Hauptroute nach Mestia komplett blockiert und muss unter Zeitdruck beräumt und notdürftig repariert werden.   

Das hat nicht nur Auswirkungen für den Tourismus, sondern vor allem für die Versorgung der Bevölkerung. Und das Problem nimmt seit Jahren zu, da starke Erosionsprozesse die geologisch bedingten Massenbewegungen immer weiter verstärken. Zudem führt die Gletscherschmelze im Kaukasus zu mehr Hochwasserereignissen, wodurch Infrastruktur und Orte im engen Flusstal zusätzlich bedroht werden.

Ein Forscherteam unter Leitung der TU Bergakademie Freiberg und mit Beteiligung mehrerer Spezialfirmen will bis 2024 ein robustes Monitoring- und Frühwarnsystem für diese Region entwickeln, was den Menschen vor Ort unmittelbar hilft. Das System basiert auf Risikomodellen zur Beurteilung von Hangstabilitäten und Felssturzgefahren. Es kann schrittweise ausgebaut und an künftige Klimaveränderungen angepasst werden.

„Manche Hänge sind im Enguri-Tal in ständiger Bewegung“, berichtet Dr. Jörn Wichert, Leiter des Projekts Swan Risk, das BMBF im Rahmen des Forschungsprogramms CLIENT II gefördert wird. „Allerdings steht die Bevölkerung gegenüber den Gefahren hilflos gegenüber, das ist ein großes Problem“, so Wichert. Murgänge oder Felsstürze sorgten in der Region immer wieder für große Schäden und forderten zahleiche Todesopfer.

Das Forscherteam baut mit lokalen Partnern zunächst ein Netz aus Wetterstationen auf, welches wichtige Daten für das Frühwarnsystem liefern soll. Eine Station wird an einer Schule installiert, um Schüler in die Aktivitäten einzubinden und schon in den jüngsten Bevölkerungsgruppen ein Bewusstsein für die Gefahren und naturwissenschaftliche Themen generell zu schaffen. Auch Drohnenflüge fanden bereits statt. Mit den dabei gewonnenen Daten werden digitale Geländemodelle generiert.

„Wir wollen sehr robuste und wartungsarme Sensoren einsetzen, die möglichst mehrere Jahre autark funktionieren“, sagt Wichert. Das System kombiniert Technologien, die bereits in Bergregionen erprobt wurden und stellt ein selbstlernendes Frühwarnsystem dar. Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann es zukünftig für unterschiedliche geologische Situationen kalibriert werden und soll präzise Gefährdungsprognosen liefern.

Während der bisherigen Forschungsaufenthalte konnte das Forscherteam den Gouverneur der Region sowie Bürgermeister verschiedener Orte in ihre Strategie einbinden. Ebenso fanden Informationsveranstaltungen mit Einwohnern statt. „Die Einwohner zeigten sich dankbar und boten uns Unterstützung an“, berichtet Wichert. Fachliche Unterstützung sagte auch das georgische Umweltministerium zu.

Das System wird auch mit einer Smartphone-App verknüpft, um mehr über Art und Anzahl dieser Massenbewegungen auch im Hinterland zu erfahren. Das Programm „Georisk“ wurde bereits im Elbsandsteingebirge getestet. Über die App soll die lokale Bevölkerung konkrete Ereignisse per Klick dokumentieren und an eine Datenbank senden. „Je mehr Daten wir über Felsstürze oder Rutschungen sammeln, desto genauer können wir die lokalen Risiken bewerten“, sagt Wichert.

Ziel sei es, über das Frühwarnsystem konkrete Warnungen auszusenden, um Bevölkerung und Straßenverkehr frühzeitig zu alarmieren. Dann könnte beispielsweise eine bedrohte Straße per Ampel vorübergehend gesperrt werden. Zudem soll mithilfe der Daten die Sicherung von Straßen verbessert werden.

Wichert hofft, dass das Frühwarnsystem nach erfolgreichen Testläufen an die georgischen Behörden übergeben werden kann und zukünftig dort gesteuert wird. „Wir wollen ein fertiges Werkzeug liefern“, betont er. Bis dahin sind aber noch viele unbekannte Größen zu klären, insbesondere die geologischen Besonderheiten und die Auswirkungen von Extremwetterereignissen müssen noch besser verstanden werden.

Projekt SwanRisk

Das deutsch-georgische Verbundvorhaben SwanRisk wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsprogramms CLIENT II gefördert. Im Projekt entwickeln Forscherteams geotechnische Risikomodelle zur Beurteilung von Hangstabilitäten und Felssturzgefährdungen in der georgischen Region Swanetien. Zentrales Ziel ist die Entwicklung eines wartungsarmen Monitoring- und Frühwarnsystems, welches größere und entlegene Areale abdeckt. Zum Konsortium gehören die TU Bergakademie Freiberg, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden sowie die Unternehmen Geoinformatikbüro Dassau, EA Systems Dresden, Jähnig GmbH und aeroDCS.