MICROSERVICES: Ohne Mikroorganismen gibt es kein Leben von Pflanzen und Tieren

Der Boden ist einer der am dichtesten besiedelt und artenreichst Biotopteil. Dabei ist die Besied-lung in der Umgebung der Pflanzenwurzeln besonders stark ausgeprägt. Im Forschungsprojekt MICROSERVICES wird untersucht, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Mikroorganismen in Böden von Ackeranbausystemen hat.

Prof. Dr. Jörgensen, das Projekt heißt MICROSERVICES. Was verbirgt sich hinter dem Projektti-tel?

Der Titel weist auf das zentrale Anliegen des Projekts hin, die Dienstleistungen von Mikroorganismen in landwirtschaftlich genutzten Böden genauer zu erfassen. Mikroorganismen sind so klein, dass wir sie nicht sehen können. Das erschwert uns, ihre Bedeutung für die Umwelt zu verstehen. In Böden besteht die Biomasse von lebenden Mikroorganismen ungefähr zu 70% aus Pilzen und zu 30% aus Bakterien. Diese sind zwar sehr klein, können aber als Individuen angesehen werden. Pilze dagegen bilden mit ihrem feinen Hyphengeflecht unklar abgegrenzte Netzwerke, was dem Menschen das Ver-ständnis zusätzlich erschwert. Doch ohne diese Mikroorganismen gebe es kein Leben von Pflanzen und Tieren, denn sie halten die Nährstoffkreisläufe überhaupt erst aufrecht.

Welche Ziele verfolgt das Projekt MICROSERVICES?

Der Klimawandel verändert die Vegetation und übt dadurch einen großen Druck auf die Biodiversität von Böden aus. Dadurch könnten auch deren Dienstleistungen in landwirtschaftlichen Anbausystemen beeinträchtigt werden. Deshalb ist es wichtig, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Zusam-menhänge von Pflanzen und Bodenorganismen zu verstehen, um so den Ackerbau nachhaltig an eine sich ändernde Umwelt anzupassen. MICROSERVICES hat das Ziel, die Auswirkungen des Klimawan-dels auf die mit Getreidewurzeln verbundenen Mikroorganismen in Böden von Ackeranbausystemen zu untersuchen. Die Wurzeln und der sie umgebende Boden sind durch die Ausscheidungen von Wur-zeln und Mikroorganismen ein Hotspot an mikrobieller Vielfalt, die in einem großen Ausmaß die Funk-tion und Belastbarkeit von Böden beeinflussen.

Welche Bedeutung haben Mikroorganismen für die Landwirtschaft?

Erntereste und abgestorbene Pflanzenwurzeln werden von Mikroorganismen abgebaut, und die dort enthaltenen Nährelemente können so wieder in die Stoffkreisläufe zurückkehren und neue Pflanzen wachsen lassen. Pilze bauen vor allem Zellwandbestandteile von Pflanzen ab, während Bakterien an den verschiedensten Prozessen der Stoffumwandlung beteiligt sind. Das bekannteste Beispiel sind die Bakterien, die in Symbiose mit Hülsenfrüchten Luftstickstoff in Eiweiß umwandeln. Wie unsere Därme scheiden auch Boden-Mikroorganismen Schleimstoffe aus. Auf diese Weise heften sie sich an Nahrungs- und Bodenpartikel an und schützen ihre abbauenden Enzyme zum Beispiel vor dem Austrocknen. Diese Schleimstoffe tragen zusammen mit den Wurzeln und den Pilzhyphen dazu bei, dass Böden eine stabile Struktur erhalten. Dies wiederum ist ein wesentliches Merkmal der Bodenfruchtbarkeit.


Welche Methoden setzen Sie ein, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Diversität der Bodenmikroorganismen und deren Dienstleistungen zu untersuchen?

Zum einen untersucht MICOSERVICES, wie sich Artenvielfalt und Dienstleistungen von Bodenmikro-organismen im Getreideanbau entlang eines natürlichen europäischen Klimagradienten verändern. Zum anderen wird in einem Freilandversuch unter konventioneller und ökologischer Landnutzung erforscht, wie sich künstlich erzeugte Dürreperioden auf Mikroorganismen im Weizenanbau auswirken. Dabei werden mit markierten Wurzelausscheidungen die Auswirkungen auf die Mikroorganismen im Wurzelraum ermittelt, und die Folgen auf die Artenvielfalt im Boden werden mit der neuesten Genomanalytik erfasst. Die dabei gewonnenen Daten werden in regionalen Klimamodellen mit Methoden des „Machi-ne Learnings" gekoppelt, um so die Konsequenzen zukünftiger Klimaveränderungen zu ermitteln.

Was erwarten Sie nach Abschluss des Projektes?

Wir möchten mit unserem Forschungsvorhaben einen wichtigen Beitrag zum globalen Erhalt der Bio-diversität leisten. Darüber hinaus hoffen wir, dass mit dem Projekt die öffentliche Wahrnehmung für die Bedeutung von mikrobieller Diversität in Böden für eine nachhaltige Landwirtschaft in den beteiligten euro-päischen Ländern gesteigert wird. Dabei wird insbesondere der Austausch von Wissenschaft mit der landwirtschaftlichen Praxis und der allgemeinen Öffentlichkeit einen besonderen Raum einnehmen.