Frühwarnsystem für gefährdete Bergsiedlungen

Viele Metropolen im globalen Süden wachsen schnell. Oft entstehen unkontrollierte Armensiedlungen auf instabilem Untergrund. Ein vom BMBF gefördertes Projekt hat ein Frühwarnsystem entwickelt, um die Bewohner dort vor Naturkatastrophen besser zu schützen.

Medellín – das ist heute eine vibrierende Tourismusmetropole. Die von Drogenkartellen geprägten Zeiten sind fast vergessen. Doch schöne Ecken finden sich meist nur in der Innenstadt. Weit weniger bekannt sind Armensiedlungen, die sich entlang der Berge ringsherum erstrecken. In diesen Barrios wurden viele Häuser illegal errichtet. Ein Zehntel der 2,4 Millionen Bewohner der zweitgrößten Stadt Kolumbiens leben laut Schätzungen auf selbst erschlossenem Land.

Ein deutsch-kolumbianisches Projekt, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), legte den Fokus auf diese informellen Siedlungen, wie sie in der Fachwelt genannt werden. Dabei ging es im Vorhaben Inform@Risk weniger um soziale Probleme in diesen schnell wachsenden Stadtteilen, sondern vorrangig um den instabilen Untergrund.

Viele Gebirgshänge, die Medellín umgeben, bestehen aus brüchigem Gestein, welches in dem warmen, feuchten Klima stark verwittert. Starke Regenfälle beschleunigen diese Prozesse. Ab einem bestimmten Punkt geraten die Bergflanken ins Rutschen und können ganze Häuser und Straßen unter sich begraben. Immer wieder kam es zu Katastrophen mit zahlreichen Todesopfern.

Das Forscherteam unter Leitung der Leibniz Universität Hannover, das auch Expertinnen und Experten aus Stadtplanung, Sozialarbeit, Katastrophenschutz sowie von Bürgerinitiativen vereint, entwickelte in den vergangenen Jahren gemeinsam mit lokalen Behörden ein kostengünstiges Frühwarnsystem, welches in den vergangenen Monaten vor Ort installiert und im Dezember 2022 offiziell übergeben wurde.

„Die Menschen, die dort leben, sind sich der Gefahren bewusst. Aber sie nehmen sie bewusst in Kauf“, berichtet Tamara Breuninger, Doktorandin für Ingenieurgeologie an der Technischen Universität München. Die junge Wissenschaftlerin war mehrfach vor Ort, zuletzt bei der Installation des Systems. Dabei konnten die Forschenden die Bevölkerung frühzeitig einbinden.

 

 

Das BMBF investiert seit vielen Jahren sowohl in die Klimaforschung als auch in die zivile Sicherheitsforschung. Derzeit fließen aktuell pro Jahr rund 65 Millionen Euro in die Forschung zu Klimaauswirkungen und -anpassungen sowie rund 60 Millionen Euro jährlich in die zivile Sicherheitsforschung. So fördert das BMBF im Rahmen der Strategie „Forschung für Nachhaltige Entwicklung" (FONA) im zweiten Handlungsfeld „Extremwetterereignisse in Deutschland erforschen" zahlreiche Maßnahmen und Projekte zu den Ursachen sowie zur Vorsorge für Extremwetter. Ebenso werden internationale Katastrophen- und Risikomanagementprojekte unterstützt, um die Folgen von Naturkatastrophen abzumildern und die Katastrophenprävention zu stärken.

Ein Netz von etwa 140 Geosensoren misst innerhalb des Systems kleinste Hangbewegungen. Gekoppelt werden diese Daten in einer Cloud-Technologie mit weiteren Messungen unterirdischer Prozesse – unter anderem zu Grundwasserbewegungen. Mit einer speziellen App werden die Bewohner künftig zuverlässig gewarnt - wie bei einer Ampel. Stufe Rot bedeutet, dass sich die Menschen unverzüglich über Evakuierungsrouten in Sicherheit bringen müssen. 

Als lernendes System soll die Auswertung der komplexen geologischen und meteorologischen Daten bei Inform@Risk immer weiter verbessert werden. Auch Fehlalarme sollen dadurch vermieden werden. „Unser System ist so konzipiert, dass es auch in anderen Regionen der Anden oder in weiteren Hochgebirgen weltweit funktioniert“, sagt der Geologe Prof. Kurosch Thuro, Projektbeteiligter bei Inform@Risk. Viele Millionenstädte in Gebirgsregionen ärmerer Länder verzeichnen ein unkontrolliertes Wachstum – mit ähnlichen Problemen wie in Medellín.  „Das System lässt sich wie ein Baukastensystem zusammenfügen“, betont Thuro. Somit könnte diese Innovation künftig weltweit dabei helfen, Menschenleben zu retten.

Projekt Inform@Risk

Im Verbundvorhaben Inform@Risk, ein Projekt innerhalb des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprogramms CLIENT II – Internationale Partnerschaften für nachhaltige Innovationen, wurde von 2019 bis 2022 gemeinsam mit kolumbianischen Partnern ein kostengünstiges und wartungsarmes Frühwarnsystem entwickelt. Es soll Bewohner von Armensiedlungen in Medellín sowie künftig weltweit vor Hangrutschungen warnen, die immer wieder zu Katastrophen mit Todesopfern geführt haben.