FONA-Transfersession: Neue Züchtungstechniken – Eine nachhaltigere Zukunft mit Genom-Editierung?

Über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Genom-Editierung (GE) bei Nutzpflanzen wurde im Rahmen der zweiten FONA-Transfersession am 28. Februar 2023 diskutiert. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte das enorme Potenzial der Neuen Züchtungstechniken (NZT) im Hinblick auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele.

Mehr als 100 Teilnehmende hatten sich zu der zweiten FONA-Transfersession zugeschaltet und folgten dem Programm aus Impulsvortrag und Podiumsdiskussion. In interaktiven Formaten konnten sich Teilnehmende sowohl untereinander als auch mit den Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik austauschen und vernetzen. Moderiert wurden die Transfersession von Dr. Ben Hartwig (Neuroblitz).

WEG VON DER ANGST – HIN ZUR TECHNOLOGIEOFFENHEIT

Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger eröffnete die FONA-Transfersession mit einem Appell für mehr Technologieoffenheit und Innovationsfreude hinsichtlich Neuer Züchtungstechniken. Vor allem im Hinblick auf den Klimawandel und die damit verbundene globale Ernährungssicherung sei es wichtig, schnell zu handeln. Es mangele nicht an Erkenntnissen, sondern an Mut neue Technologien in die Praxis zu führen. Denn die Wissenschaft ist sich einig: die NZT bringen keine neuen Gefahren mit sich. Es sei auch vor allem wichtig, eine ideologiefreie Debatte rund um das Thema NZT zu führen und dabeidie Sorgen der Öffentlichkeit ernst zu nehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung setze sich für eine wissenschaftsbasierte und innovationsfördernde Anpassung des Gentechnikrechts ein, um die Forschung und die Anwendung der NZT zu ermöglichen. Die Bundesforschungsministerin endete ihren Impuls mit einem Aufruf: Die Neuen Züchtungstechniken bergen enormes Potenzial, das ergriffen werden muss.

GENOM-EDITIERUNG – GEZIELTE UND EFFIZIENTE ZÜCHTUNG

Professor Dr. Bernd Müller-Röber, Professor für Molekularbiologie an der Universität Potsdam, gab einen Überblick zum aktuellen wissenschaftlichen Stand der Technik und dem potentiellen Nutzen der Genom-Editierung zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. Bisher sind Mutationen in der Pflanzenzüchtung häufig, wie beispielsweise bei den meisten Hartweizensorten aus denen Pasta hergestellt wird, mithilfe von radioaktiver Strahlung und Chemikalien erzeugt worden. Hierbei entsteht eine Vielzahl an Mutationen, die zufällig im gesamten Genom der Pflanze verteilt sind. Die Genom-Editierung stehe für eine Reihe von Methoden, die es ermöglichen gezielt Mutationen in ausgewählten DNA-Abschnitten zu erzeugen, ohne unzählige weitere zufällig zu verursachen.
Eines dieser Werkzeuge ist die Genschere CRISPR/Cas9, die die DNA an definierten Stellen schneidet.
Für Kulturpflanzen biete die Methode der Genom-Editierung neue Möglichkeiten. Erstens können Forscher durch gezieltes An- oder Ausschalten einzelner Gene deren Funktion für die Pflanze untersuchen. Zweitens kann die Mutation bekannter Gene genutzt werden, um die Eigenschaften der Pflanzen zu beeinflussen. Dadurch lassen sich zum Beispiel Resistenzen gegen Krankheitserreger wie den Mehltau-Pilz im Weizen erreichen. Besonders interessant ist das auch für Pflanzen mit langen Generationszeiten wie dem Wein, bei denen eine Züchtung Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Wichtige Züchtungsziele sind etwa die Steigerung des Ertrags, die Verbesserung der Qualität in Bezug auf die bioenergetische Nutzung, die Toleranz gegenüber Umweltstress und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Professor Müller-Röber betont außerdem, dass er und seine Arbeitsgruppe Methoden entwickelt haben, mit denen genom-editierte Pflanzen erzeugt werden können, die selbst nicht transformiert werden müssen und daher keine Fremdgene enthalten.

BESTEHENDE HERAUSFORDERUNGEN DES EINSATZES VON NZT

In der darauffolgenden Podiumsdiskussion wurden die Herausforderungen der NZT näher beleuchtet. Hierfür hatten die Teilnehmenden im Vorfeld die Möglichkeit, über Mentimeter ihre Fragen einzureichen. Eine wesentliche darunter war, wie dafür gesorgt werden könne, dass der Einsatz der NZT nicht auf Kosten der Biodiversität oder der planetaren Grenzen ginge. Dr. Klaus Berend, Kommissarischer Direktor für die Direktion Lebensmittel und Sicherheit, Innovation in der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE) der Europäischen Kommission, betonte wie wichtig die Etablierung eines Rechtsrahmens sei, der die möglichen Risiken angemessen und adäquat abbildet. Professorin Dr. Inge Broer vom Institut für Landnutzung an der Universität Rostock führte aus, dass die Forschung bisher keine Risiken ermitteln konnte, obwohl sie selbst lange Jahre in der Sicherheitsforschung aktiv war und zum Beginn ihrer Laufbahn der Gentechnik sehr kritisch gegenüberstand. Die Genom-Editierung bezwecke das Gegenteil, mit ihr sei die Chance einer höheren Diversität auf Äckern größer und könnte somit auch ein Gewinn für die Biodiversität sein. Auch Professor Müller-Röber betonte, dass man mit dem GE-Verfahren einen leichteren Zugang hätte, um viele unterschiedliche Nutzpflanzensorten und -arten zu modifizieren und damit die Vielfalt genutzter Sorten erhöhen könnte. Dr. Tobias Brügmann vom Thünen-Institut für Forstgenetik brachte eine Perspektive aus dem Forstbereich mit in die Diskussion. Wälder seien Biodiversitätshotspots. Mit der Genom-Editierung könne man Gene charakterisieren und mit diesem Wissen gezielter forstliche Züchtung vornehmen. Dies könnte das Überleben heimischer Bäume und damit auch der assoziierten Ökosysteme mit fortschreitendem Klimawandel sicherstellen. Das sei zwar aus der heutigen Sicht noch Zukunftsmusik, allerdings sei es wichtig, in der Debatte um den Einsatz von NZT den Blick zu weiten.

Als eine weitere wichtige Frage wurde aufgeworfen, wie die Akzeptanz neuer Technologien in der Öffentlichkeit erhöht werden könnte. Professorin Dr. Inge Broer betonte, dass es nicht ausreiche mit wissenschaftlichen Fakten und Daten in den öffentlichen Austausch zu gehen. Es sei wichtig der Gesellschaft ein sinnhaftes Ziel der NZT zu vermitteln. In diesem Falle seien sie ein enormes Potenzial für eine nachhaltige Landwirtschaft. Sie argumentierte, dass aus Befragungen klar wurde, dass wenn das richtige Ziel kommuniziert wird, die Technik dahinter nicht mehr so relevant sei.
Auch Dr. Klaus Berend betonte, dass die meisten Vorbehalte bzw. vorgefassten Meinungen damit zusammenhingen, dass Befürchtungen im Raum stünden, die Genom-Editierung könnte, wie vorher die Gentechnik, nicht für Nachhaltigkeitsziele eingesetzt werden, sondern für Ziele, die nicht der breiten Gesellschaft dienen würden, sondern primär wirtschaftlichen Interessen von Großunternehmen. Wenn der Öffentlichkeit die Möglichkeiten der Genom-Editierung erklärt und die politischen Rahmenbedingungen einen Einsatz mit dem Ziel der Nachhaltigkeit fördern würden, würde auch zwangsläufig die gesellschaftliche Akzeptanz steigen.
Für Dr. Tobias Brügmann sei die gesellschaftliche Akzeptanz auch eine Generationenfrage. Es gebe Umfragen, die zeigen, dass die jüngere Generation den neuen Technologien offener gegenüberstehe. Darüber hinaus sei das Interesse an der Genom-Editierung bzw. neuen Züchtungstechnologien so groß wie nie zu vor, insbesondere in den Medien. Das sei ein Zeichen dafür, dass auch so komplexe Techniken zunehmend wahrgenommen würden und auch für eine breite Öffentlichkeit vermittelbar seien. Durch gezielte Aufklärung könnten gesellschaftliche Bedenken und Sorgen gemindert werden.

ABSCHLUSSTATEMENTS – TECHNOLOGIEN AUSBAUEN UND HÜRDEN MINIMIEREN

In ihren abschließenden Statements betonten die Panelistinnen und Panelisten die Wichtigkeit und das Potential der NZT. Dabei sei es wichtig zu betonen, dass diese Technologien noch nicht zu Ende entwickelt seien und die Methoden im Laufe der Zeit verbessert und ausgebaut würden. Hierfür sei es wesentlich Freilandexperimente zu ermöglichen, die aktuell anderswo in der Welt, wie in Australien und China bereits umgesetzt werden, und die bürokratischen Hürden zu minimieren, so Professor Müller-Röber.

Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit sich in separaten digitalen Räumen mit den Panelistinnen und Panelisten auszutauschen.