BMFTR-Symposium "Raum für Wandel - Städte neu denken"
Wie sehen unsere Städte von morgen aus? Zu dieser Frage lud das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) in die Bundeskunsthalle in Bonn ein, um kommunale Praxis, Wissenschaft und Kunst miteinander in den Austausch zu bringen. Im Fokus: die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus (NEB)“ und die EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030“ in Deutschland. Die Gäste ließen sich inspirieren von der Ausstellung WEtransFORM und diskutierten neuartige Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Wie sehen unsere Städte von morgen aus? Zu dieser Frage war es dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) ein besonderes Anliegen, den persönlichen Austausch zwischen Politik, Forschung und kommunaler Praxis zu intensivieren – an einem Ort, an dem Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft in einen inspirierenden Dialog treten. Unter dem Titel Raum für Wandel – Städte neu denken lud das Bundesforschungsministerium am 8. Dezember 2025 in die Bundeskunsthalle in Bonn ein, um genau das zu tun: gemeinsam über die Zukunft unserer Städte nachzudenken – über Lebensräume, in denen Innovation, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig verstärken. Das BMFTR-Symposium brachte dazu kommunale Praxis, Wissenschaft und Kunst miteinander in den Austausch – für mehr Innovationen vor Ort. Über 30 Fachexpertinnen und Fachexperten trugen mit Ihrer Expertise zu einem außergewöhnlichen, informativen und inspirierenden Programm bei.
Nachhaltig, inklusiv, ästhetisch – Inspirationen für lebenswerte Städte aus dem Neuen Europäischen Bauhaus
München-Neuperlach, eine Hochhaus-Siedlung aus den 60er Jahren, sieht sich als Sanierungsgebiet vielen Herausforderungen gegenüber, um wieder ein attraktiver Wohnort zu sein. Gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern haben die Münchener Stadtplanerin Dr. Sylvia Pintarits und ihr Team im EU-geförderten inter- und transdisziplinären Projekt „Creating NEBourhoods Together“ innovative Ideen zur Gestaltung des öffentlichen Raums, zur nachhaltigen Energieversorgung und Wiedernutzung von Gebäuden entwickelt. In Zeitz in Sachsen-Anhalt ist ein Drittel der Häuser ungenutzt, zugleich liegt die Stadt in der Gebietskulisse des ‚just transition fonds (JTF)‘ der EU. Thies Schröder vom Forum Rathenau e.V. präsentierte das Reallabor ZEKIWA, in dem Mittel des JTF für ein ästhetisch vorbildliches, nachhaltiges, zirkuläres und klimaneutrales Bauen auf dem Gelände der ehemaligen Kinderwagenfabrik verwendet werden. Auch in der Lutherstadt Eisleben ist man durch die Idee des Neuen Europäischen Bauhauses inspiriert, wie Pia Ryll, die Sachgebietsleiterin Stadtplanung und -sanierung erläutert. Sie plant gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern einen Bürger- und Energiepark, der die vernachlässigte Parkanlage zu neuem Leben erwecken soll. Zeitz und Eisleben liegen in Sachsen-Anhalt, dem „Neue Bauhäusler“ Land. Sachsen-Anhalt hat als bisher einziges Bundesland ein NEB-Netzwerkbüro, das die Leiterin, Katrin Kanus-Sieber, vorstellte. Sie warb für eine noch stärkere Verbreitung der NEB-Idee in Deutschland.
Städte auf ihrem Weg zur Klimaneutralität – Die EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030“
Bis 2030 klimaneutral: Acht deutsche Städte stellen sich im Rahmen der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“ dieser ambitionierten Herausforderung und agieren als Vorreiter und Reallabore der Transformation. Wie sieht dieser Weg zur Klimaneutralität konkret aus und wo stoßen die Vorreiter an ihre Grenzen? Darüber sprachen Prof. Dr. Diana Pretzell als Erste Bürgermeisterin der Stadt Mannheim und Heiko Thomas als Beigeordneter für Klima und Umwelt, Stadtbetrieb und Gebäude der Stadt Aachen. Sie zeigten mit dem Local Green Deal in Mannheim und der Geschäftsstelle Klimaneutrales Aachen 2030 konkrete Instrumente für eine erfolgreiche Transformation und den Aufbau lokaler Partner-Ökosysteme. Im Dialog mit Bund und Ländern identifizierten sie die politischen und finanziellen Hürden, die es zu überwinden gilt, damit die Mission gelingt und die Learnings für andere Städte übertragbar sind.
Themenforen und kuratierte Führungen durch die Ausstellung WEtransFORM
Inspiriert von der Ausstellung WEtransFORM diskutierten die Teilnehmenden in vier interaktiven Themenforen zu
- Beteiligungsformen in komplexen Transformationsprozessen,
- digitaler Stadtentwicklung als gemeinsamer Aufgabe von Forschung und Kommune,
- innovativen Finanzierungsmodellen und zu
- neuen Perspektiven für Bauen und Wohnen.
Themenforum „Städte gemeinsam gestalten – Beteiligungsformen in komplexen Transformationsprozessen“
Wie unterstützt Partizipation die Mobilitätswende? Die Mobilitätswende verändert den Alltag der Menschen unmittelbar – vom Parkraum über neue Wegeführungen bis zu Superblocks und verkehrsberuhigten Quartieren. Damit solche Maßnahmen Akzeptanz finden, braucht es transparente Prozesse und frühzeitige Beteiligung. Gute Partizipation schafft Räume, in denen Themen neu verhandelt werden können, unterschiedliche Perspektiven sichtbar werden und Polarisierungen abgebaut werden. Zugleich stellt sie Kommunen vor Herausforderungen: Beteiligung bindet Personal, Zeit und Ressourcen, während schweigende Mehrheiten oft schwer zu erreichen sind. Anne Klein-Hitpaß vom Deutschen Institut für Urbanistik DIFU diskutierte, unterstützt von Frau Muno-Lindenau vom Wissenschaftsladen Bonn, mit den Teilnehmenden, wie Beteiligung gestaltet sein muss, um Veränderungen nachvollziehbar, zumutbar und mittragbar zu machen – und welche Erfahrungen Kommunen und Projekte dabei gesammelt haben. Was funktioniert, was braucht es, und wo liegen die Grenzen?
Die zweite Gruppe fokussierte sich auf die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis in der Stadtentwicklung. Wie können Bürgerinnen und Bürger aktiv an komplexen Transformationsprozessen mitwirken, insbesondere auch Gruppen, die traditionell weniger sichtbar oder schwer zu erreichen sind? Die Diskussion konzentrierte sich auf innovative Beteiligungsformate und transdisziplinäre Ansätze, die auch stille und marginalisierte Stimmen einbeziehen. Dabei stellte sich die Frage, wie Forschung, Kommune und Zivilgesellschaft gemeinsam Lösungen für komplexe Herausforderungen wie die Mobilitäts- und Wärmewende oder Anpassung von Quartieren an die Folgen des Klimawandels entwickeln und umsetzen können. Ein weiteres zentrales Thema in der Session von Dr. Jutta Deffner vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und Dr. Raphael Karutz von der Bundesstadt Bonn war das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft – dieses ist nach wie vor hoch, doch es fehlt an einem geteilten Orientierungs- und Transformationswissen. Obwohl der wissenschaftliche Konsens zu Klima- und Biodiversitätsschutz klar ist, bleiben praktische Herausforderungen bestehen. Deshalb wurde die Frage erörtert: Wie können beide Bereiche zusammenarbeiten, um einen inklusiven, nachhaltigen Wandel in der Stadtentwicklung zu gestalten?
Themenforum „Städte digital denken – Digitale Stadtentwicklung als gemeinsame Aufgabe von Forschung und Kommune“
Die Digitalisierung ermöglicht es, Städte in all ihren Facetten datenbasiert abzubilden und besser zu verstehen – mit dem Ziel, individuelle, gesellschaftliche und ökonomische Chancen für die Menschen vor Ort zu schaffen. Doch wohin entwickeln sich unsere Städte? Visionen für nachhaltige, produktive und lebenswerte urbane Räume gibt es viele. Entscheidend ist jedoch, wie aus Datenanalysen tatsächlich Klimaschutz, bessere Mobilität und lebenswertere Quartiere entstehen. Digitale Technologien wie Digitale Zwillinge können dabei unterstützen, komplexe städtische Transformationsprozesse – von der Quartiersentwicklung über die Verkehrsplanung bis hin zur Energieversorgung – planbar und steuerbar zu machen. Impulse von Mirko Mühlpfort und Dr. Beate Ginzel (beide Stadt Leipzig) zeigten, wie Verwaltung, Forschung und Bürgerschaft gemeinsam digitale Strategien entwickeln und tragfähige Lösungen gestalten können. Im Mittelpunkt stand die Frage, wo Technologie echten gesellschaftlichen Mehrwert schafft, welche Herausforderungen auf dem Weg dorthin zu meistern sind und wie Städte im Wandel menschenorientiert, nachhaltig und innovativ gestaltet werden können.
Die zweite Gruppe beschäftigte sich inhaltlich mit der Frage „Wie können KI-Projekte praxisnah geplant, bewertet und umgesetzt werden?“ Dazu stellten Prof. Dr. Tobias Urban von der Westfälischen Hochschule und Marlene Damerau von der Stadt Gelsenkirchen die KI-Initiative URBAN.KI als eine Erfolgsstory gelungener Kooperation zwischen Forschung und Kommunen vor. Daran anknüpfend wurden zwei der insgesamt neun KI Uses cases der Initiative vorgestellt: Mithilfe einer KI wurde eine Potentialanalyse für eine nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum, sowie eine intelligente Energieberatung entwickelt. Beide Prototypen werden auf Opencode.de veröffentlicht und können von anderen Kommunen nachgenutzt werden. Anschließend wurden die beiden Use Cases, sowie Herausforderungen und Chancen, diskutiert.
Themenforum „Städte nachhaltig finanzieren – Innovative Finanzierungsmodelle“
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Hier spielen die Städte eine zentrale Rolle. Die sozial-ökologische Transformation unserer Städte erfordert erhebliche Investitionen, die über den klassischen kommunalen Haushalt hinausgehen. Wie können Städte neue Kapitalquellen erschließen und die notwendige Governance etablieren? Welche innovativen Instrumente können genutzt werden, um Mittel für Klimaschutz und Quartiersentwicklung zu mobilisieren? In der ersten Gruppe diskutierten Laura Broo und Niklas Mischkowski (ICLEI Europe) zusammen mit Vertreterinnen aus den EU-Missionsstädten Aachen und München (Kristine Hess-Akens, Sarah-Katharina Höppner), wie eine kluge Kombination von Förderkulissen und eine ressortübergreifende Steuerung innovative Pilotprojekte in eine nachhaltige Verstetigung überführen kann. In der Diskussion wurden vor allem entsprechende Ansatzpunkte in kommunalen Vergabeverfahren besprochen. Als zusätzliche internationale Perspektive brachte Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut Schlussfolgerungen aus einer Befragung von Missionsstädten in Frankreich, Österreich und Schweden ein.
Sissy Windisch (Mitglied im Beirat der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“) brachte der Gruppe 2 den neu geplanten Deutschland-Fonds näher. Sie warf die Frage auf, wie mit Hilfe der Vereinigung von staatlichen und privaten Finanzmitteln am besten Klimaziele erreicht werden können. Insbesondere stand der Ansatz im Mittelpunkt, dass Städte und Stadtwerke bereits in der Konzeptionsphase den Fonds strategisch so anlegen, dass öffentliche Mittel gezielt private Investitionen hebeln. Einige Diskutantinnen und Diskutanten thematisierten, wie der Einsatz privater Mittel für Ziele des Klimaschutzes abgesichert werden könnte, da viele Privatpersonen nachhaltig investieren würden, wenn die Risiken überschaubar wären. Genossenschaften fehlen diese Sicherungsmechanismen häufig. Es wurde der Wunsch nach vertrauenswürdigen ‚brokern‘ sowie der Bedarf für einen Austausch im Rahmen von Workshops zu dieser Thematik geäußert.
Themenforum „Städte der Zukunft bauen – Neue Perspektiven für Bauen und Wohnen“
Svea Heinemann (ICLEI), Haris Piplas (ETH Zürich, Drees& Sommer) und Nilsson Samuelsson (Landeshauptstadt Dresden) bauten mit ihren Impulsen eine Brücke zwischen visionären Konzepten und ihrer praktischen Umsetzung vor Ort. Dazu stellten sie europäische Policies, Konzepte und Umsetzungen vor, die sich unter anderem am Neuen Europäischen Bauhaus orientieren. Wie sieht eine klimaangepasste und zugleich ästhetische und lebenswerte Stadt der Zukunft aus, die auch soziotechnische Entwicklungen intelligent und alltagsnah integriert? Haris Piplas zeigte unter anderem, wie das New European Bauhaus-Lab als Kompetenzplattform dienen kann, um Quartiere zukunftsfähig zu gestalten. Nilsson Samuelsson brachte die nationale Perspektive der Umsetzungsebene ein und berichtete aus Sicht der Landeshauptstadt Dresden. Wie integriert Dresden die Ideen in ihre nachhaltigen Stadtentwicklungskonzepte, wie wird die gebaute Umwelt geformt und welche Erfolge und Herausforderungen ergeben sich beim Planen und Umsetzen? Die Leitfragen der anschließenden Diskussion lauteten: Wie sieht das Spannungsfeld zwischen visionären Konzepten und praktischer Umsetzung vor Ort aus? Welche Planungsinstrumente und Hebel brauchen wir, um die visionären Konzepte vor Ort in der Realität umzusetzen? Wie gehen mir mit soziotechnischen Innovationen um?
Die zweite Gruppe diskutierte ganz konkret: Wie stellen wir uns das Wohnen in einer zukunftsgerechten Stadt vor? Was soll bleiben, was muss sich ändern und wer macht das? In einem kurzen Impuls von Anja Bierwirth (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie) und Julia Egenolf (Stadt Köln) wurde aufgezeichnet vor welchen Herausforderungen das Wohnen in Städten steht: Wohnraummangel versus Leerstand, Bezahlbarkeit, demo- und biographische Veränderungen, Klima- und Ressourcenschutz, Flächenversiegelung, und wie die Stadt Köln mit diesen Herausforderungen umgeht. Es hat sich gezeigt, dass Forschungsprojekte, wie zum Beispiel das Projekt GrowSmarter, Nachhaltigkeitsprozesse in der Kommune in Gang setzen beziehungsweise beschleunigen und große Strahlwirkung entfalten können. In der folgenden Diskussion mit den Teilnehmenden ging es unter anderem um Fragen der Suffizienz, multifunktionalen Nutzung, Umnutzung und die Antizipierung zukünftiger demographischer Entwicklungen. Das Themenforum schloss mit dem Fazit, dass es für die notwendigen Veränderungsprozesse eine Kreativität der Weiterentwicklung sowie guter Unterstützungsangebote bedarf.
Fazit
Wir danken allen engagierten Teilnehmenden dafür, dass sie insbesondere in den Themenforen ihre Perspektive und Erfahrungen eingebracht und das Programm so lebendig mitgestaltet haben. Was nahmen die Gäste mit? Visionen und zukunftsweisende Lösungsansätze aus der Verbindung von Technologie, Gesellschaft und Kunst. Mit im Gepäck: Gute Beispiele und neue Kontakte, um künftig neue Experimente wagen und die nachhaltige Stadtentwicklung in Deutschland weiter entwickeln zu können.