Abschlusskonferenz der Fördermaßnahme MiKlip (Mittelfristige Klimaprognosen)

Eröffnungsrede von Staatssekretär Dr. Georg Schütte am 23. Februar 2015 in Offenbach

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Professor Marotzke,
sehr geehrter Herr Doktor Becker,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Im Namen des BMBF begrüße ich Sie ganz herzlich. Ich freue mich, Sie mit einigen einleitenden Worten auf diese spannende Tagung einstimmen zu dürfen.

An erster Stelle möchte ich dem gesamten MiKlip Team meinen Glückwunsch für die entscheidenden Fortschritte aussprechen, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben. In nur vier Jahren haben Sie es geschafft, ein Modellsystem für Klimaprognosen auf einer Zeitskala von 10-15 Jahren zu entwickeln. Das ist ein großer Erfolg!

Sie haben dabei viel darüber erfahren, welche Faktoren für Klimaschwankungen auf kürzeren Zeitskalen verantwortlich sind und welche Prozesse für solche Prognosen wichtig sind. Damit haben Sie MiKlip international zum Vorreiter in der Klimaforschung gemacht und auch dazu gratuliere ich Ihnen ganz herzlich.

Als wir MiKlip auf den Weg gebracht haben, ging es uns aber nicht allein um diese grundlegenden Forschungserfolge.

Unsere Hoffnung war und ist, dass uns das Modellsystem von MiKlip in Zukunft helfen wird, sehr konkrete Fragen zu beantworten.

Sie alle wissen besser als ich, dass „dekadische Klimaprognosen“ natürlich nicht mit einer „Wettervorhersage“ in den täglichen Nachrichten vergleichbar ist. Aber dennoch: solche Prognosen können helfen, sehr handfeste Risiken für Planungen oder Investitionen abzuschätzen. Stellen Sie sich einen Winzer im Rheingau vor, der für seinen Weinberg die richtige Traube wählen muss. Der Weinberg wird erst in vielen Jahren seine Erträge liefern und der Winzer muss für einen Zeitraum von ungefähr 5 bis 20 Jahren planen. Da wäre es natürlich von ganz großem Vorteil für ihn zu wissen, ob es in zehn Jahren voraussichtlich mehr oder weniger Frosttage geben wird als heute.

Oder denken Sie an die Bedeutung der Windkraft für die Energiewende. Verlässliche Prognosen über die Entwicklung von Windrichtungen und Geschwindigkeiten im kommenden Jahrzehnt sind essentiell, um hier belastbare Investitionsentscheidungen zu treffen. Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie wichtig ein Planungshorizont von 10 bis 15 Jahren ist. Es gäbe viele weitere Beispiele aus der Planung kommunaler Infrastruktur, der Versicherungswirtschaft oder, um hier ein Beispiel aus dem Freizeit oder besser Tourismusbereich zu nehmen – was bei vielen Menschen hohe Aufmerksamkeit besitzt - dem Betrieb von Skiliften.

Die klassischen Klimaprojektionen über Zeiträume von hundert Jahren sind sicher wichtig für eine langfristige Orientierung von Vorsorgepolitik. Für solche konkreten Planungs- und Investitionsentscheidungen sind sie aber nur von begrenztem Nutzen. Das Ziel von MiKlip ist es daher, genau für diesen Zeitraum ein verlässliches Vorhersagesystem zu entwickeln, beziehungsweise die Bedingungen dafür zu erforschen.

Als wir MiKlip auf den Weg bringen wollten wurde dies eine Aufgabe, die von einzelnen Wissenschaftlern allein nicht geschultert werden kann. Sie übersteigt sogar das Leistungsvermögen einzelner Forschungsinstitute. Daraus entstand die Idee, alle deutschen Forschungseinrichtungen zusammen zu bringen und in ein konzertiertes Forschungsprogramm einzubinden. Wissenschaft, Gutachtern und BMBF ist es schließlich gemeinsam gelungen, ein sehr schlagkräftiges und forschungsstarkes Konsortium zu schmieden.

Auch dieses Vorgehen hat viel Aufmerksamkeit erregt, zumal die Ergebnisse vielversprechend sind. Viele der gesetzten Ziele haben Sie zum Ende der ersten Phase erreicht. Und nun steuern wir in der zweiten Phase einen operationellen Betrieb für mittelfristige Prognosen an.

Ich glaube, die deutsche Forschung hat hier einen Nerv getroffen: Mittelfristige Prognosen für strategische Planungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind von hohem Nutzen und werden weltweit nachgefragt. Wir dürfen also gespannt sein auf die Erkenntnisse, die Sie, Herr Professor Marotzke, uns gleich vorstellen werden.

Wenn ich dazu etwas vorweggreifen darf – die erste Phase von MiKlip hat deutlich gemacht, das es alleine nicht ausreicht, Modelle für die Vorhersage des Klimas zu haben. Man muss auch besser beurteilen können, wie gut diese Vorhersagen sind. Beispielsweise kann ein einzelner Modelllauf auf eine Häufung von Dürren in Brandenburg oder ein Zunahme von Stürmen an der Nordseeküste hinweisen. Wie sicher ist aber diese Prognose? Zur Beantwortung dieser Frage verwenden Sie die Ensemble-Methode, die man auch aus den Wettervorhersagen kennt. Sie haben herausgefunden, dass die Ensemble-Methode für dekadische Prognosen stark angepasst werden muss. Und Sie haben gezeigt, dass größere Ensembles notwendig sind, mit mehr Simulationen als bisher angenommen. Für Anwender ist die Vorhersagegüte sehr wichtig, daher begrüße ich, dass in der 2. Phase verstärkt an diesen Aspekten geforscht werden soll.

Meine Damen und Herren,
MiKlip ist eines von vielen Beispielen dafür, wie wir hierzulande daran arbeiten, entscheidende Lücken im Verständnis des Klimasystems zu schließen und dieses Klimawissen auch praktisch nutzbar zu machen. Und aus den Fragen, die uns erreichen, erkennen wir, dass der Klimawandel inzwischen allenthalben als Tatsache erkannt und als Herausforderung nicht mehr in Frage gestellt wird. Der letzte IPCC-Bericht hat dies ein weiteres Mal nachdrücklich und mit eindeutigen Botschaften untermauert:

  • Das Risiko eines gefährlichen Klimawandels ist real und die Zeit für Gegenmaßnahmen wird knapper.
  • Die Treibhausgasemissionen der Menschen nehmen zu und sind Hauptverursacher und
  • gravierende Folgen sind nur durch entschlossenes Handeln in der Klimapolitik und in allen Teilen der Gesellschaft zu vermeiden.

Der IPCC hat sich über Jahrzehnte eine einzigartige Position in der Politikberatung erarbeitet. Die Klimaforschung hat hier einen langen Atem bewiesen und maßgeblich dazu beigetragen, dass die Politik dieses Thema aufgegriffen hat. Im laufenden Jahr geht die Klimapolitik in eine entscheidende Phase. Wir steuern auf Paris zu, um dort ein verbindliches, umfassendes und ambitioniertes Klimaabkommen zu verabschieden. Deutschland sieht sich hier in einer besonderen Verantwortung, um die EU und die Weltgemeinschaft für den Klimaschutz und Investitionen in die Anpassung zu mobilisieren.

Als Vertreter des Forschungsministeriums betone ich deshalb auch besonders diesen Punkt: Die Wissenschaft hat großen Anteil daran, dass wir den Klimawandel als Problem erkannt haben und um seine Ursachen wissen. Jetzt erhoffen wir uns von der Wissenschaft auch wesentliche Impulse für die Lösung des Problems.

Darauf ist die Klimaforschung im Prinzip gut vorbereitet. Das gilt aus meiner Sicht in besonderem Maße für ein Land wie Deutschland mit einer Forschungslandschaft wie sonst nur in wenigen anderen Ländern auf der Welt.
Aber wir müssen auch konstatieren, dass das klimapolitische Umfeld inzwischen zunehmend von Fragen bestimmt wird, die nicht mehr allein durch die naturwissenschaftliche Klimaforschung beantwortet werden können. Das sind insbesondere Fragen nach einer gerechten Verteilung der Lasten, die von handfesten ökonomischen und geopolitischen Interessen überlagert werden. Das verändert die Art der Fragen, die an die Wissenschaft gestellt werden. Und das beeinflusst auch die Bedingungen, unter denen Wissenschaft sich äußern kann und wie sie wahrgenommen wird.

Welche Herausforderungen sind damit für die Forschung verbunden?

  • Erstens die Notwendigkeit, sich auf Interdisziplinarität und transdisziplinäre Forschungsansätze einzulassen.
  • Zweitens die Notwendigkeit, die sozialen und ökonomischen Wissenschaften ernsthaft in die Klimaforschung einzubinden.
  • Und drittens die Herausforderung, überzeugende Modelle für die wissenschaftliche Politikberatung zu finden.

Auch mein Haus ist aufgefordert, überzeugende Antworten auf diese Herausforderungen zu finden. Ich möchte Ihnen dazu einige Eckpunkte vorstellen, wie wir die Klimaforschung in unserem neuen Forschungsrahmenprogramm „Forschung für nachhaltige Entwicklungen“ oder „fona3“ ausgestalten möchten.

Ich möchte Ihnen dazu in drei Aspekten darstellen, was unser übergeordnetes Anliegen ist, welche Ziele wir verfolgen und welche Schwerpunkte wir setzen möchten.

Zunächst, was sehen wir also als unser übergeordnetes Anliegen?

Natürlich geht es darum, vordringliche Wissenslücken zu schließen. Ein IPCC Bericht ist für den, der ihn zu lesen versteht, auch immer ein beredtes Zeugnis, welche Felder wissenschaftlich noch nicht oder zu wenig erschlossen sind.

Uns geht es aber mindestens ebenso sehr darum, dass Forschung konkrete Lösungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume aufzeigt. Die Ergebnisse der Forschung sollen dort ankommen und Nutzen bringen, wo Entscheidungen zum Umgang mit dem Klimawandel getroffen werden müssen. Da sind wir wieder beim Winzer aus dem Rheingau: Er braucht die Forschung, um ökonomische Risiken besser abschätzen zu können.

Forschung steht immer im Dienste der Gesellschaft und soll diese bei Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Klimapolitische Ziele und Handlungsbedarf auf allen Ebenen sind für uns deshalb zentrale Anknüpfungspunkte für die Schwerpunkte, die wir in unserer Klimaforschungsstrategie setzen wollen.

Welche Ziele verfolgen wir?

Maßgeblich für uns ist der Dreiklang Relevanz – Exzellenz – Innovation.

Was heißt das konkret?

  • Wir wollen erstens Basiswissen schaffen um Wissenslücken zum Klimawandel durch exzellente Forschung zu schließen. Das bedeutet auch weiterhin: Wir müssen lernen, mit Unsicherheiten, mit Ungewissheiten umzugehen.
  • Wir wollen zweitens praktische Kompetenzen aufbauen, wie Klimawissen in der Praxis genutzt werden kann.
  • Und drittens wollen wir über Forschung und Entwicklung auch Innovationsdynamik für nachhaltiges Wachstum entfalten. Denn schon heute entstehen im Kontext von Klimaschutz und Anpassung schon innovative Geschäftsmodelle und Produkte, und Dienstleistungen, die weltweit Abnehmer finden.

Kein Forschungsvorhaben und auch kein Forschungsprogramm der Welt kann das alles alleine leisten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen in der Klimaforschung verschiedene Forschungsansätze systematisch und strukturell zusammen wirken.

Wir glauben, dass wir mit der Projektförderung ein Instrument zur Verfügung haben, mit dem wir wesentliche Impulse setzen können. Wir können gerade diese strukturbildende Rolle in der Gestaltung einer international wettbewerbsfähigen deutschen Klimaforschung spielen.

MiKlip als bundesweit koordinierte Initiative in der Klimamodellierung ist hierfür ein großartiges Beispiel. Eine ähnliche Rolle spielt auch die Maßnahme zur Erforschung von Wolken- und Niederschlagsprozessen im Klimasystem, HDCP2. Vielleicht kennen Sie aber auch Programme aus der Anpassungsforschung wie „Klimzug“ oder das Programm zur „Ökonomie des Klimawandels“. Wir erreichen mit diesen Programmen Universitäten, Forschungsinstitute, Unternehmen und Verwaltung gleichermaßen. Wir unterstützen sie dabei, neue Themen anzupacken und ihre Ressourcen auf gemeinsame Ziele auszurichten.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen wir dabei in den nächsten Jahren verfolgen?

Meine Damen und Herren,
Sie alle wissen, dass das BMBF seit langem exzellente Forschung fördert. Wenn wir also von inhaltlichen Schwerpunkten reden, dann kann es nur darum gehen, sinnvoll und klug auf der Vergangenheit aufzubauen.
Im Koalitionsvertrag haben wir angekündigt, einen Schwerpunkt im Bereich der Klimamodellierung zu legen. Es geht uns dabei einerseits um neue Modelle, um Änderungen im Klima – vor allem für kürzere Zeiträume und kleinere Regionen – besser abschätzen zu können. Die Fortsetzung von MiKlip in einer zweiten Phase ist hier also fest verankert.

Es geht auch um gravierende Lücken im Verständnis von Schlüsselaspekten im Klimasystem, wie zum Beispiel das Bild des Kohlenstoffkreislaufs oder das Verhalten des Wasserdampfs in der Atmosphäre. Hier bauen wir gerade Messinfrastrukturen auf, deren Daten uns helfen werden diese Lücken zu schließen. Bei diesen Forschungsprogrammen geht es uns vor allen Dingen um innovative Forschung und wissenschaftliche Exzellenz.

Einen zweiten Schwerpunkt setzen wir in der „Regionalisierung von Klimawissen“. Da geht es natürlich einerseits um regionale und lokale Klimamodelldaten. Das Wissen aus den verschiedenen Bereichen der Klimaforschung soll aber auch modellhaft in die Praxis integriert werden. Das geht bis hin zur konkreten Umsetzung. Auch hier werden die Ergebnisse von einigen Aspekten aus MiKlip in den kommenden Jahren sicher eine Rolle spielen.

Beispiele für diesen Ansatz sind aber insbesondere die Forschungsinitiativen im Bereich der Anpassungsforschung. Hier sind es die transdisziplinären Forschungsprogramme, die unmittelbare praktische Relevanz sichern. Forschung und Praxis sollen in gemeinsamen Projekten zu gemeinsamen Forschungsfragen kommen und sich dabei am konkreten Wissensbedarf aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft orientieren.
Erkenntnisinteresse oder die akademische Verwertung kann hier nicht allein im Vordergrund stehen. Diese Forschung steht im Kontext von Vorgaben konkreter Planungs-, Investitions- oder Politikprozesse. Der Bedarf der Nutzer muss dabei durchgängige Richtschnur sein.

Einen dritten Schwerpunkt sehen wir im Bereich der integrierten Bewertung für Klimapolitik und Innovation.
Es geht dabei einerseits um konkrete Fragen aus der Politik zu Möglichkeiten und Grenzen der politischen Steuerung und Gestaltung von Klimaschutz und Anpassung. Es geht aber auch um soziale und ökonomische Wirkungszusammenhänge und eine um integrierte Bewertung von Entwicklungspfaden mit möglichst allen Kosten, Risiken, Unsicherheiten und Chancen.

Ob in Politik oder Privatwirtschaft: Entscheider müssen Risiken und Handlungsoptionen abschätzen können und die Bedingungen für ihre Bewertung kennen. Für diesen Ansatz stehen Förderschwerpunkte wie die „Ökonomie des Klimawandels“ oder auch der forschungspolitische Dialog zum Climate Engineering.

Schließlich sehen wir auch einen vierten Schwerpunkt: die internationale Zusammenarbeit. Wir sehen durchaus eine forschungspolitische Verantwortung gerade für ärmere Weltregionen mit begrenzten Möglichkeiten, um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu finden. Wir setzen hier auf den gemeinsamen Aufbau von Kapazitäten, um durch exzellente Forschung eigene Lösungen zu entwickeln und Potenziale für Klimaschutz und Anpassung zu erschließen. Die prominentesten Beispiele für dieses Vorgehen sind die beiden Kompetenzzentren für Klimawandel und angepasste Landnutzung im westlichen und südlichen Afrika „WASCAL“ und „SASSCAL“. Aber auch darüber hinaus ist die Klimaforschung heutzutage ohne eine intensive europäische und internationale Zusammenarbeit kaum denkbar.

Meine Damen und Herren, der Klimawandel stellt Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen vor große Herausforderungen. Deshalb brauchen wir mehr denn je fundierte Antworten aus der Forschung.

Aber heute geht es auch ein wenig darum, bereits errungene Erfolge exzellenter Forschung zu feiern. Und vielleicht erfahren wir ja schon bald von MiKlip, ob wir auch für zukünftige Anlässe dieser Art noch auf exzellente Tropfen aus dem Rheingau zählen können.

Ich freue ich also nun auf Ihren Bericht von den Ergebnissen aus Ihren Projekten und wünsche Ihnen allen eine erfolgreiche Tagung hier in Offenbach.