Babylon – Sehnsuchtsort für Multiethnizität?

Rede
Grußwort von Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, bei der Abendveranstaltung anlässlich des Akademientages 2015 am 11. Mai 2015 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Professor Stock,

sehr geehrte Präsidenten der deutschen Akademien der Wissenschaften, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, bei der Abendveranstaltung zum Akademientag 2015 zu Ihnen zu sprechen. Gleichzeitig möchte ich Ihnen im Namen von Frau Bundesministerin Wanka herzliche Grüße ausrichten.

Der Akademientag, bei der die in der Union zusammengeschlossenen acht deutschen Wissenschaftsakademien sich und ihre Forschungen präsentieren, gehört seit vielen Jahren zu den wissenschaftlichen Großveranstaltungen in Berlin.

Wenn ich sage, sich präsentieren, meine ich damit, dass Mitglieder der deutschen Wissenschaftsakademien, alles exzellente Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, zu dem Thema Alte Welt Vorträge halten, in Diskussionsrunden miteinander und mit dem Publikum kommunizieren und somit einen Einblick in ihre Forschungsarbeit geben.

Mit der Präsentation von Akademienforschung meine ich auch, dass sich heute 20 Forschungsprojekte in einer Projektstraße, mit Workshops und in verschiedenen anderen Formen anschaulich vorgestellt haben und damit ebenfalls ihre Forschungen einer breiten interessierten Öffentlichkeit darbieten.

Diese 20 Forschungsprojekte sind Teil des von Bund und Ländern geförderten Akademienprogramms, das eine wichtige langfristig angelegte geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung liefert. Ganz wesentliche Elemente sind vor allem Wörterbüchern, Editionen und Textcorpora.

Für das Thema Alte Welt ist dieses Programm ein Füllhorn schlechthin. Von den derzeit 153 Projekten mit 204 Arbeitsstellen in Deutschland beschäftigen sich 41 mit der Alten Welt. Hinter diesen Forschungen stehen Fächer wie Ägyptologie, Griechische und Römische Sprache und Geschichte, Judaistik, Hethitologie, Indologie, Keilschriftkunde, Papyrologie oder Altorientalische Sprachen und Kulturen.

Mit dieser Aufzählung wird schnell deutlich, dass es sich um Geisteswissenschaften handelt und gleichzeitig um kleine Fächer.

Geisteswissenschaften sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem. Geisteswissenschaften sind zugleich die Orientierungswissenschaften in einer immer komplexer werdenden Welt. Und kleine Fächer sind durch eine hohe Forschungsintensität, Internationalität und Interdisziplinarität gekennzeichnet.

Solche Forschungsprojekte dienen, und so versteht sich auch das Akademienprogramm, der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes der Menschheit.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das Akademienprogramm derzeit mit knapp 31.5 Millionen Euro im Jahr. Unsere Wertschätzung für dieses Forschungsprogramm kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass es 2011 für 5 Jahre mit jährlichen Steigerungen von 5 Prozent an den Pakt für Forschung und Innovation angelehnt wurde und dass wir damit auch eine Stärkung der geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung verbunden haben.

Das Thema des heutigen Akademientages, „Alte Welt heute- Perspektiven und Gefährdungen“, ist faszinierend. Jede menschliche Generation steht auf den Schultern all der Generationen, die ihr vorausgegangen sind. Und hier blicken wir auf 10.000 Jahre Menschheitsgeschichte zurück. Die ersten Hochkulturen im Zweistromland, die Perser und Meder, das Alte Ägypten und damit eng verbundenen die Hethiter, die sicher in unserem Bewusstsein am stärksten vertretenen Griechen und Römer, aber genauso gut die alten Kulturen entlang der Seidenstraße bis hin zu den Hochkulturen Indiens und Chinas, bilden wichtige Wurzeln nicht nur für unsere westliche oder europäische Kultur, sondern auch für das, was wir das kulturelle Erbe der Menschheit nennen. Und das sich im Weltkulturerbe und Weltdokumentenerbe der UNESCO manifestiert.

All diese Kulturen der Alten Welt haben nicht nur Spuren hinterlassen, sie haben unsere Jetzt-Zeit entscheidend geprägt und prägen sie weiter. Sei es, um nur einige Beispiele zu nennen, die Demokratie als Regierungsform, unser Rechtssystem, Religion und Philosophie, Formen des Miteinanders und unser soziales Leben, das weite Feld der Traditionen, und die Kultur in einem sehr weiten Sinne. Ohne diese vorangegangenen Epochen der Menschheitsgeschichte wäre unsere Zeit und unsere Zivilisation in dieser Form nicht vorstellbar.

Umso grauenvoller ist, was sich seit Monaten in Syrien und dem Irak ereignet. Terroristen haben im Namen einer Religion unschätzbare und nicht wiederherstellbare Zeugnisse von orientalischen Hochkulturen aus dem zweiten und dritten vorchristlichen Jahrtausend zerstört und versuchen damit, Erinnern, kollektives Bewusstsein und Geschichte ganzer Generationen zu zerstören. Es fällt schwer, für diese Barbarei und Verbrechen an der Menschheitsgeschichte passende Worte zu finden. Und wir müssen alles unternehmen, um dieser Barbarei Einhalt zu gebieten.

Die heutige Abendveranstaltung innerhalb des Akademientages 2015 „Babylon - Sehnsuchtsort für Multiethnizität ?“ greift ein weiteres hoch spannendes Thema auf, gewissermaßen den Mythos und den Menschheitstraum von einem friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Völker, Religionen und Kulturen. Gleichzeitig steht Babylon aber auch für das Gegenteil. Nämlich den Beginn menschlicher Ausschweifungen und der Hybris, einen Turm bis zum Himmel bauen zu wollen und der göttlichen Bestrafung hierfür mit der Folge, dass sich die Menschen fortan nicht mehr in einer gemeinsamen Sprache verständigen können.

Ich bin sehr gespannt auf die Podiumsdiskussion über den Mythos Babylon, über seine Rezeption in all den Jahrhunderten und natürlich auch die Frage, ist friedvolle Multiethnizität nur eine Sehnsucht des Menschen oder ist sie auch verwirklichbar?

Ich finde es wunderschön kontrastierend, dass ein Bindeglied zwischen dem Thema „Alte Welt und wir“ eine moderne Oper ist. Oper ist Musik, und Musik díe einzige Sprache, die alle Menschen verstehen. Die Weltsprache Musik ist ein besonders wertvolles kulturelles Erbe der Menschheit.

Ich wünsche uns allen spannende Diskussionen, musikalischen Genuss und vielfältige Impressionen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.