Bekanntmachung zum Thema Kipppunkte, Dynamik und Wechselwirkungen von sozialen und ökologischen Systemen (BioTip)

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beabsichtigt, auf der Grundlage des Rahmenprogramms Forschung für nachhaltige Entwicklungen (FONA3) sowie in Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) FuE1-Projekte zum Thema Kipppunkte, Dynamik und Wechselwirkungen von sozialen und ökologischen Systemen (BioTip), zu fördern.

Biodiversität ist eine wesentliche Grundlage für Ökosystemleistungen und menschliches Wohlergehen. Der rasch voran schreitende Biodiversitätsverlust ist daher eine der großen Herausforderungen des globalen Wandels. Treibende ­Faktoren sind hier u. a. Fragmentierung, Degradierung und Verlust von Habitaten, biologische Invasionen, Umwelt­verschmutzung, Übernutzung der natürlichen Ressourcen sowie der Klimawandel. Die Veränderungen überschreiten das Anpassungspotenzial vieler Organismen sowie von Ökosystemen und bedingen in der Folge auch eine erhöhte Verwundbarkeit der Gesellschaft. Es werden deshalb Strategien und Handlungsoptionen benötigt, die den Verlust an biologischer Vielfalt sowie die Abwärtsspirale vieler sozialer und ökologischer Systeme stoppen oder umkehren. Vor­aussetzung dafür ist ein vertieftes Verständnis der Wechselbeziehungen zwischen den Systemen sowie der Prozesse und Dynamik, die zu Degradierung, Kipppunkten und Zustandswechseln in den Systemen führen. Ziel der Bekanntmachung ist aufzuzeigen, mit welchen Maßnahmen wirkungsvoll angesetzt werden kann, um die aktuellen negativen Trends zu stoppen. Durch das Schließen von Forschungslücken sollen die Arbeiten zudem zur Umsetzung des Arbeitsprogramms der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) beitragen.

Viele biologische und gesellschaftliche Systeme zeichnen sich durch eine komplexe Dynamik aus, die durch Wechselwirkungen, Rückkopplungen sowie zeitlich verzögerte Effekte charakterisiert ist. Dabei kann es in den Systemen zu abrupten und nur schwer umkehrbaren Zustandswechseln (Kippeffekten) kommen, die meist mit negativen Folgen für Biodiversität und gesellschaftlichem Wohlergehen verbunden sind.

Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit werden in den nächsten Jahrzehnten eine Reihe von ökologischen Kipppunkten auf allen Organisationsebenen (Arten, Populationen, Pflanzen-/Tiergesellschaften, Ökosystemen) erreicht. Die Kipppunkte sind häufig die Folge von komplexen Interaktionen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Systemen. Sie führen in der Regel zu einer Degradierung von biologischer Vielfalt, Ökosystemdienstleistungen und zu einer Beeinträchtigung des menschlichen Wohlergehens. Zeitverzögerte Effekte können zudem zur Folge haben, dass Schwellenwerte erst erkannt werden, wenn Kipppunkte bereits überschritten wurden. Entscheidungen, die heute getroffen werden, können Auswirkungen für die nächsten Jahrzehnte haben und somit zu Pfadabhängigkeiten führen. In vielen Sektoren (z. B. Land-, Wasser-, Wald-, Bauwirtschaft, Naturschutz, Stadt- und Regionalplanung etc.) bestehen erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf zukünftige Entwicklungen und mögliche Handlungsoptionen. Dies betrifft Governance-Fragen ebenso wie ökologische Aspekte. Ein besseres Verständnis der sozio-ökonomischen Prozesse und Treiber, die auf die ökologischen Systeme wirken, sowie der Interaktionen zwischen den Systemen, ist Voraussetzung für die Entwicklung von Handlungsstrategien.

Handlungsoptionen müssen adäquate Zeiträume berücksichtigen und Mechanismen beinhalten, diese zu etablieren. Dazu sind adaptive und reflexive Formen von Governance notwendig, die die Interessen und Merkmale von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sowie Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigen. Entscheidend sind Stellschrauben, die eine Transformation der Gesellschaften und Ökonomien und schnelle und angemessene Reaktionen auf negative Veränderungen der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme ermöglichen.

Ziel der Forschungsförderung ist es Prozesse zu identifizieren und zu initiieren, die die Resilienz von ökologischen Systemen erhöhen, Zustandswechsel mit negativen Folgen vermeiden und resiliente gesellschaftliche Systeme fördern.