CO2-Entnahme aus der Atmosphäre – CDRmare-Tagung legt Fokus auf meeresbasierte Methoden

Weltweit mahnt die Forschung, dass es bald kaum noch möglich sein wird, die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Selbst eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen reicht dafür nicht mehr aus, sondern der Atmosphäre muss zusätzlich CO2 entzogen werden. Vor diesem Hintergrund tauschten sich in Stralsund rund 200 Forschende der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung zu meeresbasierten Methoden der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre aus.

Die Forschungsmission CDRmare (CDR = Carbon Dioxide Removal / Kohlendioxidentnahme) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für aktuell drei Jahre mit rund 26 Millionen Euro gefördert und bündelt die Expertise von insgesamt 22 Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), befassen sich seit August 2021 sechs Forschungsverbünde mit verschiedenen Methoden, die zum Ziel haben die Fähigkeit des Ozeans, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern, weiter auszubauen. Dabei werden auch Risiken und mögliche Auswirkungen solcher Methoden auf die Meeresumwelt und das Erdsystem sowie die gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Aspekte solcher Maßnahmen erforscht.

Während der zweiten CDRmare-Jahrestagung im Stralsunder Ozeaneum wurden die seit Missionsbeginn erzielten Arbeitsergebnisse diskutiert. Konkret ging es um die folgenden Ansätze der meeresbasierten CO2-Entnahme aus Atmosphäre:

  • Die Erhöhung des Säurebindungsvermögens von Meerwasser – z.B. durch Einbringen von Gesteinsmehl – soll die CO2-Aufnahme des Ozeans aus der Atmosphäre verstärken.
  • Künstlich erzeugter Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser in bestimmten Meeresgebieten soll die Bindung von atmosphärischem CO2 in Algenbiomasse steigern.
  • In vegetationsreichen Küstenökosystemen, insbesondere Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangroven, soll das Kohlenstoffspeicherpotenzial gezielt gestärkt werden.
  • Für bestimmte, bisher noch nicht entsprechend genutzte Gebiete sollen Machbarkeit und Rahmenbedingungen der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden erforscht werden.

Das Spektrum der Forschungsansätze in CDRmare reicht von Laboruntersuchungen über Mesokosmenstudien in natürlichen Ökosystemen, Studien in tropischen Mangrovenwäldern bis hin zu regionaler und globaler Modellierung.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärte in einem Grußwort anlässlich des CDRmare-Treffens: „Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und zur Speicherung setzen. Das betont auch der Weltklimarat IPCC in seinen letzten Berichten. Wir müssen die Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab kurzfristig zulassen, um schnell in die Umsetzung zu kommen. Die dafür notwendige Gesetzesänderung muss in jedem Fall die weitere Forschung ermöglichen,
ohne die der Wissenschaftsstandort Deutschland seinen Anschluss in diesem Bereich verlieren würde. Das Bundesforschungsministerium hat die Forschung an diesem Zukunftsthema bereits frühzeitig gefördert. Mit insgesamt rund 50 Millionen Euro unterstützen wir schon jetzt die Erforschung landbasierter und mariner CO2-Entnahmemethoden, wie bei CDRmare, damit Deutschland künftig eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Jetzt kommt es darauf an, die technologischen und regulatorischen Grundlagen zeitnah zu legen.“

„Der Ozean ist bereits jetzt Hauptakteur für den Klimaschutz und nimmt jedes Jahr etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf und bremst somit die Erderwärmung. Angesichts der Tatsache, dass die Menschheit Mitte des Jahrhunderts selbst bei massiver Emissionsreduktion wohl immer noch 5 bis 15 % der heutigen CO2-Emissionen ausstoßen wird, ist es immens wichtig, alle Optionen zu erforschen, mit denen diese Restemissionen durch Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kompensiert und eine netto Emissionsnull erreicht werden kann. Der Ozean kann hier eine wichtige Rolle spielen. Wir erforschen, wie diese Rolle im Einklang von Meeresschutz und Klimaschutz aussehen könnte“, betonte der Co-Sprecher von CDRmare, Andreas Oschlies, Ozeanograph und Klimamodellierer am GEOMAR, zum Auftakt der Tagung.

„Wichtig ist uns dabei, dass die Ergebnisse von CDRmare konkret umsetzbare Handlungsoptionen bereitstellen, auf deren Basis die nötigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft getroffen werden können. Dabei gilt es auch, mögliche Umweltrisiken, Nutzungskonflikte und Verteilungsungerechtigkeiten zu untersuchen. Deswegen führen wir unsere Forschung im engen Dialog mit den jeweiligen gesellschaftlichen Interessengruppen durch und sind daher froh, dass einige der entsprechenden Akteure hier auf der Tagung anwesend sind“, ergänzte Gregor Rehder, IOW-Meereschemiker und ebenfalls Co-Sprecher von CDRmare.

Beide CDRmare-Sprecher waren sich einig, dass die Forschungsmission eine positive Halbzeit-Bilanz für die erste Förderphase verzeichnen kann: Alle Forschungsverbünde sind erfolgreich in die praktischen Arbeiten eingestiegen – etwa mit verschiedenen Laboruntersuchungen, Mesokosmen-Experimenten, sowie Seereisen und Probennahmen im In- und Ausland, aber auch mit der Entwicklung von Technologien etwa für Monitoringmaßnahmen. „Auch die übergreifende Vernetzung der CDRmare-Forschenden und das institutionenübergreifende Datenmanagement,  sind gut etabliert. Darüber hinaus hat der Wissenstransfer mit Politik und Gesellschaft begonnen“, so das positive Resümee von Oschlies und Rehder. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten dient die Tagung dazu, die weitere Forschungsplanung im Rahmen von CDRmare voranzutreiben, insbesondere auch perspektivisch für die angestrebte zweite Förderperiode ab Sommer 2024.