Expedition im Nordatlantik: Detaillierter Blick auf den Meeresgrund

Während die Landoberfläche der Erde mit Satelliten detailliert vermessen wurde, sind weite Bereiche der Meeresböden noch unerforscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler testen jetzt während einer Expedition mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN im Nordatlantik eine neue Analysemethode.

Der Meeresboden in der Tiefsee bestehe abgesehen von Gebirgszügen an den Grenzen der Erdplatten und vulkanischen Hotspots vor allem aus riesigen, gleichförmigen Schlammebenen. Diese Vorstellung dominiert bis heute. Doch stimmt sie? Präzise Antworten fehlen nach wie vor – nur 20 Prozent der Meeresböden weltweit wurden bislang mit Echoloten vermessen. Denn dieses „Abtasten“ mithilfe von Schallsignalen an Bord von Forschungsschiffen ist aufwändig und zeitintensiv.

Bei der Erkundung des Meeresgrundes helfen auch modernsten Technologien nur bedingt. So kann das Netzwerk der für wissenschaftliche Zwecke eingesetzten Satelliten nur die Oberfläche der Ozeane beobachten, nicht jedoch in sie hineinschauen. Autonome Tauchbojen - rund 4000 sogenannte Argo Floats schwimmen mittlerweile in den Weltmeeren - dringen bislang nur 2000 Metern Tiefe vor. Und sie verfügen bislang nicht über Echolote zur Erfassung der geologischen Strukturen am Meeresgrund.

Ein Team der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel verfolgt jetzt einen neuen Ansatz und verbindet zwei bewährte Methoden – Kartierung und Probennahme - mit einem innovativen Verfahren der Datenanalyse. Mit dieser Kombination soll die Meeresbodenbeschaffenheit ausgewählter Bereiche des Nordatlantiks in 2000 Metern bis 5000 Metern Tiefe näher untersucht werden. Die entsprechenden Daten werden noch bis Mitte November während einer Expedition mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsschiff MARIA S. MERIAN gesammelt. Im Fokus stehen Zusammenhänge zwischen geochemischen Prozessen und den Lebensbedingungen für Organismen am Meeresboden.

Das GEOMAR-Forscherteam wendet in Kooperation mit der Jacobs Universität Bremen ein mehrstufiges Messverfahren im Untersuchungsgebiet zwischen Irland und dem mittelatlantischen Rücken an. Zunächst kommt ein Multibeam-Echolot zum Einsatz, um den Meeresboden regional zu kartieren. Mit einem Kamerasystem werden an ausgewählten Positionen zusätzlich Fotos vom Meeresboden aufgenommen, die zu hoch aufgelösten Karten verbunden werden. Punktuell wird außerdem ein TV-Multicorer eingesetzt, der zeitgleich mehrere Proben der oberen Bodenschicht einsammeln kann.

„Mit Hilfe von neuen Verfahren der Datenanalyse wollen wir die Ergebnisse der Proben auf die lokalen Karten hochrechnen“, sagt der Expeditionsleiter Timm Schoening vom GEOMAR. Die Daten der hoch aufgelösten Karten sollen ebenso mit den Echolot-Daten verknüpft und mithilfe des maschinellen Lernens extrapoliert werden – somit werden umfassende Ergebnisse für ein deutlich größeres Meeresgebiet erzielt. „Für uns ist diese Fahrt eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit zwischen Spezialistinnen und Spezialisten aus den Datenwissenschaften und der Geochemie zu verbessern“, sagt Schoening.

Schließlich werden die digitalen Daten innerhalb kürzester Zeit der internationalen Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung gestellt – unter anderem für das 2019 gestartete internationale iAtlantic-Projekt, in dem grundlegende Fragen zu Tiefsee-Ökosystemen des Atlantiks beantwortet werden sollen. Die Daten fließen auch in das GEBCO Seabed-2030 Projekt ein, das sich das Ziel gesetzt hat, bis 2030 alle Meeresböden einmal per Echolot zu vermessen.