Forschungsschiff SONNE: Expedition zu einem gigantischen Magma-Gebirge

Das Kerguelen Plateau, mitten im südlichen Indischen Ozean gelegen, steht wie ein gigantisches Bollwerk im Weg der mächtigsten Meeresströmungen der Erde. Noch bis Ende Februar 2020 ist ein Wissenschaftlerteam mit dem Forschungsschiff SONNE in dieser Region unterwegs. Ihr Ziel ist die Bergung wertvoller Sedimente, um klimatische und tektonische Prozesse bis zum Ende der Kreidezeit rekonstruieren zu können.

Entstanden ist das Kerguelen Plateau vor 50 bis 110 Millionen Jahren, als nach dem Auseinanderbrechen des Superkontinents Gondwana auch zwei große Erdteile voneinander getrennt wurden: Indien und die Antarktis. Während dieser Trennung wirkten Urkräfte in der Erdkruste, wodurch gewaltige Mengen an Magma an die Oberfläche drangen, sich als Flutbasalte ablagerten und das Plateau formten. 

Das auf diese Weise entstandene Unterwassergebirge im Indischen Ozean ist doppelt so groß wie Frankreich und im Durchschnitt 2000 Meter hoch. Als Große Magmatische Provinz ist diese Region nicht nur für Geologen, sondern auch für Klimaforscher hochinteressant. Denn bei der Eruption der Flutbasalte wurden gro­ße Men­gen Treib­haus­ga­se freigesetzt. Die Folge war möglicherweise ein Anstieg der globalen Temperaturen.  

Durch seine Topographie beeinflusst das Plateau zudem bedeutende untermeerische Strömungen. Vor allem der Ant­ark­ti­sche Zir­kum­po­lar­strom und das Ant­ark­ti­sche Bo­den­was­ser werden durch die Magma-Formationen abgelenkt. Diese Wassermassen ver­bin­den den At­lan­ti­schen, Pa­zi­fi­schen und In­di­schen Oze­an und haben eine wichtige Bedeutung für das Wettergeschehen in vielen Regionen der Erde.

Ein Forscherteam unter Leitung des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) untersucht das Kerguelen Plateau derzeit genauer – während der vom Bundesforschungsministerium geförderten Expedition SO 272 mit FS SONNE. Im Mittelpunkt stehen Driftsedimente, die von den Strömungen gebildet wurden und exzellente geologische Klima-Archive darstellen. 

„Das Pla­teau agiert wie ein Hin­der­nis für die Strö­mun­gen. Sie wer­den durch das Pla­teau ab­ge­lenkt und for­men da­bei cha­rak­te­ris­ti­sche Se­di­ment­struk­tu­ren im Un­ter­grund. Wir bil­den die­se Struk­tu­ren ab und ana­ly­sie­ren ihre Ver­än­de­run­gen im Lau­fe der Zeit. So er­hal­ten wir In­for­ma­tio­nen über die Ak­ti­vi­tät der Strö­mun­gen“, er­klärt Fahrt­lei­te­rin Ga­brie­le Ünzel­mann-Ne­ben vom AWI.

In den ver­gan­ge­nen 70 Mil­lio­nen Jah­ren ha­ben sich die Pfa­de des Was­sers ver­än­dert – in ih­rer Stär­ke, aber auch durch tek­to­ni­sche Ver­än­de­run­gen. Vor al­lem aber liegt das Ker­gue­len Pla­teau an ei­ner Schlüs­sel­stel­le für glo­ba­le Kli­ma­ver­än­de­run­gen. Hier kön­nen die kli­ma­ti­schen Wech­sel­wir­kun­gen und Ver­än­de­run­gen zwi­schen Ant­ark­tis und nie­de­ren Brei­ten be­son­ders gut stu­diert wer­den.

Im Be­reich des Ker­gue­len Pla­teaus sind Ver­än­de­run­gen in Struk­tu­ren, wie etwa den Drifts­edi­men­ten, sehr hoch­auf­lö­send do­ku­men­tiert. Während der Ex­pe­di­ti­on sollen diese Sedimente mithilfe eines Schwe­re­lots beprobt werden. Darüber hinaus sind seis­mi­sche Un­ter­su­chun­gen geplant. „Um glo­ba­le Wech­sel­wir­kun­gen im Kli­ma bes­ser ein­zu­schät­zen, müs­sen wir an den Schlüs­sel­stel­len die Ge­schich­te des kom­ple­xen Erd­sys­tems mög­lichst ge­nau re­kon­stru­ie­ren“, er­klärt der am Projekt beteiligte Forscher Tho­mas West­er­hold vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Auch das Wissen über die Entstehung der Magma-Plateaus ist noch lückenhaft.