Forschen zwischen Mangroven und Korallenriffen

Das deutsch-indonesische Forschungsprogramm SPICE hat auf der Abschlusskonferenz die Bilanz von zwölf Jahren Forschungszusammenarbeit gezogen. Seit 2003 haben deutsche und indonesische Meereswissenschaftler unter dem Dach von SPICE gemeinsam Küstenökosysteme in Indonesien erforscht. Besonderen Wert legten die Forscher dabei auf die Nachwuchsförderung.

Auf Bali werden wichtige Veranstaltungen traditionell mit Tänzen eröffnet. Die Ehre, den einläutenden Gong zu schlagen, kam bei der SPICE-Abschlusskonferenz dem Direktor der indonesischen Udayana Universität, Professor I Made Damriyasa, zu. Nach dieser feierlichen Eröffnung diskutierten die rund 150 indonesischen und deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende sowie eine Vertreterin aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an zwei Tagen ihre Forschungsergebnisse. Das BMBF hat das Forschungsprogramm von deutscher Seite finanziert.

„Die meisten Indonesier leben mit, am und im Wasser“, berichtet der deutsche Meeresforscher Harry Palm. „In den letzten zehn Jahren sind fast 30 Millionen Menschen dazugekommen und das führt dazu, dass immer mehr Menschen auf die gleiche Ressource zurückgreifen“, führt der Professor der Uni Rostock weiter aus. Ziel der Forscher im Programm „Science for the Protection of the Indonesian Coastal Marine Ecosystems“ war es herauszufinden, wie sich dieses enorme Bevölkerungswachstum auf die Küstenökosysteme auswirkt. In 36 Forschungsprojekten widmeten sich die Wissenschaftler den Korallenriffen, Torfsumpfflüssen und Mangroven, die wichtige Ökosysteme an der indonesischen Küste darstellen. In der letzten Förderphase gerieten auch sozialwissenschaftliche Fragstellungen und Erneuerbare Energien aus dem Meer in den Fokus der Zusammenarbeit.

Die indonesischen Korallenriffe sind beliebt bei Tauchern aus der ganzen Welt und sichern als Wellenbrecher den Erhalt der Inseln. Gleichzeitig sind sie stark gefährdet: Nicht nur der Klimawandel und die Ozeanversauerung stellen eine Bedrohung dar. Neben Dynamitfischerei macht auch das verbotene Fischen mit Cyanid dem empfindlichen Ökosystem zu schaffen. Mit dem Gift betäuben die Fischer wertvolle Zier- und Gourmetfische , um sie lebend zu fangen. Frisch zubereitet gelten sie als Delikatesse und werden daher erst im Restaurant vor den Augen der Gäste aus dem Aquarium geholt. Doch die betäubende Cyanidwolke wird nicht nur den Fischen zum Verhängnis: Auch wirbellose Bewohner des Korallenriffs können dem Gift nicht entkommen, weshalb letztendlich das gesamte Ökosystem aus den Fugen gerät.

Dr. Hauke Reuter hat die Entwicklung der Korallenriffe erforscht: An der Artenzusammensetzung, die sich ändert, konnten wir sehen, dass die Riffe degenerieren, so der Biologe vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT). Gerade in intensiv genutzten Bereichen und vor den großen Städten sind die Korallenriffe stark degradiert. Je näher wir dem Land kommen, desto mehr Algen finden wir. Wenn es weniger zerstörerische Nutzungsformen und weniger starke Einleitungen geben würde, gäbe es auch in diesen Bereichen intakte Korallenriffe.

Ein weiteres gefährdetes Ökosystem sind die Torfböden Indonesiens, die als wichtiger Kohlenstoffspeicher gelten. Sie werden trockengelegt und abgebrannt, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Doch mit den Bränden geht ein enormer Ausstoß der Treibhausgase CO2, Methan und Stickoxide einher, der den globalen Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes befeuert.

Auch die Mangrovenwälder, die die Küstenlinie Indonesiens säumen, werden von der Landwirtschaft verdrängt. Die 17.000 indonesischen Inseln beherbergen etwa ein Sechstel der weltweiten Mangroven. Dieses außergewöhnliche Ökosystem bietet nicht nur Lebensraum für viele Tierarten, sondern auch einen natürlichen Schutz für Küsten. Die tief verwurzelten Mangroven bremsen die Wucht der anrollenden Wellen und bewahren so das Hinterland vor größeren Schäden. Dieser natürliche Küstenschutz ist in den vergangenen Jahrzehnten in Südostasien erheblich geschrumpft – die Bäume werden als Brennholz verwendet oder gerodet, um weitere Flächen für Aquakulturanlagen zu generieren.

Der Meeresforscher Palm hat sich in seiner Forschung mit Fischparasiten befasst. „Parasiten haben den höchsten Anteil an der aquatischen marinen Biodiversität. In indonesischen Küstengewässern gibt es 10.000 verschiedene Parasitenarten. In der Nord- und Ostsee haben wir nicht einmal 200 Arten“, so der passionierte Parasitologe. „Es gibt eine Gruppe von Parasiten, die sogenannten anisakiden Nematoden, in welcher einige Arten dem Menschen gefährlich werden können. Wir wollten ausschließen, dass Krankheiten auf den Menschen übertragen werden, wenn ein Fisch nicht vollständig durchgegart gegessen wird“, erklärt der Wissenschaftler. Deshalb hat er mit seinem Forscherteam diverse Fischmärkte abgeklappert, um die Fische auf Parasiten zu untersuchen. Insgesamt untersuchten die Forscher über 90 verschiedene Fischarten, von denen keine einzige Art von den zoonotischen, also auf den Menschen übertragbaren, Parasiten befallen war. „Das ist eine gute Nachricht für die Menschen, die sich von den Fischen ernähren, und gleichzeitig eine wichtige Information für die heimischen Ärzte“, zeigt sich Palm erfreut von seinen Forschungsergebnissen.

Bei der Abschlusskonferenz auf Bali betonte Programmkoordinatorin Dr. Claudia Schultz, wie wichtig die Nachwuchsförderung in SPICE gewesen sei. Harry Palm pflichtet ihr bei: „Indonesische Absolventen sind fest angestellt an Unis und haben deshalb so viele andere Aufgaben, dass sie eigentlich nicht nebenbei promovieren können.“ SPICE hat vielen indonesischen Doktoranden die Chance gegeben, an deutschen Unis zu promovieren. „So können sie wissenschaftlich gefestigt zurück nach Indonesien gehen, damit sie dort in der Ausbildung neue Talente ausbilden können.“ Er lobt das Bundesforschungsministerium für seinen „langen Atem“ in der Förderung: „Dass das BMBF über lange Jahre konsequent gefördert hat, hat einen großen Einfluss gehabt, der für Indonesien sehr, sehr wertvoll war: Viele Entscheidungsträger aus der indonesischen Wissenschaft hatten in irgendeiner Weise mit SPICE zu tun.“

Während der jahrelangen gemeinsamen Forschung bekamen die deutschen Forscher einen intensiven Einblick in die indonesische Forschungslandschaft: „Es gibt auf beiden Seiten sehr gute Leute, auch beim Nachwuchs. Trotzdem unterscheidet sich die Methodik teilweise sehr“, berichtet die ZMT-Wissenschaftlerin Schultz von ihren Erfahrungen. „Das Land ist noch sehr jung und damit konnte sich auch der Hochschulbetrieb noch nicht so weit entwickeln wie bei uns, wo die Hochschulen schon seit hunderten Jahren bestehen“, so Schultz. Die erste Universität Indonesiens wurde 1945 gegründet, in Deutschland wurden schon im 14. Jahrhundert erste Universitäten gegründet.

Nach Meinung der Forscher würde sich eine Fortsetzung der gemeinsamen deutsch-indonesischen Forschung sehr lohnen, auch im Hinblick auf die nachhaltige Nutzung und Erhaltung dieser einzigartigen Ökosysteme. Einen Wunsch für die Zukunft hat Claudia Schultz aber: „Ich würde mir wünschen, dass Forschungsgenehmigungen leichter zu bekommen wären. Wir geben uns große Mühe, die Bestimmungen des Gastlandes zu befolgen. Manchmal ist es aber sehr kompliziert und zeitaufwändig, alle Genehmigungen für die Probenahme und den Transport von Proben zu bekommen und das würde unsere Forschung schon sehr erleichtern.“