Forschungsschiffbau: Ein Hightech-Herz für die neue Polarstern
Das Herzstück in dem vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) finanzierten Neubauprojekt der Polarstern-Nachfolge nimmt Gestalt an. Die am Bau beteilgten Unternehmen TKMS, Wärtsilä, Steerprop und Aker Arctic haben die Verträge für die gesamte Antriebseinheit unterschrieben - konkret für die Ruderpropeller, Motoren und Abgasnachbehandlungsanlage. Viele der Komponenten sind Marktneuheiten, mit denen das Alfred-Wegener-Institut und die Werft TKMS neue Standards in der Forschungsschifffahrt setzen.
Die Brücke ist der Kopf eines Schiffes, die Maschine sein Herz – das jedenfalls sagen viele Seeleute. Für die neue Polarstern nimmt das Herz jetzt Gestalt an. Gleich mit drei Anbietern hat die Bauwerft TKMS Verträge für den Antrieb des Eisbrecher-Neubaus des Alfred-Wegener-Instituts abgeschlossen. Und dies sind keine Komponenten „von der Stange“. Die innovative Spitzentechnik ermöglicht besonders geräusch- und emissionsarme Forschung auf See und in den Polargebieten.
Der Polarstern-Neubau, finanziert durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), erhält zwei Azimut-Antriebe - auch als drehbare Propellergondeln bezeichnet - der finnischen Firma Steerprop. Das für die Eisklasse PC2 gebaute Schiff wird von zwei Azimut-Propellern angetrieben, den größten je gebauten mechanischen Einheiten ihrer Art, die jeweils 9 Megawatt Leistung über einen Propeller mit 4,8 Metern Durchmesser liefern. Die Propellergondeln sind um 360 Grad drehbar und übernehmen daher das Manövrieren bereits mit. Eine klassische feststehende Mittelanlage vom finnischen Hersteller Aker Arctic mit Edelstahlpropeller, der einen Durchmesser von 5,4 Metern hat, ergänzt das Propulsionspaket.
Beide Antriebsarten erhalten ihre Energie über ein wahres Kraftwerk: Vier Hauptmaschinen von Wärtsilä erzeugen 33,1 Megawatt dieselelektrische Leistung. Zwei der Maschinen werden Dual-Fuel-fähig sein: Neben Diesel können sie auch grünes Methanol verbrennen. Es handelt sich um ein integriertes Hybrid-Elektroantriebssystem, das Effizienz mit modernster Umwelttechnologie vereint. So sind die Generatoraggregate geräuscharm und die Abgasnachbehandlungstechnologien erfüllen höchste Emissionsstandards. Außerdem bekommt der Polarstern-Neubau ein Energiespeichersystem: Ein Batteriesystem ermöglicht es, den Schiffsbetrieb für bis zu vier Stunden ohne laufende Generatoren sicherzustellen, und damit die kompletten Forschungsarbeiten emissionsfrei auszuführen.
Die bei der Fahrt auftretenden Abgase werden nach neuestem Stand der Technik gefiltert, damit möglichst wenige Partikel in die Umwelt gelangen. Der Polarstern-Neubau ist Erstkunde für Abgasfilter in dieser Größenordnung. Daneben erhält das Schiff einen Katalysator zur Abgasnachbehandlung. Außerdem ist die Antriebsanlage so ausgelegt, dass die besonders strengen, akustischen Anforderungen der Richtlinie „ICES 209“ erfüllt werden, die besonderes Augenmerk auf die akustische Belastung der Unterwasserwelt durch die Schifffahrt legt. Dadurch werden die Meereslebewesen vor Lärm geschützt.
„Wir freuen uns sehr, dass mit der Bestellung der Antriebseinheit jetzt ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur neuen Polarstern vollzogen ist. Mich faszinieren besonders die langfristigen Abstimmungen sämtlicher Produktionsabschnitte. Auch wenn es planmäßig noch bis April 2027 dauern wird, bis die ersten Schweißnähte des Schiffes entstehen, muss natürlich parallel die Konstruktion der innovativen Maschinen starten. Toll, dass das Neubauprojekt und die Zusammenarbeit zwischen AWI, TKMS und den Zulieferern nach Plan laufen“, sagte Prof. Dr. Maarten Boersma, kommissarischer Direktor des Alfred-Wegener-Instituts.
Das Neubauprojekt Polarstern
Die neue Polarstern wird das Flaggschiff der deutschen Klimaforschung. Der Neubau wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) finanziert. Auf Basis dieser Finanzierung konnte das Alfred-Wegener-Institut im Dezember 2024 den Auftrag für einen Neubau an die Werft TKMS vergeben. Am Standort Wismar wird das eisbrechende Forschungs- und Versorgungsschiff gebaut.
Mit einer Länge von knapp 160 Metern und einer Breite von 27 Metern bietet sie ausreichend Platz für bis zu 60 Forschende sowie 50 Crewmitglieder. Für die interdisziplinäre Erforschung der Polarregionen stehen hochmoderne Labore und Forschungstechnik zur Verfügung. Eine hohe Eisklasse (PC2) ermöglicht den Einsatz auch in bislang unzugänglichen Regionen. Wie sein Vorgängerschiff wird die neue Polarstern die Bundesdienstflagge führen und auch die Versorgung der Neumayer-Station III übernehmen – die Basis der deutschen Antarktisforschung.
Der aktuelle deutsche Forschungseisbrecher Polarstern I ist seit nunmehr 42 Jahren im Dienst. Seitdem hat er rund 1,9 Millionen Seemeilen für die Wissenschaft zurückgelegt. Bis zur Indienststellung der neuen Polarstern im Jahr 2030 soll die Polarstern I weiterhin betrieben werden.