Früherkennung von Naturgefahren

Hangrutschungen, Sturzfluten und Küstenschutz – dies sind nur drei Beispiele für aktuelle Forschungsthemen aus der Geoforschung. Am 8. und 9. Mai treffen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Hannover, um beim Abschlussseminar „Früherkennung von Naturgefahren“ ihre Forschungsergebnisse zu diskutieren.

[[23446v_r]]Naturkatastrophen mit großem Schadenspotential treten typischerweise sehr plötzlich auf und sind verhältnismäßig selten. Entsprechend schwierig ist ihre Vorhersage. Allerdings können Gefahren für Menschen und Infrastrukturen durch wirkungsvolle Schutzmaßnahmen, Vorhersagen und Frühwarnung deutlich reduziert werden. Deshalb fördert das Bundesforschungsministerium die Entwicklung von integrierten Frühwarntechnologien. Die Projektpartner der sechs im Themenschwerpunkt „Früherkennung von Naturgefahren in Deutschland“ geförderten Projekte kommen heute und morgen zum Abschlussseminar des Schwerpunkts in Hannover zusammen, um ihre Forschungsergebnisse der vergangenen drei Jahre zu diskutieren.

 

[[23447v_l]]In Hamburg, Thüringen und Schleswig-Holstein haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder tiefe Löcher in der Erde aufgetan. Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler im Projekt SIMULTAN entwickeln mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums ein Frühwarnsystem, um Erdfälle in Deutschland rechtzeitig zu erkennen und die Bevölkerung wirksam zu warnen. Dabei kooperieren die Forscher mit den Geologischen Diensten in den betroffenen Bundesländern, die für die Frühwarnung vor Naturgefahren zuständig sind.

Im Projekt CMM-SLIDE entwickelten die Forschenden ein flächendeckendes Sensornetz, das vor Hangrutschungen warnen soll. Auf einem Testfeld in der Nähe von Bonn installierten die Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler ein Sensornetz. Die Besonderheit dieses Netzes ist, dass der Hang nicht nur punktuell, sondern flächig überwacht werden kann. Die Messdaten fließen in ein Computermodell ein, das die Stabilität eines Hangs vereinfacht darstellt und Rutschungen vorhersagen kann.

Das Projekt TaMIS befasste sich mit der Sicherheit von Staudämmen: Starkregenfälle oder Hangrutschungen können insbesondere für Staudämme eine große Bedrohung darstellen. Das Versagen eines Staudamms durch unkontrollierten Überlauf birgt dabei das größte Gefahrenpotential und kann katastrophale Auswirkungen auf das Umland haben. Daher ist es von besonderer Bedeutung, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und potentielle Schwachstellen zu identifizieren, um geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Im Verbundprojekt TaMIS wurde ein Überwachungs- und Informationssystem für Staudämme entwickelt, bei dem verschiedene innovative Sensoren in intelligenten Netzwerken kombiniert und die gemessenen Daten mit Systemen zur Prozessierung, Alarmierung und Visualisierung verbunden werden. Das geplante TalsperrenMessInformationsSystem (TaMIS) wurde exemplarisch am Beispiel des Talsperrenverbundsystems Bever-Block im Bergischen Land entwickelt.

Im Projekt EarlyDike geht es um einen wirksamen Küstenschutz: See- und Ästuardeiche schützen mehr als 2,4 Millionen Menschen und zählen zu den wichtigsten Küstenschutzanlagen in Deutschland. Ein Versagen der Bauwerke hat meist schwerwiegende Konsequenzen zur Folge. Ein frühzeitiges Erkennen von Gefahren und das rechtzeitige Verhindern eines möglichen Deichversagens sind daher elementar. EarlyDike hat ein sensor- und risikobasiertes Frühwarnsystem für Seedeiche entwickelt, das neben äußeren Belastungsgrößen wie Wasserstand, Wind und Wellen auch die Widerstandsfähigkeit des Deiches berücksichtigt. Im Projekt wurde ein Deichmonitoringsystem entwickelt, in dem intelligente Geotextilien zum Einsatz kommen: Die mit Sensoren gespickten Textilien werden in einen Deich eingebaut und messen die Durchfeuchtung und geben Aufschluss über den Zustand des Bauwerks. Die gewonnenen Echtzeitdaten sollen in einem neuentwickelten Deich-GeoPortal dem Endnutzer (z.B. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk) direkt zur Verfügung gestellt werden. Auf Grundlage dieser Daten kann im Katastrophenfall rechtzeitig gewarnt und ein effektives Katastrophenmanagement durchgeführt werden.

Das Projekt COLABIS befasst sich mit der Frühwarnung vor Starkregenfällen in Städten. Die mehrfach von lokalen Überflutungen betroffene Stadt Dresden dient als Modellregion für das Projekt. Im Projekt wurde eine webbasierten Plattform entworfen, die die Entwicklung von urbanen Monitoring- und Frühwarnsystemen ermöglicht und erleichtert. Dabei soll die lokale Bevölkerung einbezogen werden, um möglichst lückenlose Daten beispielsweise über den Verschmutzungsgrad nach Überschwemmungen zu erhalten: Durch die Zusammenführung von gemessenen Umweltdaten, Simulationsergebnissen, amtlichen, historischen und Crowdsourcing-Daten in einer gemeinsamen Informationsplattform soll die effektiv nutzbare Datengrundlage für die Bewertung und Abwehr von Gefahrensituationen verbessert werden.

Das Projekt EVUS zielte darauf ab, eine Echtzeitvorhersage für urbane Sturzfluten und die damit verbundene Kontamination des Grundwassers zu ermöglichen. Urbane Sturzfluten als unmittelbare Folge von lokalen Starkregenereignissen mit sehr hohen Niederschlagsintensitäten haben in den letzten Jahren zu erheblichen Sach- und Personenschäden in Deutschland geführt. Durch den lokalen Charakter von Starkniederschlagsereignissen und den sehr kurzen Reaktionszeiten des städtischen Entwässerungssystems stellen Vorhersagesysteme mit möglichst langen Vorwarnzeiten eine große Herausforderung dar. Im Projekt EVUS wurde ein solches Vorhersagesystem für urbane Sturzfluten beispielhaft für die Stadt Hannover entwickelt. Das Vorhersagesystem basiert auf der Kopplung von Niederschlagsvorhersagen, Strömungs- und Abflussmodellen für Oberfläche und Untergrund sowie einem Modell zur Schadensschätzung, das die schnelle Warnung vor Sturzfluten in Städten ermöglicht.

Insbesondere meteorologische Extremereignisse lösen eine Vielzahl von Prozessen aus, die ein erhebliches Gefahrenpotential bergen, wie zum Beispiel Überflutungen oder Hangrutschungen. Aufgrund der zahlreichen Medienberichte entsteht der Eindruck, dass extreme Wetterphänomene deutlich zugenommen haben. Daher wird die Klimatologin Dr. Katharina Lengfeld vom Deutschen Wetterdienst Offenbach einen Gastvortrag zum Thema „Klimawandel und Extreme – Starkniederschläge in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ halten.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte unter dem Dach von FONA (Forschung für Nachhaltige Entwicklung) sechs Projekte aus dem Themenschwerpunkt „Früherkennung von Naturgefahren in Deutschland“. Die Forschungsprojekte mit einer Laufzeit von Juni 2016 bis November 2018 wurden mit rund 7,1 Millionen Euro gefördert.