Gesundheitscheck für Ringelrobben und Schweinswale
Wie geht es den Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen in der Ostsee und wie ist es um den Lebensraum Ostsee bestellt? Diesen Fragen gehen Wissenschaftler aus Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland im Forschungsprojekt BaltHealth nach. Prof. Dr. Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover leitet ein Forschungsvorhaben, das von den verschiedenen nationalen Forschungsministerien und von der Europäischen Union im Ostsee-Entwicklungsprogramm BONUS gemeinsam gefördert wird.
Frau Siebert, was genau erforschen Sie im BONUS-Projekt BaltHealth?
Wir wollen den Gesundheitszustand von Seehunden, Kegelrobben, Ringelrobben und Schweinswalen in der Ostsee erforschen. Wahrscheinlich werden wir auch Seeadler und Fischotter in unsere Studien einbeziehen und, da wir uns mit der Nahrungskette beschäftigen, auch Fische. Außerdem wollen wir sowohl die Schadstoffbelastungen als auch die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Tiere betrachten. Und wir möchten den Zusammenhang zwischen Infektionskrankheiten und der Belastung mit Schadstoffen und anderen Einflüssen untersuchen.
Woher bekommen Sie die Tierproben?
Viele der Projektpartner haben biologische Sammlungen, auf die wir zurückgreifen können. Und auch im Laufe des Projekts werden wir weitere Proben sammeln: Zum einen werden tote Tiere untersucht und beprobt, zum anderen gibt es Forschungsprojekte, bei denen lebende Tiere mit Sensoren ausgestattet werden, sodass die Wissenschaftler ihr Verhalten verfolgen können. Von diesen Feldeinsätzen profitieren wir auch in unserem Projekt. Tote Seeadler für das Projekt werden meistens in Schweden und Finnland gefunden und gesammelt.
Am Projekt beteiligt ist auch das Umweltbundesamt, das nicht nur Fischproben beisteuert, sondern die anderen Partner auch mit seiner Expertise im Proben- und Datenmanagement unterstützt.
[[22263_l]]Sie arbeiten mit Wissenschaftlern aus Dänemark, Schweden und Finnland zusammen, die wie Deutschland an der Ostsee liegen – was ist Ihr gemeinsames Ziel?
Das gemeinsame Ziel ist eine gute Einschätzung der Situation der Tiere in der Ostsee. Zusätzlich entwickeln wir Indikatoren, die anzeigen, wenn eine Tierart gefährdet ist – quasi ein Frühwarnsystem. So möchten wir sicherstellen, dass der Lebensraum Ostsee wirksam geschützt wird.
Außerdem fließen unsere Erkenntnisse direkt in internationale Abkommen ein, wie zum Beispiel die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, deren Ziel ein guter Umweltzustand der europäischen Meere bis zum Jahr 2020 und dessen Erhalt darüber hinaus ist. Auch die Helsinki-Konvention zum Schutz der Meeresumwelt im Ostseeraum überwacht mithilfe von unseren Ergebnissen den Zustand der Ostsee.
Die internationale Kooperation in der Forschung ist sehr wichtig, weil gerade die Meeressäugetiere sehr mobil sind und sich nicht an Ländergrenzen halten. Ein Verständnis für die gesamte Ostsee können wir nur gemeinsam erreichen.
Sie möchten herausfinden, wie es um den Lebensraum Ostsee bestellt ist – wie finden Sie heraus, wie es den Tieren vor ihrem Tod ging?
Wir untersuchen die toten Tiere und können so herausfinden, welchen Umwelteinflüssen sie im Laufe ihres Lebens ausgesetzt werden. Der Mageninhalt und Gewebeanalysen geben Aufschluss darüber, was die Tiere gefressen haben. Auch Krankheitserreger und Schadstoffe wie Weichmacher und Pestizide können nach dem Tod untersucht werden.
Sie haben schon viele Jahre Robben in der Nord- und Ostsee untersucht – wie ist es um die deutschen Meere bestellt?
Wir wissen, dass die Tiere in der Nord- und Ostsee häufig an chronischen Krankheiten leiden und häufiger von Parasiten befallen sind als in anderen Gewässern, die nicht so sehr vom Menschen beansprucht werden.
[[22262_r]]Welche Schulnote von 1 bis 6 würden Sie dem Lebensraum Ostsee geben?
Es ist natürlich schwierig, aus dem Stegreif eine einzige Note zu vergeben. Schließlich erstreckt sich die Ostsee von Kiel im Westen bis nach Russland im Osten und Schweden und Finnland im Norden.
Die Ostsee ist ein sehr sehr intensiv genutztes Binnenmeer: Schadstoffbelastungen, Müll und Nährstoffeintrag von Land gefährden das Ökosystem. Die Fischerei und vor allem der versehentlich gefangene Beifang stellen eine große Belastung für den Lebensraum dar. Auch Lärmverschmutzung durch die Schifffahrt und die Offshore-Industrie belasten die Tiere. Die Kadetrinne in der Mecklenburger Bucht ist einer der am stärksten befahrenen Seewege Europas. Ein weiterer Aspekt ist Altmunition: Bis heute liegen viele Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg in den Meeren.
Gerade an der deutschen Ostseeküste ist der Druck auf die Meereslebewesen sehr hoch. Insofern können wir für die Ostsee leider kein grünes Licht geben. Ich würde sagen, dass die Schulnoten je nach Region zwischen einer 2 und einer 5 variieren.
Welche Trends können Sie beobachten?
Schweinswale in der zentralen Ostsee sind stark gefährdet. Die Kegelrobben- und Seehundbestände haben sich seit den 1990er Jahren etwas erholt. Die Belastung durch einzelne Schadstoffe geht zwar zurück, ist aber immer noch so hoch, dass sie Tieren schaden kann. Die Geräuschbelastung durch Schifffahrt, Militär, Offshore-Konstruktionen oder die sich in Planung befindliche Fehmarn-Belt-Querung ist zu hoch. Die Fischerei nimmt Einfluss auf die Fischbestände. Dies führt wiederum dazu, dass Tiere am Ende der Nahrungskette, wie zum Beispiel der Schweinswal, auf Fische mit geringerem Nahrungsgehalt ausweichen müssen und möglicherweise mehr Energie in die Jagd investieren müssen.
Was muss getan werden, um die Ostsee zu schützen?
Wichtige Maßnahmen sind es, den Lärmeintrag zu regulieren und die Fischerei so zu gestalten, dass sie die Meereslebewesen möglichst wenig beeinträchtigt. Wichtig ist auch, den Schadstoff- und Mülleintrag ins Meer zu verringern und die Tiere in ihrem Lebensraum nicht zu stören.
Frau Siebert, wir wünschen Ihnen ein erfolgreiches Forschungsprojekt und bedanken uns für das Gespräch!