Hintergründe zu Band III des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts, Folge #2 – Welche Rolle spielt der Finanzsektor bei der Eindämmung des Klimawandels? Das Potenzial eines nachhaltigen Finanzsystems

Der IPCC erstellt den nächsten Weltklimabericht. BMBF-Projekte forschen zu Themen, die dabei eine wichtige Rolle spielen – so etwa die Finanz- und Kapitalmärkte, die zum Erreichen der Pariser Klimaziele beitragen können.

Der Weltklimarat IPCC erstellt zurzeit seinen Sechsten Sachstandsbericht („AR6"). In mehreren Bänden wird dieser den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammenfassen und einordnen. Band I „Naturwissenschaftliche Grundlagen" erschien am 9. August 2021, Band II zu „Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit" am 28. Februar 2022. Band III zu „Minderung des Klimawandels" wird Anfang April erscheinen. Auf der Website der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle finden Sie aktuelle Informationen dazu.

Mit einer Serie von Meldungen stellen wir Ihnen Projekte aus der BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit" (FONA) vor, die sich mit wichtigen Themen für den IPCC-Bericht beschäftigen. Denn Forschung liefert die Grundlage für faktenbasierte und informierte politische und gesellschaftliche Entscheidungen zum Umgang mit dem Klimawandel.

Mit nachhaltiger Finanzwirtschaft Klimaziele erreichen

Um uns widerstandsfähiger – also resilienter – gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen, brauchen wir klimaresiliente Entwicklungspfade: Dabei werden Maßnahmen zur Emissionsreduzierung und Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen kombiniert. Der kürzlich veröffentlichte Beitrag von Arbeitsgruppe II zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht betont, dass eine klimaresiliente Entwicklung und die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele sofortige, umfassende und tiefgreifende Veränderungen in allen Sektoren und Regionen erfordern.

Der Finanzsektor nimmt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und damit beim Wandel zu einer klimaneutralen Weltgemeinschaft ein. Die UN-Nachhaltigkeitsziele und ein ausreichender Klimaschutz können nur mit einer nachhaltig ausgerichteten Finanzwirtschaft (Sustainable Finance) erreicht werden. Im Rahmen des Übereinkommens von Paris einigten sich 195 Länder darauf, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Sie vereinbarten, Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Für den Finanzsektor war das Pariser Abkommen ein wichtiger Meilenstein, da er erstmals das verbindliche Ziel beinhaltete, Finanzflüsse mit dem Ziel der Dekarbonisierung der Volkswirtschaften vereinbar zu machen. Einerseits bedeutet dies: Finanzflüsse müssen künftig so gelenkt werden, dass nur noch klimafreundliche Investitionen finanziert werden. Andererseits sollen Projekte und Maßnahmen finanziert und entwickelt werden, die Anpassungen an den Klimawandel ermöglichen und eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels fördern. Finanzflüsse sollen damit in Richtung einer treibhausgasarmen und klimaresilienten Entwicklung gelenkt werden.

Nachhaltige Finanzwirtschaft auf dem Weg zu einer emissionsneutralen Gesellschaft – Systemübergänge im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung beschleunigen

Bereits der IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5) hat deutlich gezeigt, dass wir vieles verändern müssten, um eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung zu ermöglichen. Hierbei spielen sogenannte Systemübergänge hin zu niedrigeren Treibhausgasemissionen in Energie-, Land- und Ökosystemen, Städtebau und Infrastruktur sowie Industrie eine entscheidende Rolle. Dabei gilt: Je schneller diese Systemübergänge bewältigt werden können, desto besser. Dazu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für den beschleunigten Systemübergang förderlich sind. So müssen zum Beispiel Hemmnisse möglichst rasch abgebaut werden, die solchen Veränderungen im Wege stehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Machbarkeit von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen zur Begrenzung der Erwärmung im Kontext von nachhaltiger Entwicklung. Zu den förderlichen Faktoren zählen zum Beispiel: angemessene politische Steuerung und Koordination, Kapazitätsaufbau, geeignete politische und regulatorische Instrumente, technologische Innovationen, internationale Zusammenarbeit, Marktinstrumente, klimafreundliche Lebensstile sowie neben Transfer und Mobilisierung von finanziellen Mitteln auch eine entsprechende Neuorientierung von Finanzmärkten und den darüber mobilisierten Investitionen.

Der SR1.5 hob beispielsweise hervor, dass die Ausrichtung von Finanzmitteln auf Investitionen in Infrastruktur für Klimaschutz und -anpassung zusätzliche Ressourcen bereitstellen könnte. Hierfür könnten private Mittel durch institutionelle Investoren, Vermögensverwalter und Entwicklungs- oder Investmentbanken mobilisiert oder auch öffentliche Mittel bereitgestellt werden. Zugleich wurde hervorgehoben, dass eine Regierungspolitik, die das Risiko von Investitionen in emissionsarme Optionen und Anpassung senkt, die Mobilisierung von privaten Mitteln fördern und die Wirksamkeit anderer öffentlicher Programme stärken kann.

Initiativen und Maßnahmen: Finanzflüsse mit der Transformation zu klimaneutralem Wirtschaften vereinbar machen

Bestrebungen, die Ziele des Pariser Abkommens umzusetzen, zeigen sich nicht nur auf globaler Ebene. Die EU soll bis Mitte des Jahrhunderts treibhausgasneutral sein. Sie hat mit ihrer „Strategy for financing the transition to a sustainable economy" in 2021 ihren Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums weiter konkretisiert. Die Bundesregierung strebt an, die Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen und hat das Thema „Nachhaltige Finanzwirtschaft" im Klimaschutzplan 2050 und in der Deutschen Sustainable Finance-Strategie verankert. Zudem stellt auch direkt Artikel 2.1 des Pariser Abkommens einen Anreiz für Finanzinstitute aus dem Privatsektor dar, sich zu verpflichten und auf die Erreichung der Klimaziele hinzuarbeiten. Auf der letzten Weltklimakonferenz (COP26) 2021 hat sich zum Beispiel die „Glasgow Financial Alliance for Net Zero" (GFANZ), ein globaler Zusammenschluss führender Finanzinstitutionen, verpflichtet, über 130 Billionen US-Dollar an privatem Kapital für die Umgestaltung der Wirtschaft zur Treibhausgasneutralität bereitzustellen.

BMBF-Forschung zeigt auf, welchen Beitrag der Finanzsektor auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten kann

Gleichzeitig bestehen noch viele offene Fragen und Herausforderungen bezüglich der Realisierung eines stärker auf Nachhaltigkeit und Klimaziele ausgerichteten Finanzsystems. Forschung zum nachhaltigen Finanzsystem schafft hier essenzielles Wissen und entwickelt Lösungsbeiträge über eine Neuausrichtung und mögliche Transformationspfade.

Das BMBF fördert hierzu seit Mitte 2018 die klimaökonomische Forschung. Die Forschungsprojekte der BMBF-Fördermaßnahme Ökonomie des Klimawandels untersuchen wirtschaftliche Zusammenhänge und erforderliche Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Erreichung der nationalen Klimaziele sowie der Ziele des Pariser Abkommens. Sie zeigen Möglichkeiten auf, den Wandel hin zur Klimaneutralität entsprechend zu gestalten. Insbesondere das Querschnittsthema „Finanzmärkte, Finanzwirtschaft und Finanzierung" koordiniert die Forschungsprojekte, die sich mit finanzwirtschaftlichen Forschungsfragen befassen, und stärkt so gezielt die finanzwirtschaftliche Perspektive der klimaökonomischen Forschung.

Im Rahmen des vom BMBF geförderten „Dialogs zur Klimaökonomie" fand Anfang März 2022 das 11. Forum Klimaökonomie „Der Finanzsektor als Klimaschützer? Das Potenzial von Sustainable Finance" statt. Es dient dem Austausch von Wissenschaft, Politik und weiteren Praxisakteuren. Deutlich wurde, dass ein nachhaltiges Finanzsystem transparente Klimabilanzen der Unternehmen sowie auch eine entsprechende klima- und finanzpolitische Rahmensetzung erfordert.

Um noch stärker den Herausforderungen zu begegnen, die mit der Gestaltung einer nachhaltig ausgerichteten Finanzwirtschaft einhergehen, hat das BMBF 2021 zusätzlich den neuen Förderschwerpunkt „Klimaschutz und Finanzwirtschaft – KlimFi" aufgelegt. Gefördert wird die Forschung zu Finanzinstrumenten, Prozessen und Marktmechanismen und ihre Wirkung (Impact). Auch die Rolle von Finanzdienstleistungsinstituten, Investoren, Privatkundinnen und Privatkunden für die Eindämmung des Klimawandels soll erforscht werden. Der Schwerpunkt leistet damit eine systemische Betrachtung des Finanzsektors und seiner Steuerung, Steuerbarkeit und Regulierung sowie gesamtwirtschaftliche Einbettung und Verzahnung. Untersucht werden auch Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen, Klimawandel und der Finanzwirtschaft sowie Aspekte von Datenverfügbarkeit, -qualität und -analyse. Entsprechende Forschungsprojekte werden Mitte dieses Jahres starten.

Die vom BMBF geförderte Forschung zu Klimaschutz und Finanzwirtschaft schafft damit eine entscheidende Wissensbasis, entwickelt Lösungsbeiträge und setzt Impulse für die angestrebte Dekarbonisierung von Finanzmärkten im Sinne der Klimaziele von Paris.