Unterwasserfahrzeuge der deutschen Meeresforschung

Zur Erforschung schwer zugänglicher Areale, beispielsweise unter dem Eis oder in der Tiefsee, setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer häufiger autonome (AUV – Autonomous Underwater Vehicle) oder kabelgebundene (ROV – Remotely Operated Vehicle) Unterwasserfahrzeuge ein.

Das Tauchboot JAGO ist das einzige bemannte Unterwasserfahrzeug Deutschlands. Seit Januar 2006 ist das Boot am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel stationiert. Es wurde 1989 gebaut und hat seither an mehr als 60 Expeditionen teilgenommen und über 1300 Tauchgänge absolviert. Es kann maximal 400 Meter tief tauchen und wird zur Erkundung und Erforschung aquatischer Systeme und Lebensräume eingesetzt. Das Tauchboot ist unter Wasser frei beweglich und nicht durch ein Kabel mit der Oberfläche verbunden. Es bietet Platz für einen Piloten und einen Beobachter, weiträumigen Ausblick durch zwei große Acrylglasfenster und vielseitige Möglichkeiten für detaillierte Beobachtung und Beprobung mit Hilfe eines Greifarmes. Typische Anwendungen sind Beobachtung und Erkundung des Meeresbodens und der Wassersäule, Video- und Fotodokumentation, selektive Probenahme, Absetzen, Bedienen und Aufnehmen von Sensoren und Mess-Systemen, Unterwasser-Inspektionen, sowie Ortung und Bergung von Objekten.

Für den Einsatz in der Tiefsee müssen die Unterwasserfahrzeuge speziell für die dortigen Bedingungen konzipiert sein. So herrscht ab einer Tiefe von ca. 800 Metern völlige Finsternis bei eisigen Temperaturen. Auch elektromagnetische Wellen werden absorbiert. Wegen des hohen Salzgehalts von durchschnittlich 3,5 Prozent hat das Wasser eine höhere elektrische Leitfähigkeit als das Oberflächenwasser und setzt den Materialien stärker zu. Die größte Herausforderung ist der enorme Druck, dem die Fahrzeuge standhalten müssen. In einer Tiefe von 6000 Metern wirkt ein Druck von etwa 600 bar auf das Fahrzeug ein.

ROVs (Remotely Operated Vehicles) sind für wissenschaftliche Einsätze im Meer konzipierte und über ein Tiefsee-Glasfaserkabel ferngesteuerte Tauchroboter. Anders als autonome Unterwasserfahrzeuge (AUVs) sind ROVs immer über stahlarmierte Tiefseekabel mit dem Schiff verbunden. Die Systeme erhalten darüber ihre Energie und die Steuersignale aus dem Kontroll-Container an Deck. Gleichzeitig sendet das Gerät seine Bild- und Sensorsignale über das Kabel zum Mutterschiff. Das ROV ist als mobiles System ausgelegt und kann auf allen Forschungsschiffen eingesetzt werden, wenn diese bestimmte Voraussetzungen erfüllen (dynamische Positionierung, Größe und Stabilität des Arbeitsdecks, Hebezeuge, Energieversorgung).

Das GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verfügt über mehrere ROVs, die auf unterschiedliche Umgebungen und Anforderungen spezialisiert sind:

Das ROV KIEL 6000 ist speziell für wissenschaftliche Einsätze in der Tiefsee konzipiert: Mit einer Tauchtiefe von bis zu 6000 Metern kann ROV KIEL 6000 mehr als 90 Prozent des Meeresbodens erreichen. Damit ist das ROV Deutschlands Tiefseeroboter mit der größten Tauchtiefe. ROV KIEL 6000 wird im Rahmen multidisziplinärer wissenschaftlicher Projekte sowie zum Aufbau integrativer Langzeit-Ozeanobservatorien eingesetzt. Mit Hilfe des ROV KIEL 6000 wurden während mehrerer Expeditionen der SONNE im Jahr 2015 die möglichen Folgen eines Manganknollen-Abbaus in der Tiefsee des Pazifiks untersucht. Das ROV ermöglichte dabei präzise Probennahmen in über 4000 Metern Wassertiefe, optische Kartierungen und die exakte Positionierung von Experimenten am Meeresboden.

Das ROV PHOCA ist neben ROV KIEL 6000 das zweite »Working-Class« ROV in der Fahrzeug-Flotte des GEOMAR. Aufgrund seiner deutlich kleineren und leichteren Bauform kann das ROV PHOCA, das für Tauchtiefen bis zu 3000 Meter konzipiert wurde, von mittleren Forschungsschiffen eingesetzt werden. Das Versorgungskabel von ROV PHOCA, ein stahlarmiertes Glasfaserkabel, ist baugleich mit dem des ROV KIEL 6000. Somit können beide ROVs sowohl über die Tiefseewinde (6500 m Kabellänge), eine kleinere Midwater-Winde (2700 m Kabellänge) als auch die Schwimmkabelwinde (400 m Kabellänge) betrieben werden. ROV PHOCA verfügt wie ROV KIEL 6000 über: Zwei Greifarme und digitale Videokameras auf Schwenk-Neige-Köpfen. ROV PHOCA wird in multidisziplinären wissenschaftlichen Projekten sowie zur Installation und Wartung des Langzeit-Observatoriums MoLab eingesetzt. Das ROV PHOCA wurde im Rahmen des BMBF Projektes MoLab beschafft.

HyBis ist ein vergleichweise kleines und kostengünstiges Mehrzweckgerät, das über ein Glasfaserkabel manövriert wird und mit einem Greifer oder einem Greifarm Proben entnehmen kann. Es kann bis zu 6000 Meter tief tauchen und hat einen modularen Aufbau: Das Hauptmodul beinhaltet die Steuerung durch zwei Antriebspropeller sowie die Energieversorgung, die Kameras, das Licht, die Hydraulik und die Telemetrie. Darunter können je nach Bedarf unterschiedliche Module angebracht werden, wie z. B. ein hydraulischer Backengreifer, ein Greifarm mit ausfahrbarem Probenbehälter, und ein Modul zum Ausbringen von Ozeanboden Seismometern. Im Gegensatz zu einem konventionellen ferngesteuerten Fahrzeug, einem ROV, besitzt das HyBis keine Auftriebskörper. Die Tiefe, in der das Gerät operieren soll, und das Auf- und Abtauchen werden durch das Glasfaserkabel kontrolliert, mit dem das HyBis mit dem Schiff verbunden ist. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass das HyBIS eine Nutzlast von bis zu 700 kg ausbringen oder einholen kann. Während der Expedition SO241 des Forschungsschiffs SONNE wurde im Golf von Kalifornien ein bisher unbekanntes Hydrothermalfeld entdeckt, das neue Einsichten in die Dynamik dieser heißen Tiefseequellen ermöglicht. Mit dem RUV HYBIS konnte das Team wertvolle Proben von den bis zu 70 Meter hohen Ablagerungshügeln rund um die Quellen gewinnen.

Auch das MARUM Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen hat verschiedene Unterwasserfahrzeuge zur Verfügung:

Das tiefseetaugliche ROV QUEST hat inzwischen an die 400 Tauchgänge absolviert und an einer Hydrothermalquelle Temperaturen von bis zu 464° Celsius gemessen – eine zuvor unvermutete Hitze, an die sich das mikrobielle Leben an diesen Orten angepasst hat. Großgeräte wie QUEST liefern mit ihren Kameras neue Einblicke zum Beispiel auf Lebensgemeinschaften am mittelatlantischen Rücken in 2800 Metern Tiefe. Die Ausstattung ermöglicht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, am Meeresboden gezielt Proben zu nehmen und Experimente durchzuführen.

Das ROV SQUID erreicht eine maximale Tauchtiefe von 2000 Metern und wurde so konzipiert, dass es auch von kleineren Forschungsschiffen aus eingesetzt werden kann. SQUID verfügt über drei Kameras für wissenschaftliche Zwecke, hat ein Sonar und zwei Line-Laser zur Vermessung von Objekten am Meeresboden. Zur Probennahme steht ein voll proportional verfahrbarer Greifarm mit sieben Freiheitsgraden zur Verfügung. Proben oder wissenschaftliche Sensoren können in einer Probenbox abgelegt beziehungsweise installiert werden. Die auf dem Fahrzeug installierte Sensorik erlaubt das punktgenaue Einparken des ROVs über dem Meeresboden oder das exakte Abfliegen einer festgelegten Route. Aufgrund der hohen Antriebsleistung des ROVs sind Operationen in Gebieten mit bis zu drei Knoten Strömungsgeschwindigkeit möglich. Mit dem kompakten und antriebsstarken Tauchfahrzeug gelang es 2016 im östlichen Mittelmeer, eine Langzeitbeobachtungsstation vom Meeresboden zu bergen, die über einen Zeitraum von gut einem Jahr natürliche Aktivitätsschwankungen eines Schlammvulkans registriert hatte.

AUVs (Autonomous Unterwater Vehicles) sind anders als kabelgebundene Unterwasserfahrzeuge (ROVs) nicht mit dem Mutterschiff verbunden, sondern können programmierte Missionen komplett selbstständig durchführen. Sie werden durch Propeller angetrieben und sind mit Batterien zur Energieversorgung ausgestattet. AUVs werden hauptsächlich zur Erkundung und Kartographierung des Meeresbodens eingesetzt und nehmen meist keine Bodenproben.

Das MARUM-SEAL ist ein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV), welches für den Tiefsee-Einsatz bis 5000 Meter Wassertiefe konzipiert wurde. Das torpedoförmige Fahrzeug verfügt über einen elektrischen Antrieb, der über Lithium-Ionen-Batterien mit Energie versorgt wird. Diese ermöglichen eine Einsatzdauer von etwa 19 Stunden oder 100 Kilometer Wegstrecke. In Kombination mit einem eingebauten GPS- und Druck-Sensor sowie einem Inertialsystem steuert der eingebaute Kontrollrechner das AUV auf dem zuvor programmierten Kurs, typischerweise 60 bis 80 Meter über dem Meeresboden. Ausgelegt als wissenschaftliches AUV werden vorrangig sehr hochauflösend die Bodentopographie oder der Meeresbodenuntergrund erkundet. Die Messdaten werden auf dem Fahrzeug gespeichert und an Bord des Trägerschiffes ausgelesen. Über eine Unterwasser-Akustik kann während der Fahrzeug-Missionen mit dem tauchenden AUV kommuniziert werden. Das AUV ist für den Einsatz auf großen und mittleren Forschungsschiffen auslegt.

Das AUV ABYSS des GEOMAR ist ein Unterwasserfahrzeug, welches seine vorprogrammierten Aufgaben in der Wassersäule oder am Meeresboden unabhängig vom Schiff abarbeitet. Dieses Fahrzeug wird hauptsächlich in Tiefen zwischen 2000 und 6000 Meter eingesetzt. Mit der Hilfe von verschiedenen optischen oder akustischen Sensoren kann der Meeresboden kartiert und physikalische Parameter aus der Wassersäule aufgezeichnet werden. Die Sensor-Daten werden mit Positionen und Zeit vom AUV versorgt und damit geo-referenziert. Zu den fest installierten Sensoren gehören eine Leitfähigkeits-, Temperatur- und Drucksonde (CTD), ein Trübe- und Chlorophyll-Sensor (ECO) und ein Seitensichtsonar. Das Gerät wird mit Lithium-Batterien betrieben, mit denen es bis zu 20 Stunden tauchen und messen kann. Das AUV kann auf allen mittleren und großen Forschungsschiffen eingesetzt werden. Das Aussetzen und Einholen erfolgt dabei über ein für das System konzipierten Aussetzrahmen (LARS) über das Schiffsheck oder die Seite.

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