Mit künstlicher Intelligenz: Neues Messverfahren für arktisches Meereis

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegner-Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), hat ein Verfahren entwickelt, um aus Satellitendaten ganzjährig Eisdicken und Volumen in der Arktis abzuschätzen. In die Studie flossen auch Ergebnisse von zwei BMBF-geförderten Polarforschungsprojekten mit ein.

Die Arktis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schneller erwärmt als der Rest der Welt. Mit Folgen für das Meereis. Um zu erfassen, wie dick die Eismassen in der Nordpolarregion sind, nutzen Forschende vor allem Satelliten. Diese Methode stößt im Sommer allerdings an ihre Grenzen, da Schmelzprozesse an der Eisoberseite die Messungen aus dem All erschweren.

Ein internationales Team hat nun ein Verfahren entwickelt, das erstmals ermöglicht, die Veränderungen der arktischen Meereisdicke für die Jahre 2011 bis 2021 zu bestimmen – auch in den Sommermonaten. Die Daten sind von besonderer Bedeutung für die Schifffahrt in der Arktis und werden die Qualität von Wetter und Eisvorhersagen deutlich verbessern, wie die Forschenden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature berichten.

Auswertung mit Deep-Learning-Methoden

„In den Sommermonaten werden die Satelliten von Tümpeln aus Schnee und Schmelzwasser geblendet, die sich auf der Meereisoberfläche sammeln“, sagt Jack Landy, Erstautor der Studie von der Universität Tromsø (UiT). „Sie können dann nicht mehr zwischen schmelzendem Eis und Wasser unterscheiden.“ Das Forschungsteam hat mit Hilfe von künstlicher Intelligenz frühere Daten von Satelliten untersucht, um zu sehen, wann sie Eis und wann sie Ozean registrieren. Mit Hilfe einer Deep-Learning-Methode und numerischen Simulationen ist es ihnen erstmals gelungen, aus diesen Daten die Eisdicke auch während der Schmelzphase in den Sommermonaten aus dem Weltall hinreichend genau zu bestimmen. So entstand ein Datensatz, der zum ersten Mal die Dicke des Meereises in der Arktis über ein ganzes Jahr hinweg zeigt.

Mit Vergleichsmessungen konnte die Gruppe abschätzen, wie genau die neu entwickelte Methode ist. Ein Großteil dieser Daten stammte aus den IceBird Kampagnen des AWI. Zudem wurden Daten aus den Forschungsvorhaben CATS und QUARCCS einbezogen, die vom Bundesforschungsministerium zwischen 2017 und 2020 gefördert wurden. „Mit den Polarfliegern des AWI sammeln wir Informationen über die Zusammensetzung und die Eigenschaften des arktischen Eises und seine Veränderungen im Laufe der Zeit“, sagt Dr. Thomas Krumpen, Klimawissenschaftler am AWI und Mitautor der Studie. „Die Flugzeugmessungen sind sehr genau und decken große Bereiche ab. Sie eignen sich daher besonders für die Validierung.“

Präzisere Vorhersagen

Die neuen Satellitendaten zur Eisdicke im Sommer sollen nun in Meereisvorhersagen eingesetzt werden, um deutlich früher genauere Aussagen über die Eisausdehnung und das Eisvolumen im Sommer treffen zu können. „Mit den ganzjährigen und arktisweiten Daten bekommen wir ganz neue Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean“, so Krumpen. Mit den neuen Satellitendaten können die Meereisvorhersagen für Schiffsrouten präzisiert werden, was die Sicherheitsrisiken unter anderem für Fischerboote verringert. Es lässt sich somit vorhersagen, ob an einem bestimmten Ort im September Eis vorhanden sein wird oder nicht, wenn die Eisdicke im Mai bestimmt wird. 

Originalpublikation:

Jack C. Landy, Geoffrey J. Dawson, Michel Tsamados, et. al.: A year-round satellite sea-ice thickness record from CryoSat-2. Nature (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-022-05058-5