Monatsthema September "Arktisforschung ist Klimaforschung" - MOSAiC-Expedition: Eine neue Dimension der Datenverarbeitung

MOSAiC wird einen großen Datenschatz hervorbringen, wodurch das Klimageschehen in der zentralen Arktis völlig neu bewertet und die Klimamodelle präzisiert werden können. Ohne eine hochmoderne IT-Infrastruktur würde die größte Nordpolarexpedition aller Zeiten jedoch nicht funktionieren. Am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, werden die Grundlagen für den reibungslosen Datenfluss gelegt. Mit einer neuen Förderrichtlinie unterstützt das Bundesforschungsministerium zudem die wissenschaftliche Auswertung der MOSAiC-Daten.

Es war eine der mutigsten Expeditionen. Im Jahr 1893 ließ sich der norwegische Polarforscher Friedtjof Nansen mit dem Dreimastschoner „Fram" im arktischen Eis einfrieren und wollte den Nordpol mithilfe der natürlichen Eisdrift queren. An Bord: 13 Mann Besatzung und Proviant für fünf Jahre. Den Pol erreichte er nicht, aber Nansen drang so weit in den Norden wie niemand zuvor.

Die technischen Voraussetzungen für eine Arktis-Expedition haben sich heute, 126 Jahre nach der abenteuerlichen Fahrt von Nansen, fundamental geändert. Der leistungsstarke Forschungseisbrecher „Polarstern" mit zuverlässigem Equipment an Bord bildet die Basis. Zudem können Flugzeuge, Helikopter, Drohnen, Schneemobile und modernste Messtechnik eingesetzt werden.

Die MOSAiC-Expedition, die am 20. September 2019 startet, ist eine Forschungsfahrt der Superlative - auch hinsichtlich des Datenvolumens, das während der einjährigen Eisdrift der „Polarstern“ durch die zentrale Arktis gesammelt wird. Unzählige Sensoren, ein Netzwerk von Beobachtungsstationen sowie Messinstrumente in den Forschungsflugzeugen liefern eine riesige Menge an Informationen.

An Bord der „Polarstern" stehen daher 700 Terabyte an Speicherkapazitäten zur Verfügung. Sollten diese nicht ausreichen, können weitere externe Datenträger angeschlossen werden. Damit die Wissenschaftler die Daten auch an Land schnell verarbeiten können, werden die Daten bei jedem Austausch der Besatzungen über Bandlaufwerke ins AWI transferiert. Insgesamt rechnen die Experten mit einem Gesamtvolumen von mindestens einem Petabyte, was 1000 Terabyte entspricht.

„Zwar können wir auch in der Arktis auf Satellitenverbindungen zurückgreifen, aber sie reichen nicht aus, um sämtliche Daten zu senden", erklärt Frank Oliver Glöckner, Chef des Bereichs „Data" am AWI. Das Netz geostationärer Satelliten ist in den Polarregionen nur schwer erreichbar, daher bleibt derzeit nur die Kommunikation über das Iridium-System, welches geringe Bandbreiten aufweist.

Ferner muss auch die Dateiverwaltung an Bord des Forschungsschiffs reibungslos funktionieren. So wird sichergestellt, dass sämtliche Messdaten zugeordnet werden können und sich ihr Weg zurückverfolgen lässt. So wird bei jedem eingesetzten Sensor und jedem Messinstrument eine konkrete ID-Nummer vergeben. Geschulte Experten koordinieren die Datenprozesse an Bord.

Die eigentliche Arbeit beginnt für die Wissenschaftler jedoch erst, wenn sie nach der Expedition wieder nach Hause zurückgekehrt sind und sämtliche erhobenen Daten auswerten. Diese Auswertung könne sich mehrere Jahre hinziehen, sagt Glöckner. Im Januar 2023, so steht es in den MOSAiC-Richtlinien, müssen sämtliche Daten veröffentlicht werden und weltweit verfügbar sein. Das ist wichtig, um bestimmte Erkenntnisse aus der MOSAiC-Forschung der Wissenschaftsgemeinde sowie der Öffentlichkeit mitzuteilen – unter anderem in wissenschaftlichen Fachzeitschriften.

„Es ist aber zu erwarten, dass schon vor dieser Frist ein Teil der Daten öffentlich zur Verfügung gestellt wird", sagt Antonia Immerz, Leiterin des MOSAiC-Daten-Teams. So seien weitere Fristen vereinbart worden, an denen Daten vorab den Projektteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch können Daten schneller und leichter mit anderen Messungen verglichen und in Beziehung gesetzt werden.

„Die Forscher haben natürlich ein großes Interesse, möglichst schnell zu veröffentlichen. Allerdings müssen die Rohdaten sorgfältig aufbereitet werden", sagt Immerz. So gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Kalibrierungen der Sensoren sowie die äußeren Bedingungen unterscheiden. Diese Metadaten fließen in die Berechnungen ein und werden in geeigneten Systemen gespeichert.

Um die wissenschaftliche Datenauswertung zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förder-Bekanntmachung veröffentlicht. Sie ist insbesondere an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler adressiert, die wichtige Beiträge zur Auswertung der Daten sowie zur Nutzung dieser Daten in der Klimamodellierung liefern sollen (Link)

„Man braucht die Intelligenz vieler Wissenschaftler, um eine solch große Menge an Daten vernünftig aufzubereiten", betont Glöckner. So werde in vielen wissenschaftlichen Artikeln nur ein Ausschnitt der erhobenen Daten veröffentlicht - der Großteil bleibe verborgen, da die Zeit zur Auswertung fehle. „Daher ist es wichtiger denn je, die Kapazitäten in der Datenauswertung zu bündeln."

Die Vernetzung der digitalen Daten sowie der freie Zugang zu wissenschaftlichen Datenbanken spielt laut Glöckner eine immer größere Rolle. „Vor allem die während der MOSAiC-Expedition erhoben Daten werden eine große Bedeutung für das Verständnis des Klimawandels haben. Daher muss dieses Wissen der gesamten Menschheit zugänglich gemacht werden", sagt er.