Nachwuchsgruppen fördern, Karrierewege ebnen – Chancen ergreifen für eine sozial-ökologische Transformation
Mit den sozial-ökologischen Nachwuchsgruppen fördert das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) wissenschaftliche Karrieren in der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung und an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Um projekt- und jahrgangsübergreifend voneinander zu lernen, Erfahrungen zu teilen und Netzwerke zu bilden, kamen am 22. und 23. Mai 2025 rund 60 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus vier verschiedenen Förderjahrgängen in Kassel zusammen.
Die am Anfang ihrer Karriere stehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Aufgabe zu erfüllen, mit ihren Forschungsergebnissen zugleich ein wissenschaftliches Profil zu entwickeln und einen substantiellen Beitrag zur Nachhaltigkeitspraxis zu leisten. Dass dies mit dem Förderformat der sozial-ökologischen Nachwuchsgruppen des BMFRT sehr erfolgreich gelingt, zeigen unter anderem die Gruppenleiterinnen und -leiter des Förderjahrgangs 2019.
Wissenschaftliche Karriere durch transdisziplinäre Forschung
Viele von den im Jahr 2019 gestarteten Projektleitenden haben mittlerweile eine Professur inne oder sind in anderer Leitungsfunktion im Wissenschaftssystem tätig. So ist Elisabeth Berger, die zu Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen im Gewässermanagement des ariden Draa-Flussgebiets in Marokko forschte, inzwischen an der Hochschule Landshut als Professorin für "Erdsystem, Nachhaltigkeit und Transformation" tätig. Die Nachwuchsgruppe CIMT untersuchte den Einfluss von Bürgerbeteiligung auf Qualität und Legitimität politischer Entscheidungen in der Verkehrswende. Die mit ihr eingerichtete Juniorprofessur von Tobias Escher geht im Oktober in eine ordentliche Professur für Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf über. Zudem ist er im Vorstand des Düsseldorfer Instituts für Internet und Demokratie. Marie Fujitani, die am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) zu tourismusbedingter Abwasserbelastung im globalen Süden eine Gruppe leitete, hat im Nachgang eine inter- und transdisziplinäre Leibniz-Professur mit Tenure Track an der Universität Bremen erhalten. Sophia Becker untersucht die Verkehrswende als sozial-ökologisches Realexperiment. Sie übernahm für einen befristeten Zeitraum von zwei Jahren das Amt der Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit, interne Kommunikation, Transfer und Transdisziplinarität an der Technischen Universität Berlin; ihre in dieser Zeit ruhende Juniorprofessur wurde dieses Jahr positiv zwischenevaluiert. Elisabeth Süßbauer arbeitete mit ihrer Nachwuchsgruppe an systematischen Lösungen für die Verpackungsvermeidung. Sie wirkt im Vorstand der Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Lernen aus der Praxis: Stimmen aus dem Jahrgang 2019
Welche Erfolge den Gruppenleiterinnen und -leitern des Förderjahrgangs 2019 bereits gelungen sind und welchen Herausforderungen sie weiterhin begegnen, reflektierten und diskutierten sie während der Nachwuchsgruppenkonferenz auf dem Podium „Wissenschaftliche Karrierewege mit gesellschaftlichem Impact – Erfolge und Lehren". Sie plädierten unter anderem dafür, Chancen und Möglichkeitsfenster zu nutzen, die sich in der transdisziplinären Zusammenarbeit ergeben. Durch den engen Praxisbezug gebe es häufig Abweichungen vom Antrag, was besonders während der Corona-Pandemie deutlich wurde. Daher sei eine gewisse Flexibilität und ein gutes Risikomanagement wichtig. Beispielsweise eröffnete die Corona-Pandemie auch neue Gelegenheitsfenster, zum Beispiel, um Realexperimente wie Pop-up-Radwege zu testen. Die Diskutantinnen und der Diskutant veranschaulichten zudem die vielfältigen Wirkungsweisen ihrer Forschungsaktivitäten: in der Lehre, in der Verankerung von Transdisziplinarität im Wissenschaftssystem, in der Beratung von Politik und anderen Akteuren sowie durch aufgebaute Kooperationen oder durch reale Veränderungen, zum Beispiel im Straßenraum. Der Forschungsfokus in der sozial-ökologischen Forschung setzt häufig an gesellschaftlichen Konfliktfeldern an. Dies erfordert einen Balanceakt seitens der Forscherinnen und Forscher, die einerseits eine neutrale Beobachterrolle innehaben, gleichzeitig aber häufig von den Praxispartnern um Rat gebeten werden, wie diese mit den Problemlagen umgehen sollen. Forschende müssen aufpassen, dass sie nicht in einen Rollenkonflikt geraten. Die Forscherinnen, die im (außer-)europäischen Ausland Fragestellungen bearbeitet hatten, berichteten darüber hinaus, dass die ausländischen Partner auch großes Interesse an in Deutschland gefundenen Lösungsansätzen zu vergleichbaren Herausforderungen haben.
Lösungsansätze für Gesellschaft und Politik
Die interdisziplinär ausgerichteten Nachwuchsgruppen wirken über das Etablieren und Weiterentwickeln ihrer Forschungsansätze im Wissenschaftssystem hinaus auch in die Praxis. Ein Beispiel bietet Junior-Professorin Dr. Sophia Becker. Sie hat seit 2022 unter anderem das Bundesverkehrsministerium im Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität (EKM) als Vertreterin der Wissenschaft zu Fragen der Klimaneutralität beraten. 2024 wurde sie zudem in den wissenschaftlichen Klimabeirat Brandenburg zur Überprüfung der Fortschritte bei der Erreichung der Klimaziele Brandenburgs berufen. Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die Nachwuchsgruppe MOVEN, die mit der Firma Miele kooperierte, um durch die interaktive Gestaltung von Technik wirksame Strategien und Anreize für die energieeffiziente Nutzung von Waschmaschinen zu entwickeln und zu erproben. Die Nachwuchsgruppe EnSu hat die gängige Energiemodellierung derart erweitert, dass sich nun abbilden lässt, wie sich verschiedene Politikszenarien zur Energiesuffizienz auf den Energieverbrauch auswirken. Die Nachwuchsgruppe REGULATE präsentierte ihre Ergebnisse in Kooperation mit dem Land Hessen bei einem Policy Lunch in Brüssel, sodass ihre Erkenntnisse zur Regulierung von Grundwasser in die neue europäische Wasserrahmenrichtlinie einfließen können. Die Nachwuchsgruppe pane wiederum beschäftigt sich unter anderem damit, wie Menschen in strukturschwachen ländlichen Regionen in Ostdeutschland mittels Praktiken solidarischer Landwirtschaft erreicht werden können. Hierzu wurden Bürgerinnen und Bürger an 15 Standorten zu sogenannten Citizen Scientists ausgebildet, unter anderem um korrekte Bodenbeprobung zu erlernen.
Was sind sozial-ökologische Nachwuchsgruppen?
Bereits seit dem Jahr 2002 fördert das BMFTR sozial-ökologische Nachwuchsgruppen. Karrierepfade im Wissenschaftssystem sind nach wie vor vorwiegend disziplinär ausgerichtet. Für die Lösung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen bedarf es jedoch einer stärkeren Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen und vor allem einer engen Einbindung von Praxiswissen in den Forschungsprozess. Durch die Förderung sozial-ökologischer Nachwuchsgruppen hat das BMFTR bisher rund 280 Doktorandinnen, Doktoranden und Postdocs in 39 abgeschlossenen und aktuell 11 laufenden Projekten mit dem transdisziplinären Forschungsansatz und den hierfür benötigten Methoden und Instrumenten vertraut gemacht. Durch eine ausgezeichnete (Weiter-)Qualifizierung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie die Vorbereitung auf die Übernahme von Leitungs- und Schlüsselfunktionen wird inter- und transdisziplinäres Arbeiten langfristig auch strukturell im Wissenschaftssystem etabliert. Dies wird durch bisher 31 Berufungen von Gruppenleiterinnen und -leitern auf Hochschulprofessuren und 34 Berufungen auf Juniorprofessuren unterstrichen.
Weitere Informationen
• Mehr Informationen zur den Nachwuchsgruppen in der Sozial-ökologischen Forschung des BMFTR • Sie haben Interesse, eine eigene sozial-ökologische Nachwuchsgruppe zu leiten? Skizzen für den nächsten Jahrgang können voraussichtlich wieder im April 2026 eingereicht werden.