Neue Studie: Plastikmüll schmeckt Bakterien nicht

Im Jahr 2050, so prognostizieren Experten, wiegt der Plastikmüll in den Ozeanen mehr als alle Fischschwärme zusammengenommen. Hinzu kommt, dass handelsübliche Kunststoffe als kaum abbaubar gelten, sondern lediglich in kleine Teile zerfallen. Ob Bakterien die Kunststoffabfälle auf längere Sicht vielleicht doch zersetzen, wurde jetzt in einer großen Übersichtsstudie dargestellt. Darin sind auch Ergebnisse zweier Projekte eingeflossen, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA) und den Forschungsschwerpunkt „Plastik in der Umwelt“ gefördert wurden.

Winzig kleine Plastikpartikel finden sich mittlerweile überall in der Umwelt. Sie entstehen nicht nur durch natürliche Prozesse, wenn Sonne, Wind oder Salzwasser die Kunststoffe langsam zerkleinern, sondern werden auch Kosmetikprodukten beigemischt – unter gelangen über Abwässer in Flüsse und Meere. Als Mikroplastik werden diese Teilchen bezeichnet, wenn sie kleiner als fünf Millimeter sind. Und die Ozeane werden damit regelrecht überschwemmt: Forscher haben die Partikel schon in einer Vielzahl von marinen Habitaten entdeckt - die Folgen sind derzeit noch nicht absehbar.

In Meeren herumtreibendes Mikroplastik dient, wie in mehreren Studien der vergangenen Jahre nachgewiesen wurde, auch als Lebensraum für Mikroorganismen, die bevorzugt Oberflächen fester Strukturen besiedeln und Biofilme bilden. In der Meeresforschung stellte sich nunmehr auch die Frage, ob sich auf Mikroplastik spezifische Bakterien anreichern, die womöglich in der Lage sind, Kunststoff abzubauen. Eine neue Übersichtsstudie gibt hier eine klare Antwort: Demnach besiedeln Bakterien zwar die Kunststoffteilchen, bauen sie aber nicht ab, da der Energieaufwand zu groß wäre.

Innerhalb der in der „Annual Review of Marine Science" veröffentlichten Studie wurden Erkenntnisse von Hunderten Publikationen zusammengefasst und vergleichend neu bewertet. Erarbeitet wurde der umfangreiche Review durch die Mikrobiologen Sonja Oberbeckmann und Matthias Labrenz vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Beide Forscher beschäftigen sich aktuell in den vom BMBF geförderten Vorhaben „MICROPOLL" und „MicroCatch_Balt" mit der Verbreitung und Verweildauer von Mikroplastik in der Ostsee. Sie haben ihre Erkenntnisse in die Studie eingebracht.

„Bakterien verfügen in der Natur nicht über das notwendige Enzymbesteck, um Plastik abbauen zu können", sagt Labrenz. Zwar könnten sie theoretisch Energie aus Kunststoffen wie dem sehr energiereichen Polyethylen gewinnen, allerdings müsste der Kunststoff dafür soweit zerkleinert und gelöst vorliegen, dass die Bakterien ihn in die Zelle aufnehmen können. Um dies zu erreichen, müssten Bakterien mehr Energie die Verfügbarmachung von Kunststoff „investieren", als sie später durch die Zersetzung wieder zurückerhalten. „Das ist in evolutionärer Hinsicht unvorteilhaft, daher werden sie wahrscheinlich auch in Zukunft keinen Mechanismus entwickeln, um Plastik verdauen zu können", betont Labrenz.

Gegenteilige Meldungen aus der Wissenschaft, nach denen bestimmte Bakterien in der Lage sind, Plastikmüll zu zersetzen, will der Forscher relativieren. Dies seien zwar Erfolge, aber es handele sich allein um Laborversuche, die sich nicht auf marine Lebensräume übertragen ließen, so Labrenz. Wenn Plastikteile im Meer langsam schrumpfen, sei in der Regel der Einfluss von Sonneneinstrahlung oder mechanische Fragmentierung dafür verantwortlich, nicht jedoch ein biologischer Abbau.

Das Fazit von Oberbeckmann und Labrenz lautet: „Wir sind mit der Herausforderung, das Mikroplastik loszuwerden, weiterhin auf uns alleine gestellt". Daher fordern die beiden Wissenschaftler konsequente Maßnahmen zum Schutz der Meere vor Vermüllung, etwa eine deutliche Reduzierung von Plastikprodukten sowie verbesserte Recyling-Systeme, die weltweit kostengünstig eingesetzt werden können.

Gute Nachrichten erbrachte die Studie aber auch. Die häufig postulierte Annahme, dass sich krankheitserregende Bakterien auf Mikroplastik anreichern könnten, und auf diese Weise besonders weit verbreitet werden, ließ sich nicht erhärten. Die auf Mikroplastik wachsenden Mikroorganismen gehören in der Regel zu jenen Gruppen, die ohnehin im Meer anzutreffen sind. Unter ihnen sind zwar auch schädliche Bakterien, aber nicht in höherer Anzahl als auf Partikeln natürlichen Ursprungs.