Satellitenmission GRACE Follow-On vermisst die Erde

Am 19. Mai 2018 startet die Satellitenmission GRACE Follow-on. Ziel der Mission ist die Vermessung des Erdschwerefelds. Das Schwerefeld gibt Aufschluss über den Verlust der Eismasse in der Arktis und Antarktis und andere Veränderungen im System Erde.

Mit der deutsch-amerikanischen Satellitenmission GRACE-FO (Gravity Recovery And Climate Experiment Follow On), geht die Mission zur Vermessung des Erdschwerefeldes und dessen zeitlicher Änderung in die „Verlängerung“. Von 2002 bis 2017 hatte die Vorgängermission GRACE das Erdschwerefeld extrem präzise kartiert. Die dabei gewonnen Daten helfen beispielsweise dabei, den Verlust von Eismassen oder die Übernutzung von Grundwasservorkommen zu dokumentieren. Nun wird diese wertvolle Messreihe fortgesetzt mit der Mission GRACE-FO, einem gemeinsamen Vorhaben der US-Raumfahrtbehörde NASA und des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, das die deutschen Beiträge leitet. Der Start der beiden von Airbus gebauten Zwillingssatelliten ist geplant für Samstag, 19. Mai 2018, an Bord einer Falcon-9-Rakete von SpaceX von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien. „Dank verbesserter Hard- und Software werden die erhobenen Daten noch genauer sein“, sagt Reinhard Hüttl, Wissenschaftlicher Vorstand des GFZ. „Sie ermöglichen damit, die dynamischen Prozesse im System Erde noch besser zu beschreiben und zu verstehen.“

Das Prinzip der Zwillingssatelliten funktioniert so: Die zwei Satelliten fliegen in einem Abstand von rund 220 Kilometern hintereinander her. Da die Massenverteilung im Erdkörper und auf der Oberfläche unseres Planeten nicht überall gleich ist und die Anziehungskraft eines Körpers von seiner Masse abhängt, werden die beiden Satelliten unterschiedlich stark von der Erde angezogen – je nachdem, wie viel Masse sich unter ihnen befindet. Dies führt zu einer kleinen Änderung des Satellitenabstandes, der bis auf einige Tausendstel Millimeter genau bestimmt wird. Zum Vergleich: Bezogen auf die Strecke Potsdam – Hannover kann eine Längenänderung erfasst werden, die dem Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares entspricht. Als Ergebnis können damit auch geringe Massenunterschiede im System Erde erfasst werden. Da die beiden Satelliten kontinuierlich die Erde umkreisen, können sowohl örtliche als auch zeitliche Änderungen des Schwerefeldes dokumentiert werden.

Pro Tag umkreisen die Doppelsatelliten die Erde 16-mal. „Nach etwa einem Monat haben wir die gesamte Erde abgedeckt und können die Daten nutzen, um das vollständige Erdschwerefeld abzubilden“, erläutert Frank Flechtner, leitender Wissenschaftler der Mission vom GFZ. „Primäres Missionsziel ist die Erstellung globaler monatlicher Schwerefeldkarten. Durch Differenzen zwischen zwei Erdschwerefeldern erhalten wir wertvolle Informationen über den Massetransport im System Erde.“ So habe die Vorgängermission GRACE gezeigt, dass der Eismassenverlust in Grönland zwischen 2002 und 2016 rund 270 Milliarden Tonnen pro Jahr betrug, gut 20 Milliarden Tonnen mehr als zuvor angenommen. „GRACE-FO wird die Entwicklung in Grönland, aber auch in der Antarktis und anderen Eisregionen, weiterhin verfolgen und aktuelle Daten liefern.“

Überdies kann die Mission Veränderungen der Grundwasserstände in großen Becken erfassen – ohne, dass Messungen vor Ort erforderlich sind. Dazu gehören sowohl Verluste, wie sie jüngst in Kalifornien oder im Nahen Osten beobachtet wurden, als auch zunehmende Wassermassen im Untergrund. Dieser Fall ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso spannend, denn ein gut gefüllter Grundwasserleiter hat zur Folge, dass nach ergiebigen Regenfällen weniger Wasser versickert und damit die Überflutungsgefahr steigt. GRACE-FO soll helfen, diese Bedrohung frühzeitig zu erkennen.

Die Messdaten sind auch für den marinen Bereich wichtig. Dort dienen sie etwa dazu, den Meeresspiegelanstieg zu erforschen. Anhand von Schwerefelddaten lässt sich ermitteln, wie groß der Anteil von zusätzlichem Wasser – beispielsweise von schmelzenden Gletschern – an den steigenden Pegeln ist und welcher Anteil auf die wärmebedingte Ausdehnung des vorhandenen Meerwassers zurückzuführen ist. Weiterhin werden die Daten von GRACE-FO herangezogen, um Ozeanströmungen zu erforschen.

Ein weiteres Ziel ist die Messung von Zustandsparametern der Atmosphäre mit Hilfe der sogenannten GPS-Radiookkultation. Die Methode basiert auf dem Umstand, dass die von GRACE-FO empfangenen Funksignale hinter der Erde verschwindender GPS-Satelliten infolge temperatur- und feuchtebedingter Dichteänderungen der Atmosphäre unterschiedlich stark gebrochen werden. Diese Änderungen lassen sich aus den GPS-Signalen, die an Bord der Satelliten aufgezeichnet werden, rekonstruieren. Die Atmosphärenmessungen von GRACE-FO werden vom GFZ mit einer Verzögerung von circa zwei Stunden an verschiedene internationale Wetterzentren geliefert, um deren tägliche Vorhersagen zu verbessern.

Darüber hinaus tragen die Satelliten als Technologiedemonstrator ein neues laserbasiertes System zur Entfernungsmessung (Laser Ranging Interferometer LRI), das am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut Hannover) zusammen mit dem NASA Jet Propulsion Laboratory entwickelt wurde. Dieses kann die Distanz zwischen den zwei Raumfahrzeugen noch genauer bestimmen als bisher: bis auf 80 Nanometer, was etwa dem Durchmesser eines Virus entspricht. Eine deutlich verbesserte Abstandsmessung zwischen den beiden Satelliten bedeutet, dass auch die erhobenen Schwerfelddaten nochmals genauer sind. Die besondere Herausforderung der laserbasierten Messung ist, dass die Laserstrahlen der zwei Satelliten immer auf den jeweils anderen Satelliten gerichtet sein müssen, erklärt Gerhard Heinzel: „Wenn wir das Laser-Interferometer in wenigen Wochen zum ersten Mal testen, müssen wir fünf Freiheitsgrade gleichzeitig treffen“, so der Astrophysiker. „Das konnten wir auf der Erde nicht wirklich testen, weil die Satelliten nun mal im All funktionieren müssen.“

Die beiden GFO-Satelliten wurden wie die beiden GRACE-Satelliten von Airbus in Friedrichshafen gebaut. Der Missionsbetrieb erfolgt durch das Raumfahrtkontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR/GSOC) im Auftrag des GFZ.

Nach einem erfolgreichen Start werden die Raumfahrzeuge zunächst im Orbit schrittweise in Betrieb genommen und für den dauerhaften Einsatz vorbereitet. Für den Sommer rechnen die beteiligten Forscherinnen und Forscher mit ersten wissenschaftlichen Daten. Nach neun Monaten sollen dann die ersten Schwerefeldkarten von GRACE-FO erscheinen. Die Mission ist geplant für eine Dauer von zunächst fünf Jahren, eine Verlängerung ist möglich.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Mission GRACE-FO (Gravity Recovery and Climate Experiment Follow-On) mit mehr als 35 Millionen Euro über eine Laufzeit von sieben Jahren. Die Auswertung der Informationen der Vorgängermission GRACE wurde mit insgesamt 4,6 Millionen Euro von 2001 bis 2011 vom Bundesforschungsministerium gefördert.