SONNE-Expedition zum Jahreswechsel: Forschende untersuchen Schelfgebiete und Fjorde in Mittel- und Südamerika

Kurz vor dem Jahreswechsel ist das Forschungsschiff SONNE in die pazifischen Schelfgebiete Süd- und Mittelamerikas aufgebrochen. In mehrmonatigen Expedition untersuchen Forscherteams den von Menschen verursachten Eintrag von Schadstoffen ins Meer. Zudem werden die Auswirkungen des Sauerstoffmangels auf Stoffkreisläufe in patagonischen Fjordregionen erforscht.

Zwischen dem Starthafen der Expedition, Port Hueneme in den USA, und dem chilenischen Zielhafen des ersten Expeditionsteils, Talcahuano, liegt eine Transitstrecke von knapp 10.000 Kilometern durch offenes Meer. Sie führt entlang einer Küste, die durch zunehmendes Bevölkerungswachstum geprägt ist und damit auch die vorgelagerten Schelfmeergebiete beeinflusst.

„Für uns ist das eine ideale Gelegenheit, unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen Land und Ozean zu untersuchen – sowohl die natürlichen Prozesse, als auch solche, für die der Mensch verantwortlich ist“, sagt Prof. Detlef Schulz-Bull, Leiter der Sektion Meereschemie am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und Leiter des ersten Abschnitts der Expedition, der am 20. Januar endet.

Eine engmaschige Beprobung auf der gesamten Strecke entlang der Pazifikküste soll Aufschluss über Verschmutzungen geben, die durch Flüsse und die Atmosphäre ins Meer gelangen, beispielsweise überschüssige Nährstoffe aus der Landwirtschaft, organische Schadstoffe, Mikroplastik, Medikamente und Hormone. "Wir wollen außerdem besser verstehen, welche Auswirkungen klimatische Veränderungen auf die sensiblen marinen Ökosysteme haben, beispielsweise dadurch, dass sich Wasserschichtungen und Strömungen verändern", führt  Schulz-Bull aus, der von einem Team aus IOW-Forschenden begleitet wird. Ziel sei eine Abschätzung der Risiken, die durch Umweltverschmutzung und Bevölkerungswachstum für die unmittelbare Küstenumwelt entstehen.

Für den zweiten Fahrtabschnitt übernimmt Heide Schulz-Vogt, stellvertretende IOW-Direktorin und Geomikrobiologin die Fahrtleitung. Zusammen mit Forschenden verschiedener Forschungseinrichtungen beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen sauerstoffarmer Bereiche im Ozean beschäftigen. "Unser Expeditionsabschnitt führt uns in zwei sehr unterschiedliche Untersuchungsgebiete, in denen sauerstoffarme oder gar sauerstofffreie Zonen, sogenannte Anoxien, aufgrund natürlicher Prozesse entweder periodisch oder dauerhaft mitten im freien Wasser auftreten", erläutert Schulz-Vogt. "Das bietet eine sehr gute Chance, ihren Einfluss auf die marinen Nahrungsnetze und auf biogeochemische Umsetzungsprozesse zu studieren."

Zielgebiete sind zum einen das küstennahe Schelfgebiet vor der chilenischen Millionenstadt Concepción, in dem windbedingter Auftrieb regelmäßig sauerstoffarmes Tiefenwasser an die Oberfläche transportiert, zum anderen der nahe der chilenischen Südspitze gelegene Fjord Golfo Almirante Montt. „Anoxien gehören ja quasi auch zur Grundausstattung der Ostsee. Bei uns treten sie meist im Tiefenwasser oder direkt über dem Meeresgrund auf, sind nicht unerheblich durch menschliche Aktivitäten mitverursacht und bestimmen in vielfältiger Weise die Ökologie unseres Binnenmeeres", so Schulz-Vogt. Insofern sei es spannend, die unterschiedlichen Systeme zu vergleichen und herauszufinden, welche Muster möglicherweise übereinstimmen.

Anschließend steuert die SONNE das etwas weiter nördlich gelegene, ebenfalls zu Patagonien gehörende Fjordsystem Canal Concepción an. In beiden Untersuchungsgebieten geht es auch um die Frage, wie sich diese sehr unterschiedlichen Fjordregionen nach der letzten Eiszeit entwickelt haben - insbesondere vor dem Hinblick veränderter Strömungsverhältnisse und des  nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstiegs. Um die Entwicklung der Paläoumweltbedingungen zu rekonstruieren, wird die Crew neben hochauflösenden Messungen der ozeanographischen Bedingungen auch Sedimentkerne analysieren. "Ein solcher Blick zurück in die jahrtausendealte Vergangenheit mit ihren klimabedingten Umweltveränderungen hilft uns auch bei der Einschätzung, was die Zukunft möglicherweise für uns bereithält", sagt Schulz-Vogt.

Das 37-köpfige Expeditions-Team des zweiten Fahrtabschnitts ist vom 21.1. bis 21.2.2023 an Bord und wird das Schiff im chilenischen Talcahuano wieder verlassen. Dann übernimmt das GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel das Forschungsschiff für die SONNE-Expedition SO297, um vor der nordchilenischen Küste bis Mitte April verschiedene Untersuchungen im Bereich Plattentektonik und Erdbebenforschung durchzuführen.