Tiefe steuert Vielfalt: Biodiversität am Meeresboden wird maßgeblich von der Wassertiefe bestimmt

Wissenschaftler*innen des Senckenberg Forschungsinstituts haben in einer Studie im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“ die Zusammensetzung der Flachwasser- und Tiefseefauna entlang des Nordwestpazifiks und des Arktischen Ozeans untersucht. Sie zeigen anhand von knapp 19.000 Daten bodenlebender Meerestiere, dass der steuernde Faktor für die Artengemeinschaften die Wassertiefe ist. Die wissenschaftliche Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Projekts BENEFICIAL gefördert.

Das größte Massenaussterben der Erdgeschichte ereignete sich vor etwa 252 Millionen Jahren. Es markiert das Ende des Erdzeitalters Perm und den Beginn der Trias-Epoche. Schätzungen gehen davon aus, dass damals 95 Prozent des Lebens im Ozean innerhalb weniger tausend Jahre verschwanden. "Auslöser dieses verheerenden Aussterbeereignisses waren die damalige Erderwärmung und die mit dem CO2-Anstieg verbundene Ozeanversauerung, die zu einer lebensfeindlichen Umgebung für die Meeresfauna führte", erklärt Dr. Hanieh Saeedi, Erstautorin der Studie vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und gibt zu bedenken: "In Anbetracht der vielen marinen Arten, die in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden ausgestorben sind, sowie der Vorhersagen über ein mögliches zukünftiges Artensterben als Folge der globalen Erwärmung, ist aktuell möglicherweise ein weiteres Massenaussterben in den Meeren im Gange."

Saeedi hat daher mit ihren Kolleg*innen Prof. Dr. Angelika Brandt und Dr. Dan Warren in einer neuen Studie eine grundlegende Bewertung des Biodiversitätsstatus und der Gemeinschaftszusammensetzung der Flachwasser- und Tiefseefauna entlang des Nordwestpazifiks und des Arktischen Ozeans vorgenommen. "Uns hat insbesondere interessiert, welche Umweltfaktoren die Zusammensetzung benthischer, also am Meeresboden lebender, Organismenbeeinflussen", so Saeedi.

Über 11.000 bodenlebende Arten untersucht

Anhand von 18.668 Proben von 11.029 bodenlebenden Arten in bis zu 10.900 Metern Tiefe stellt das Team einen Trend zu abnehmendem Artenreichtum in höheren Breiten und tieferen Gewässern fest, der in den Küstengewässern der östlichen Philippinen seinen Höhepunkt erreicht. "Erstaunlicherweise ist der Hauptfaktor für die Zusammensetzung der Faunengemeinschaften im Nordwestpazifik und den angrenzenden arktischen Meeren die Tiefe und nicht die Temperatur", erläutert die Frankfurter Meeresforscherin. "Darauf folgen die Faktoren Silikatgehalt, Licht und Strömungen."

Die Forscher*innen schlussfolgern in ihrer Veröffentlichung im Fachjournal „Frontiers in Marine Science" , dass verschiedene benthische Gemeinschaften aufgrund spezifischer biologischer, physiologischer und ökologischer Merkmale unterschiedlich auf künftige klimatische Veränderungen reagieren könnten. Internationale Schutzbemühungen und die Erhaltung von Lebensräumen sollten daher einen adaptiven Ansatz verfolgen und Maßnahmen anwenden, welche die Unterschiede zwischen den benthischen Gemeinschaften bei der Reaktion auf künftige Klimaveränderungen berücksichtigen. „Dies wird die Umsetzung geeigneter Schutzmanagementstrategien und die nachhaltige Nutzung der marinen Ökosysteme im Nordwestpazifik und in der Arktis erleichtern – auch um einem Massenaussterben wie an der Perm-Trias-Grenze zuvorzukommen“, betont Saeedi.

Publikation:

Saeedi Hanieh, Warren Dan, Brandt Angelika (2022): The Environmental Drivers of Benthic Fauna Diversity and Community Composition. Frontiers in Marine Science, 9. DOI: 10.3389/fmars.2022.804019