Wärmespeicher im Untergrund tragen zur Energiewende bei

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert ab Juli 2017 insgesamt elf Verbundprojekte zum Thema »Nutzung unterirdischer Geosysteme«. Im Projekt TestUM-Aquifer untersuchen Wissenschaftler, wie sich Gas und Wärme auf das Grundwasser auswirken. Prof. Dr. Andreas Dahmke ist Projektkoordinator und erklärt im Interview, wie er die Auswirkungen von Wärme und Gas auf das Grundwasser erforscht und welche entscheidende Rolle unterirdische Wärmespeicher bei der Energiewende spielen werden.

Herr Dahmke, was hat das Grundwasser mit der Energiewende zu tun?

Da muss ich etwas weiter ausholen: Etwa die Hälfte der Energie, die wir derzeit in Deutschland verbrauchen, gehen in die Wärmeversorgung. Das heißt, wenn wir die Energiewende verwirklichen und uns von fossilen Rohstoffen lösen wollen, dann ist es entscheidend, dass wir Wärme mit Erneuerbaren Energien produzieren. Für Strom haben wir bereits alternative Lösungen gefunden: Der Ausstieg aus der Kohle kann prinzipiell durch Windkraftanlagen in Norddeutschland und durch Photovoltaik in Süddeutschland ausgeglichen werden. Die Frage ist aber, wie man Nordrhein-Westfalen weiterhin mit Wärme versorgen kann. Bisher wird fast ganz NRW mit der Abwärme aus den Kohlekraftwerken versorgt. Wenn die Abwärme wegfällt, brauchen wir neue Lösungen für Ballungszentren. Unser Ansatz ist, dass wir saisonale unterirdische Wärmespeicher einsetzen wollen. Saisonal bedeutet, dass wir im Sommer Wärme im Überfluss haben, die wir gar nicht verwenden können. Im Winter haben wir den Wärmebedarf. Wir brauchen also Wärmespeicher mit sehr großer Speicherkapazität. Der Untergrund bietet diese Potentiale: So kann man Grundwasserleiter, die nicht für die Trinkwasserversorgung benötigt werden, im Sommer mit Sonnenenergie erhitzen und die Wärme bis zum Winter im Untergrund speichern. Ich möchte aber betonen, dass sich solche saisonalen Wärmespeicher nach den bisherigen numerischen Untersuchungen nur einen vergleichsweise geringen Anteil am unterirdischen Raum benötigen. Der Großteil des Grundwassers bleibt unangetastet.

Ich bin deshalb davon überzeugt, dass diese Wärmespeicher bei der Energiewende eine riesige Bedeutung bekommen. Die meisten Menschen leben bereits in Städten, das Potential ist also enorm. Aus meiner Sicht ist das eine hochgradig spannende Herausforderung, die wir international angehen sollten, denn in den niederen Breiten würde es auch Sinn machen, Kälte unterirdisch zu speichern.

Ihre Idee ist also, das Grundwasser an die Oberfläche zu holen und es oberirdisch mit Sonnenenergie zu erhitzen. Wie funktioniert das genau?

Nicht ganz, denn es gibt grundsätzlich zwei eigentlich schon sehr lang erprobte Verfahren, um Wärme im Untergrund zu speichern:. Bei den sogenannten offenen Systemen, die auch als Aquiferspeicher bezeichnet werden, entnimmt man tatsächlich während der Einspeicherphase aus einem Bohrloch Grundwasser, um es oberirdisch solarthermisch oder durch andere Wärmequellen wie überschüssige Prozesswärme bei industriellen Anlagen aufzuheizen und dann über einen weiteren Brunnen, der in einer gewissen Distanz zum Entnahmebrunnen liegt, wieder in den Grundwasserleiter zu injizieren. In der Ausspeicherphase kehrt man dann die Fließrichtung um und entnimmt über Wärmetauscher die gespeicherte Wärme.

Bei geschlossenen Verfahren bringt man über Bohrungen die Wärmetauscher, in der Regel U-Rohre, direkt in den geologischen Untergrund ein. Die Verfahren der Wärmespeicherung sind im Prinzip schon lange erprobt, neu sind im Wesentlichen die Temperaturbereiche von bis zu 80°C, die wir untersuchen wollen, da diese für die effiziente Nutzung von Wärmepumpen bei der Wärmeversorgung von Ballungsräumen große Vorteile besitzen.

Auch im Reichstagsgebäude kommen unterirdische Wärmespeicher schon zum Einsatz: Dort wird heißes Wasser in poröses Gestein in etwa 300 Meter Tiefe gepumpt und unter dem Reichstagsgebäude gespeichert, bis es im Winter benötigt wird.

[[22477_r]] Im Forschungsprojekt TestUM-Aquifer werden Sie einerseits untersuchen, wie sich Wärme auf das Grundwasser und auf das erhitzte Gestein auswirkt. Andererseits untersuchen Sie, wie sich Gas im Untergrund bewegt. Warum ist das für die Wärmespeicherung von Bedeutung?

Wenn das Grundwasser mit Gasen wie zum Beispiel Kohlendioxid oder Methan gesättigt ist und man das Wasser erwärmt, perlt das Gas aus – das kennen wir von Mineralwasserflaschen. In warmem Wasser kann nämlich nicht so viel Gas gelöst werden wie in kaltem. Das Gas wird also aus dem Wasser freigesetzt und bewegt sich dann durch das Grundwasser und kann dazu führen, dass sich die hydraulischen Bedingungen oder die thermische Leitfähigkeit verändern. Im Gelände möchten wir testen, ob wir vorhersagen können, wie sich das Gas im Untergrund bewegt und welche Auswirkungen gerade im Hinblick auf die unterirdische Wärmespeicherung damit gegebenenfalls verbunden sind.

Diese Vorhersage ist unabhängig von Wärmespeichern auch wichtig, um zum Beispiel bei einer zerplatzten Gasleitung im Voraus sagen zu können, wie sich das Gas im Grundwasser verhalten wird und wie man den Gastransport überwachen kann. Dafür möchten wir entsprechende Konzepte und Methoden entwickeln, um Gefahren für die Umwelt zu vermeiden.

In Brandenburg in der Nähe von Wittstock liegt ihr Testfeld – eine Wiese, auf der einige Container mit Messgeräten stehen. Unter der Wiese befindet sich Grundwasser in wenigen Metern Tiefe. Wie kann ich mir Ihre Forschung auf dem Testfeld vorstellen?

Im ersten Jahr unserer Untersuchungen werden wir zunächst unser Testfeld entwickeln, das heißt dass wir über viele Bohrungen und Messungen ein geologisch-hydraulisches Modell erarbeiten und die Ausgangsituation der natürlich ablaufenden hydraulischen und biogeochemischen Prozesse im geologischen Untergrund unseres Testfeldes erfassen. Diese genaue Charakterisierung ist ausgesprochen wichtig, um die möglichen und meist nur geringen Veränderungen in Folge der Feldexperimente überhaupt erfassen zu können. Im zweiten Jahr werden wir grundlegende Untersuchungen zum Transport von in natürlichen Geosystemen dominierenden Gasen wie Stickstoff (N2), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Wasserstoff (H2) und dem Gasgemisch „Luft durchführen. Dafür werden wir einige dann installierte Bohrungen nutzen, um geringe Mengen Gas in den Untergrund zu injizieren und dann die Ausbreitung der Gase in freier und gelöster Form untersuchen. Auf Grundlage dieser Untersuchungen werden wird dann unsere Feldexperimente zur Wärmespeicherung mit höheren Temperaturen konzipieren. Obwohl die Zeit bei der Umsetzung der Energiewende gerade auf dem Wärmemarkt drängt, gilt hier Gründlichkeit vor Eile, auch wenn die Auswirkungen auf die Umwelt auf dem Testfeldgelände sehr klein und nach den bisherigen experimentellen Labor-Ergebnissen zudem reversibel sein werden.

Herr Dahmke, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen ein erkenntnisreiches Forschungsprojekt.