Weltstädtetag: Wie Forschung und aktuelle Daten Städte widerstandsfähiger gegen Hochwasser machen
Forschende im Projekt FloodAdaptVN untersuchen, wie sich Hochwasserrisiken in der Stadt Huế in Zentralvietnam verändern, um zukünftig Stadtplanerinnen und -planer beim nachhaltigen Hochwasser-Risikomanagement zu unterstützen.
Der Weltstädtetag am 31. Oktober 2025 hat in diesem Jahr das Motto: „Intelligente Städte, in deren Mittelpunkt der Mensch steht“ (Englisch: „People-centered Smart Cities“). Damit liegt der Fokus auf einer klimaresilienten, nachhaltigen Stadtplanung und -entwicklung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Wie Städte ihre Einwohner am besten vor Überflutungen schützen
In Zeiten des Klimawandels stehen viele Städte weltweit vor allem vor der Herausforderung, die Menschen vor den Auswirkungen zunehmender Extremwetterereignisse, wie Hitze, Starkregen und Überschwemmungen zu schützen. Auch in Deutschland sind Küstenstädte, wie etwa Hamburg, Flensburg und Rostock, in den letzten Jahren noch häufiger von Sturmfluten betroffen. Die großen Überschwemmungskatastrophen im Ahrtal und im Saarland haben gezeigt: Es müssen dringend zukunftsorientierte Gegenmaßnahmen umgesetzt werden, um weitere Schäden zu vermeiden bzw. abzumildern. Daher haben deutsche Forschende gezielt national und international nach einem Austausch von Erfahrungswissen zu schweren Überschwemmungen gesucht.
Zentralvietnam: Eine Region mit immer häufigeren und stärkeren Überflutungen
So ist beispielsweise Zentralvietnam im Monsun regelmäßig und zunehmend von besonders starken Überschwemmungen betroffen, die zu Schäden an Infrastruktur, Landwirtschaft und Wohngebieten führen. Ursachen sind auch hier die Folgen des Klimawandels, wie intensivere tropische Tiefdruckgebiete und häufiger aufeinander folgende Taifune. Durch die katastrophalen Überschwemmungen und Erdrutsche im Herbst 2020 haben in Zentralvietnam insgesamt mehr als 290 Menschen ihr Leben verloren, über 100.000 Hektar landwirtschaftliche Anbauflächen wurden zerstört. Die Aufarbeitung dieser Katastrophen hat in Zentralvietnam inzwischen beachtliches Erfahrungswissen und praktische, kostengünstige Lösungsansätze hervorgebracht, die Forschenden aus Deutschland bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zugute kommen.
Internationaler Austausch zu ökosystembasiertem Hochwasserschutz
Das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderte Verbundprojekt FloodAdaptVN aus der Fördermaßnahme „Sustainable Development of Urban Regions (SURE)“ forscht an Lösungen, die sowohl in Vietnam als auch in Deutschland Städte wirksamer vor Überschwemmungen schützen können. Dabei liegt der Fokus auf möglichen ökosystembasierten Lösungen, wie etwa Agroforstwirtschaft an Flussufern oder ein spezifisches Forstmanagement, für das Hochwasserrisikomanagement sowie die Erstellung von Hochwasserrisikoszenarien für die risikoinformierte Stadtplanung.
Die Integration von ökosystembasierten Ansätzen in das Hochwasserrisikomanagement
Ziel des Projekts FloodAdaptVN ist es, wissenschaftlich fundierte Ansätze für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement und eine klimaresiliente Stadt- und Regionalplanung exemplarisch in der vietnamesischen Stadt Huế zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Das interdisziplinäre Konsortium aus deutschen und vietnamesischen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Behörden verbindet dafür naturwissenschaftliche, technologische und sozioökonomische Ansätze, um die derzeitigen und zukünftigen Risiken zu erfassen und wirksame Anpassungsstrategien in die Stadtplanung zu integrieren.
In der Forschungs- und Entwicklungsphase von 2021 bis 2025 wurden dafür entscheidende Grundlagen geschaffen. Dazu wurde als erstes eine umfassende Geodatenbasis zur Landnutzung, Siedlungsentwicklung, vergangenen Hochwasserereignissen und vorhandenen Ökosystemen erstellt.
Neues Risiko-Informationssystem FRAME erstellt raumbezogene Analysen und Szenarien zu Überschwemmungen
Darüber hinaus hat das Projekt FloodAdaptVN umfangreiche Haushaltsbefragungen zur Erfassung von Vulnerabilität, Risikowahrnehmung und Anpassungskapazitäten in Huế durchgeführt. Dazu wurden beispielsweise Fragen gestellt, wie: „Wie waren Sie und Ihr Eigentum bei vergangenen Hochwasserereignissen betroffen?“ „Welche Möglichkeiten haben Sie, sich selbst auf Hochwasserereignisse vorzubereiten, bzw. sich anzupassen?“
Das Team von FloodAdaptVN hat des Weiteren künftige Siedlungs- und Hochwasserszenarien unter Berücksichtigung von klima- und sozioökonomischen Entwicklungen digital modelliert, damit die Stadtverwaltungen eine bessere Planungsbasis bekommen. Jetzt erfolgt die Entscheidungsunterstützung durch das digitale Risiko-Informationssystem FRAME.
Schließlich wurden bis 2025 die planerischen und institutionellen Rahmenbedingungen für eine Integration von Klimaanpassung und Katastrophenrisikominderung in bestehende Verwaltungsstrukturen und Entscheidungsprozesse erforscht und Empfehlungen dafür zusammengestellt.
Die konkreten Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsphase haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in mehreren Berichten zusammengefasst. Diese Berichte sind auf der Projektwebseite von FloodAdaptVN frei herunterladbar.
Start der Implementierungsphase – von der Forschung in die Praxis
In der nun gestarteten Implementierungsphase (2025–2027) gilt es, die neu entwickelten Ansätze für ein Hochwasserrisikomanagement in die Praxis der Entscheidungsprozesse zu überführen: „Dabei fokussieren wir uns auf die institutionelle Verankerung und den Betrieb des Informationssystems FRAME sowie der projektbasierten Informationsprodukte in der Huế-University und in den lokalen Behörden. Damit wollen wir die risikoinformierte Entscheidungsunterstützung in Planungsprozesse integrieren, beim Kapazitätsaufbau lokaler Akteure unterstützen sowie den Wissenstransfer auf andere Provinzen Zentralvietnams ausweiten“, erklärt Dr. Felix Bachofer, Koordinator des Projekts vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Dazu erklärt die vietnamesische Kooperationspartnerin Prof. Dr. Nguyen Hoang Khanh Linh, Huế University: „Die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit mit FloodAdaptVN hilft unseren Städten dabei, sich effektiver an zukünftige Hochwasserereignisse anzupassen. Die lokalen Behörden in Vietnam schätzen vor allem die technische Unterstützung sowie den Austausch von Fachwissen über den Ausbau der Infrastrukturen, die Verbesserung von Katastrophenszenarien und die Umsetzung nachhaltiger Managementmodelle. Damit können wir unsere Infrastrukturen besser an die Hochwasserrisiken anpassen".
Ein wichtiges Ziel von FloodAdaptVN ist es, in der Umsetzungsphase die Ergebnisse des Projekts sowie die Erfahrungen vietnamesischer Stakeholder mit der Hochwasseranpassung in den deutschen Diskurs einzubringen. Darüber hinaus wird die Kooperation mit internationalen Partnern ausgebaut, um weitere Synergien zu schaffen und die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse zu sichern.
Das Projekt FloodAdaptVN leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Klima- und Hochwasserresilienz in Vietnam und in Deutschland.
Das BMFTR fördert das Forschungsprojekt in den kommenden zwei Jahren mit insgesamt 1,6 Millionen Euro.