Wie können unsere Städte energieeffizienter werden?

Beim interaktiven Workshop „Energiewende in Städten & Quartieren“ zeigten Wissenschaftler, wie sie als Praxispartner den Kommunen helfen, energieeffiziente Quartiere zu schaffen. Dafür haben Projekte aus zwei Förderbekanntmachungen das Publikum an ihren Erfahrungen und Plänen für die Energiewende in der Stadt teilhaben lassen.

35 Prozent des Endenergieverbrauchs entstehen in den Gebäuden in Deutschland, etwa drei Viertel davon ist Wärme. Die Forschungsförderung bringt die Energie- und Wärmewende in Gebäuden und Quartieren voran. Neue Ideen entstehen dabei im Austausch zwischen Wissenschaftlern und Praktikern aus den Städten, wie Nils Lerche vom BMBF beim 14. Forum für Nachhaltigkeit (FONA) in Leipzig betonte.

Rückblick- Von guten Beispielen lernen

Delitzsch und Essen haben beide im BMBF-Wettbewerb „Energieeffiziente Stadt” eine fünfjährige Förderung gewonnen, von 2011-2016. Sie zeigten, wie sie gemeinsam mit den Bürgern Effizienzkonzepte entwickelt und umgesetzt haben und welche Maßnahmen den Praxistest bestanden haben. 

Für Jürgen Uhlig, der die Stadt während des Wettbewerbs begleitet hat, war durch die Förderung des BMBF in Delitzsch ein „Experimentierfeld” möglich. Bürgerinnen und Bürger konnten mit ins Boot geholt werden, indem die Stadt gezielt Multiplikatoren auswählte. Handwerker erwiesen sich bei der Energieeffizienz beispielsweise als die perfekten Partner: „Handwerker sind die Ansprechpartner des Vertrauen bei Fragen rund um die Heizung und Wärmedämmung. Sie haben die Bürger erreicht und so die Akzeptanz für energieeffiziente Lösungen gestärkt.” Besonders stolz sei man in Delitzsch darauf, dass die Stadt während des Wettbewerbs den „European Energy Award” gewann.

Auch für Kai Lipsius, der das Projekt in Essen geleitet hat, war die Förderung sehr gewinnbringend: „So konnten Ideen und Menschen zusammengebracht und die Nachhaltigkeit und Energiewende zum Stadtthema gemacht werden.” Dass Essen auch in der Umsetzung hervorragende Ergebnisse erzielt hat, bescheinigt die Auszeichnung zur „Grünen Hauptstadt Europas 2017”.

Beim anschließenden „Speed-Dating” war Interaktion gefragt. Die Teilnehmer des Workshops lernten die Gewinnerstädte Stuttgart, Delitzsch, Essen und Wolfhagen aus dem Wettbewerb „Energieeffiziente Stadt” in kurzer Zeit kennen und befragten sie zur ihren Erfahrungen, Lösungen und Herausforderungen.

Ausblick - Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt” von BMBF und BMWi

Im zweiten Teil des Workshops stellten sich die sechs Leuchtturm-Projekte der ressortübergreifenden Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt” vor. Sie haben erst vor kurzem ihre Arbeit aufgenommen. Die Förderinitiative wird vom BMBF und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Andrea Ulbrich vom BMWi freute sich über die gute Kooperation der Ministerien und kündigte an, dass „auch zukünftig ein reger Austausch und Zusammenarbeit zwischen BMBF und BMWi stattfinden wird.” Nils Lerche ergänzte, dass man sich sehr über die große Resonanz zur Förderbekanntmachung gefreut habe. Eine Gemeinsamkeit, die alle sechs Vorhaben eint, sei der Fokus auf die Sektorkopplung.

Einblick - Ambitionierte Stadtquartiere für die Zukunft

Einen Einblick in die sechs geförderten Projekte bot die Podiumsdiskussion. Vertreter der Quartiers-Projekte aus den Städten Esslingen, Heide, Kaiserslautern, Oldenburg, Stuttgart/Überlingen und Zwickau hatten die Gelegenheit Erfahrungen aus erster Hand gegenseitig auszutauschen und sich dem Publikum vorzustellen. 

So steht man in Esslingen beispielsweise vor der Herausforderung, dass andere Planungen der Stadt, wie beispielsweise der Bebauungsplan, schon weit vorangeschritten sind. Daraus resultieren klare strukturelle Vorgaben. Katja Walther, verantwortlich für den Klimaschutz in Esslingen: „Das Projekt muss sehen, dass es hinterher kommt.” Sven Leonhardt aus Zwickau ergänzte: „Es ist wichtig, dass die lokalen Rahmenbedingungen immer berücksichtigt werden.” Auch Stuttgart kennt diese Herausforderung. Dort spiele auch die Wohnungsknappheit eine entscheidende Rolle, erklärte Jürgen Görres: „Stuttgart muss hier einen Spagat zwischen verschiedenen Ansprüchen schaffen.” Damit in Kaiserslautern ein CO2-freies Quartier realisiert werden kann, müsse man auch auf die Erfahrungswerte aus den anderen Projekten zurückgreifen können, um voneinander zu lernen, betonte Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer ISE.

Akzeptanz ist für Ulf Stecher, den Bürgermeister aus Heide, essentiell für das Gelingen des Projektes. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden, kann das Projekt ein Erfolg werden. Kürzlich hätte ein Bürger ihn im Supermarkt gefragt, was nun mit den Fördergeldern in Höhe von 24 Millionen Euro gebaut werde. Deshalb ist es für ihn wichtig, dass „der Mehrwert des Projektes für alle spürbar und erlebbar ist.” Damit das gelingt, so erklärte Stefan Gößling-Reisemann, will man in Heide Informationsangebote direkt vor Ort für die Bürger etablieren. Ihm ist es wichtig, dass „die Menschen dort angeholt werden, wo sie sind”. Bei einem ist er sich sicher: „Wenn wir die Energiewende in einem so heterogenen Quartier wie Heide schaffen, dann ist es sie auch überall anders möglich.” Stecher ergänzte, dass er sich dafür von der Politik wünscht, dass die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass man in der Umsetzung flexibler ist.
Auch in Oldenburg ist die Akzeptanz in der Bevölkerung ein entscheidender Faktor. Durch ‚Gamification' wird unter anderem versucht, das Thema für die Bürgerinnen und Bürger spielerisch erlebbar zu gestalten, berichtete Sven Rosinger.

Der Workshop schaffte eine Plattform für einen Austausch zwischen den Projekten. Sie wollen sich noch stärker untereinander verknüpfen. Eine Vertreterin des Projekts in Heide kündigte bereits an, dass man demnächst nach Delitzsch und Wolfhagen fahren wolle, um zu sehen, wie die Umsetzung dort funktioniert hat, um von diesen Erfahrungen noch mehr zu profitieren.


Referenten Teil 1
Jürgen Uhlig, Kommunalentwicklung Mitteldeutschland GmbH
Kai Lipsius, Stabsstelle Klimaschutz, Stadt Essen
Kilian Stroh, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE
Dr. Jürgen Görres, Landeshauptstadt Stuttgart - Amt für Umweltschutz
Dr. Manfred Wilde, Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch
Dipl.-Ing. Michael Joost, Stadt Wolfhagen

Referenten Teil 2
Dr. Jürgen Görres, Landeshauptstadt Stuttgart - Amt für Umweltschutz
Prof. Dr. Stefan Gößling-Reisemann, Universität Bremen
Dr.-Ing. Sven Rosinger, OFFIS e.V. Gerhard Stryi-Hipp, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Sven Leonhardt, Dezernat Bauen – Stadt Zwickau
Dipl. jur. Ulf Stecher, Bürgermeister der Stadt Heide (SH)
Dr. Katja Walther, Stadt Esslingen am Neckar - Stadtplanungs- und Stadtmessungsamt

Moderation: Carola Sonnet, Projektträger Jülich