Neue Studie: Tiefseebergbau führt zu langfristigen Störungen der Ökosysteme

Die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus werden seit Jahren von internationalen Wissenschaftlerteams untersucht, unter anderem in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten europäischen Verbundprojekt „MiningImpact“. Eine aktuelle Studie zu diesen Forschungsarbeiten zeigt, dass der Abbau von Manganknollen die Ökosysteme am Meeresboden langfristig schädigen würde.

Es war ein einzigartiges Experiment: Eine Expedition im Jahr 1989 führte eine Gruppe deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weit auf den Pazifik, 3000 Meter von der Küste Perus entfernt. Ziel war ein Testgebiet in einem Tiefsee-Becken. Mit speziellem Gerät wurde in 4000 Metern Tiefe der Meeresboden auf einer Fläche von rund elf Quadratkilometern umgepflügt, die dort liegenden Manganknollen entfernt und viel Sediment aufgewirbelt. Das Forscherteam wollte auf diese Weise den Manganknollenabbau simulieren.

Das damalige Experiment dient der Wissenschaft dazu, die langfristigen Folgen dieses massiven Eingriffs für die Ökosysteme zu untersuchen. Bislang fanden mehrere Forschungsfahrten in das sogenannte DISCOL-Gebiet statt, vor allem im Rahmen der vom Bundesforschungsministerium geförderten europäischen JPI Oceans Projekte „Ecomining" und „MiningImpact". Mit Hilfe autonomer Unterwasserfahrzeuge entstanden hochauflösende Karten des Meeresbodens, ebenso wurden Tausende Proben genommen.

Die bisherigen Erkenntnisse sind alarmierend: Die während der Forschungsfahrten erhobenen Daten belegen, dass der großflächige Abbau von Manganknollen den Meeresboden für einen langen Zeitraum verändern würde. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die dort vorkommenden Meeresbewohner auf die Knollen als Substrat angewiesen sind und somit nach einer Störung langfristig im Ökosystem fehlen. Auch die Pflugspuren sind selbst auf jüngeren Aufnahmen des Meeresbodens noch deutlich zu erkennen.

Eine gemeinsame Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPIMM) sowie des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat jetzt zusammen mit weiteren Meeresforschungsinstituten eine neue Studie zu möglichen Folgen des Tiefseebergbaus veröffentlicht. Das Forscherteam untersuchte im Rahmen von „MiningImpact" die kleinsten Meeresbodenbewohner und ihre Ökosystemfunktion. Ihre Ergebnisse präsentieren sie im Fachmagazin Science Advances.

So tief unten, fernab von den starken Strömungen an der Meeresoberfläche, war es für das Wissenschaftlerteam wenig überraschend, dass selbst kleinräumige Spuren des DISCOL-Experiments noch zu erkennen waren. „Aber auch die biogeochemischen Bedingungen hatten sich nachhaltig verändert", betont Antje Boetius, Direktorin am AWI und damalige Leiterin der Forschungsgruppe am MPIMM. Das liegt daran, dass die oberste, aktive Sedimentschicht aufgewirbelt und von den Strömungen davongetragen wurde.

In den so beeinträchtigten Gebieten können die mikrobiellen Bewohner das auf den Meeresboden „regnende" organische Material nur noch eingeschränkt verwerten. Damit büßen sie eine Schlüsselfunktion für das Ökosystem ein. Verglichen mit ungestörten Flächen waren die Raten verschiedener mikrobieller Prozesse auch nach einem Vierteljahrhundert um drei Viertel verringert. Die Mikroben könnten sich nach Ansicht des Forscherteams daher als frühe Anzeiger für Schädigungen durch den Knollenabbau eignen.

Zugleich erklären die Autoren der Studie, dass sämtliche Abbautechnologien für Manganknollen, die aktuell entwickelt werden, zu einer massiven Störung des Meeresbodens bis in eine Tiefe von mindestens zehn Zentimetern führen würden. Ein kommerzieller Tiefseebergbau würde Hunderte bis Tausende Quadratkilometer Meeresboden pro Jahr betreffen. Entsprechend groß seien daher die zu erwartenden Schäden, und entsprechend schwieriger wäre es für das Ökosystem sich zu erholen, wie die Forscher betonen.

„Bisher haben sich nur wenige Studien mit den Störungen der biogeochemischen Funktion von Tiefseeböden durch Bergbau beschäftigt", erklärt Boetius. „Mit der vorliegenden Studie leisten wir einen Beitrag zur Entwicklung von Umweltstandards für den Tiefseebergbau und zeigen die Grenzen auf, die der Erholung des Meeresbodens gesetzt sind. Ökologisch nachhaltige Technologien sollten unbedingt vermeiden, die dicht belebte und bioaktive Oberflächenschicht des Meeresbodens zu entfernen."

Tiefseebergbau

Metallhaltige Knollen und Krusten bedecken viele Tausend Quadratkilometer des weltweiten Tiefseebodens. Sie enthalten vor allem Mangan und Eisen, aber auch Nickel, Kobalt und Kupfer sowie einige Metalle der seltenen Erden. Da sich diese Ressourcen an Land durch den zunehmenden Bedarf in der High-Tech-Industrie verknappen, sind die Lagerstätten im Meer wirtschaftlich sehr interessant. Erste Pläne zum Abbau von Manganknollen aus der Tiefsee gab es schon in den 1970er Jahren, die jedoch nie über Pilotversuche hinauskamen. Als Folge dieser Aktivitäten in internationalen Gewässern wurde 1994 auf Grundlage des Internationalen Seerechtsabkommens die Internationale Meeresbodenbehörde ISA gegründet. Sie verwaltet den gesamten Meeresboden außerhalb der 200-Meilen-Zone einzelner Staaten. Die Behörde hat bisher Regularien für die Erkundung der Rohstoffvorkommen verabschiedet, nicht jedoch für den Abbau selbst. Die zukünftigen Regeln für den Tiefseebergbau, den Mining Code, werden auf internationaler Ebene noch diskutiert.