SONNE-Expedition: Forschende untersuchen Umweltschäden durch Manganknollenabbau

Wenn in Zukunft große Maschinen die rohstoffreichen Manganknollen vom Ozeanboden sammeln, wie stark würde dies die Ökosysteme in der Tiefsee verändern? Dieser Frage gehen Forschende im internationalen Projekt MiningImpact nach. Bis Anfang 2023 ist ein internationales Wissenschaftlerteam mit dem Forschungsschiff SONNE im Nordpazifik unterwegs - sie untersuchen die Umweltauswirkungen des ersten industriellen Kollektortests.

Der Meeresboden unseres Planeten beherbergt große Vorkommen an Erzen. Diese enthalten gleich mehrere begehrte Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän sowie seltene Erden, die unsere Gesellschaft für High-Tech Produkte und für Technologien der Energiewende benötigt. Wirtschaftsanalysen prognostizieren daher bis 2050 einen stark steigenden Bedarf an diesen Metallen, der durch herkömmlichen Bergbau an Land oder aufgrund geopolitischer Krisen unter Umständen nicht ausreichend gedeckt werden kann.

Immer mehr Staaten und Firmen bekunden daher Interesse, Rohstofflagerstätten in der Tiefsee zu untersuchen und möglicherweise zu erschließen. Zu diesen Lagerstätten gehören auch die Manganknollenfelder in der Clarion Clipperton Zone im zentralen Pazifik. Da der Meeresboden dort auf halber Strecke zwischen Mexiko und Hawaii nicht in den Hoheitsgewässern oder der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Staates liegt, wird er von der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA in Kingston, Jamaika verwaltet. Die Grundlage dafür ist das Internationale Seerechtsabkommen UNCLOS.

Insgesamt hat die ISA weltweit bisher 31 Lizenzgebiete zur Erkundung mineralischer Ressourcen am Meeresboden – Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten – vergeben. Gleichzeitig hat die Meeresbodenbehörde auch die Aufgabe, die Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch die Nutzung der Ressourcen bewahren. Hierfür entwickelt sie seit einigen Jahren eine entsprechende internationale Gesetzgebung, den Mining Code. Dieses Regelwerk soll bis Juli 2023 vorliegen.

Wichtige wissenschaftliche Grundlagen für den Mining Code liefert das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt "JPIO MiningImpact". Im Rahmen des Forschungsvorhabens mit Beteiligung von acht europäischen Staaten fanden seit 2015 bereits mehrere Expeditionen zu den Manganknollenfeldern im Pazifik statt. Eine weitere Fahrt mit dem Forschungsschiff SONNE, die Expedition SO295, führt die Forschenden aktuell in die Clarion-Clipperton Zone. Dort befinden sich Lizenzgebiete der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und des belgischen Unternehmens Global Sea Mineral Resources NV.

Die Forschenden erfassen vor Ort die Auswirkungen eines industriellen Abbautests im Frühjahr 2021, bei dem der Prototyp eines Manganknollen-Kollektors getestet wurde. Auf Zehntausenden Quadratmetern wurde dort die obere Schicht des Meeresbodens abgetragen. Dabei kommen die GEOMAR Tauchroboter ROV Kiel 6000 für Probennahmen und AUV Abyss für hochauflösende Bilder des Meeresbodens zum Einsatz. Die Daten sollen Hinweise dazu liefern herausfinden, wie stark und dauerhaft Ökosysteme am Ozeanboden durch den Rohstoffabbau geschädigt werden.

„Unsere wissenschaftlichen Untersuchungen während des Kollektortests haben bereits gezeigt, dass mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurde“, erläutert Dr. Matthias Haeckel, Biogeochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator des Projektes MiningImpact. In der Wassertiefe von 4.000 bis 6.000 Metern, in der Manganknollen vorkommen, baut sich diese Schicht durch das Absinken von abgestorbenem Plankton erst wieder in einem Zeitraum von  10.000 bis 20.000 Jahren auf. Darüber hinaus entsteht beim Abbau eine sogenannte Sedimentwolke, die sich auf dem Meeresboden auch außerhalb der Abbauflächen ablagert.

„Dadurch wird eine deutlich größere Fläche geschädigt. Und die Auswirkungen sind langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben“, ergänzt Dr. Felix Janßen, Co-Fahrtleiter und Wissenschaftler in einer gemeinsamen Tiefsee-Forschergruppe des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Damit die Nutzung von Manganknollen ökonomisch sinnvoll ist, müsste eine einzelnes industrielles Abbauvorhaben zwischen 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche pro Jahr umpflügen.
 
Manganknollen kommen auf dem Meeresboden in allen Ozeanen vor und bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre. Die etwa kartoffelgroßen Knollen aus Mangan- und Eisenoxiden sind von spezifischen Arten von Tiefseeorganismen besiedelt, wie Schwämmen, Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken, die auf dem weichen Tiefseeboden nicht vorkommen. „Aber auch im weichen Tiefseesediment leben Hunderte von Arten, wie  Schlangensterne, Würmer und Muscheln, die durch den Manganknollenabbau beinträchtigt werden. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt.“, betont Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Leiter des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg.

Projekt MiningImpact

Das Projekt MiningImpact untersucht ökologische Auswirkungen des  Abbaus von Manganknollen in der Tiefsee. An der zweiten Phase des internationalen Forschungsvorhabens sind 30 Partnerinstitute aus insgesamt acht europäischen Ländern beteiligt. Es wird am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert. Die Finanzierung erfolgt aus den einzelnen Partnerländern über die Joint Programming Initiative „Healthy and Productive Seas and Oceans" (JPI Oceans) der Europäischen Union. Der deutsche Anteil wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung getragen. Die jetzt stattfindende Expedition SO295 ist die fünfte Forschungsfahrt im Rahmen des Projekts.