Informieren, beraten, sensibilisieren – unterwegs mit dem KAHR-Infomobil für mehr privaten Hochwasserschutz und Eigenvorsorge

Wie kann ich mein Eigentum vor Hochwasser und Starkregen schützen? Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte KAHR-Projekt berät in NRW und Rheinland-Pfalz Bürgerinnen und Bürger, die von der Flutkatastrophe 2021 betroffen waren.

„Das Hochwasser hat uns komplett unerwartet und unvorbereitet getroffen. In den Nachrichten am Vortag war von großen Regenmengen die Rede, das klang zwar viel, aber längst nicht bedrohlich. Keiner von uns hatte mit einem solchen Pegelanstieg des kleinen Eulenbachs gerechnet," so berichten mehrere anwesende Betroffene von der Flutkatastrophe, die sie im Juli 2021 im nordrhein-westfälischen Rheinbach-Ramershoven überraschte. Heute, fast eineinhalb Jahre nach der Katastrophe, stehen sie beim KAHR-Infomobil und hören der Beratung von Hans-Theodor Arenz und Lina Fitz zu den Themen privater Hochwasserschutz und Eigenvorsorge zu. Beide arbeiten beim HochwasserKompetenzCentrum (HKC) und stellen den interessierten Bewohnerinnen und Bewohnern des 500-Seelen-Ortes, deren Grundstücke, Privat- und Gewerbeimmobilien bei dem Extremereignis im vergangenen Jahr beschädigt wurden, verschiedene Hochwasserschutz-Maßnahmen vor.

Die Hochwasserschutz-Beratungen finden im Rahmen des KAHR-Projekts statt, bei dem – neben dem HKC – zwölf weitere Forschungsinstitutionen und Praxispartner gemeinsam den Wieder- und Neuaufbau der Flutregionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wissenschaftlich begleiten. Gefördert werden sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Sofortmaßnahme KAHR. Die Abkürzung steht für: Klima-Anpassung, Hochwasser und Resilienz.

Flutschotts, Rückstauklappen, Sandsäcke – die Beratung von Hans-Theodor Arenz und Lina Fitz ist nicht nur theoretisch: Am Infostand können sich die Interessierten anhand mehrerer Exponate und Anschauungsmaterialien ein genaues Bild davon machen, welche Schutzmöglichkeiten zur Eigenvorsorge auf dem Markt zur Verfügung stehen und möglicherweise für die eigenen Bedürfnisse geeignet sein könnten.

Georg Johann, Geschäftsführer des HochwasserKompetenzCentrums, erklärt: „Seit elf Jahren ist das HKC-Infomobil bereits im Einsatz, mit dem wir die Menschen zum Hochwasser- und Starkregenrisiko informieren und sensibilisieren. Direkt nach der Flutkatstrophe im vergangenen Jahr war uns klar: Auch wir möchten die Betroffenen vor Ort unterstützen! Durch unsere Beteiligung am KAHR-Projekt konnten wir ein zweites, spezielles KAHR-Infomobil realisieren, das seit April 2022 in NRW und Rheinland-Pfalz unterwegs ist."

Mit einem roten Hebel in der Hand zeigt Hans-Theodor Arenz, wie sich Flutschotts schließen und wieder öffnen lassen. „Solche Flutschotts eignen sich zum Beispiel zur Abriegelung von Kellerfenstern, aber auch von Haustüren", erklärt der gelernte Architekt. „Es ist uns wichtig zu zeigen, welche unterschiedlichen Varianten es hierbei gibt. Viele Leute sind neugierig, die Schotts selbst auszuprobieren und so besser einschätzen zu können, ob sie sich zum Schutz des eigenen Hauses eignen. Bei allen Beratungen, die wir im KAHR-Projekt durchführen, merken wir deutlich: Fast alle waren von der Flutkatastrophe direkt betroffen oder haben das Ausmaß der Zerstörungen mit eigenen Augen gesehen und erlebt. Das Thema Starkregen ist nicht nur Theorie, sondern jeder kommt mit seiner eigenen persönlichen Geschichte hierhin und weiß genau, was Hochwasserschäden materiell und immateriell bedeuten."

Daten erheben für die Wissenschaft

Etwa viermal im Monat fährt das Beratungsteam in die Flutregionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Bilanz für 2022: Insgesamt 711 Gespräche an 40 Einsatzorten führte das Team durch. „Neben den direkten Beratungen haben wir ein weiteres, sehr wichtiges Anliegen: Wir möchten von den Menschen auch erfahren, wer in welchem Ausmaß von der Flut 2021 betroffen war, ob und wie stark ihnen vor Eintreten des Hochwassers die Gefahr für die eigene Immobilie bewusst war oder welche Schutzmaßnahmen für Immobilien bekannt waren oder vielleicht sogar schon angewendet wurden", erläutert Lina Fitz. „Um diese Informationen systematisch zu sammeln, haben wir gemeinsam mit der Hochschule Koblenz – ebenfalls ein Partner im KAHR-Projekt – einen Fragebogen entwickelt, der anonym von den Menschen nach der Beratung ausgefüllt werden kann. Mittlerweile haben wir über 500 beantwortete Bögen vorliegen, die Umfrage läuft noch bis Mai 2023."

Mit den Erhebungen verfolgt das KAHR-Projekt mehrere Ziele: Bereits erste Zwischenergebnisse zeigen die dringende Notwendigkeit, die Bevölkerung besser zu informieren. Ein weiterer Aspekt der Umfragen: herausfinden, welche Hochwasserschutzthemen die Flut-Betroffenen am meisten beschäftigen und so die Bedürfnisse und Bedarfe besser einschätzen zu können. Durch die Erkenntnisse kann so auch die weitere Gestaltung der Beratung angepasst werden. Darüber hinaus wird die Hochschule Koblenz im KAHR-Projekt die Ergebnisse nutzen, zum Beispiel für die Untersuchung der entstandenen Schäden. So soll etwa festgehalten werden, in welcher Region welche Gebäude in welcher Entfernung zum Gewässer wie stark und mit welcher Art von Schäden betroffen waren.

Nach fünf Stunden und etwa 30 intensiven und sehr individuellen Beratungsgesprächen ist der heutige Einsatz des KAHR-Infomobils beendet und die letzten Fragen der interessierten Bürgerinnen und Bürger beantwortet. Eine Einwohnerin zieht ein persönliches Fazit nach der Beratung: „Wir haben beim Wiederaufbau unseres Hauses schon einige persönliche Vorsorgemaßnahmen getroffen, aber es war jetzt sehr hilfreich, alles direkt live zum Anfassen zu sehen und dazu die fachliche Beratung und Erklärungen zu erhalten. Zuhause werde ich prüfen, was zum Schutz unseres Hauses noch weiter sinnvoll ist." Jetzt packen Arenz und Fitz die Exponate wieder sorgfältig in den Kleintransporter und sammeln die letzten ausgefüllten Umfragebögen ein – bereit für ihren nächsten Einsatz des KAHR-Infomobils. Denn eins ist sicher: Auch 2023 werden beide wieder rausfahren und die Flut-Betroffenen beraten.