Projekt BiTe im Interview: Können wir in der Kantine die Artenvielfalt schützen?

Prof. Dr. Melanie Speck und Lynn Wagner bringen mit ihrem Projekt BiTe das Thema "Außer-Haus-Gastronomie und Artenerhalt" auf den Tisch. Wie beides zusammenpasst? Das erklären die Wissenschaftlerinnen der HS Osnabrück im Interview.

In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten im Dezember 2021 in die zweite Förderphase. "BiTe" ist eins davon. Das Projektteam sieht eine Chance zum Schutz der Biodiversität darin, in der Außer-Haus-Gastronomie sichtbar zu machen, welche Speisen welche Wirkung auf den Erhalt der Artenvielfalt haben.

INTERVIEW

Das Projekt heißt „BiTe". Was bedeutet das?

Melanie Speck: BiTe bedeutet „Biodiversität über den Tellerrand". Damit unterstreichen wir, dass Biodiversität und die Artenvielfalt eng mit unseren täglichen (Mittags-)Mahlzeiten verknüpft sind.

Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das passieren und wie kamen Sie auf die Idee?

Lynn Wagner: Alle agrarischen Wertschöpfungsketten sind eng mit dem Erhalt der Biodiversität verknüpft. Wir wollen gemeinsam mit Großküchen das Thema „auf den Tisch" bringen. Die Hebelwirkung von Großküchen ist enorm. Jeder Deutsche konsumiert pro Jahr im Schnitt 160 Mal Angebote der Außer-Haus-Gastronomie, sie ist zweitgrößter Absatzkanal der deutschen Ernährungsindustrie. Allein die Betriebsverpflegung verursacht jährlich mindestens 1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Um abschätzen zu können, welche Biodiversitätsbelastungen mit den Entscheidungen für eine konkrete (Mittags-)Mahlzeit ausgehen, wurde in der ersten Projektphase ein Index entwickelt, der die Biodiversitäts-Messung auf Speisenebene ermöglicht.

Wie kann man sich das „Messen" von Biodiversität auf Speisenebene vorstellen?

Melanie Speck: Jedes Lebensmittel hat durch seine Erzeugung und Produktion eine Wirkung auf die Biodiversität einer Region. So ist es relevant zu berücksichtigen, welche Auswirkungen der Anbau von Nutzpflanzen oder die Futtermittelproduktion für tierische Erzeugnisse auf die Artenvielfalt (zum Beispiel auf Säugetiere, Reptilien etc.) in den verschiedenen Ökoregionen der Erde haben kann. Mit Hilfe des entwickelten Biodiversitätsindexes können Biodiversitätsauswirkungen von Zutaten ausgewählter Menüs der Außer-Haus-Verpflegung bilanziert und bewertet werden. Der Index wird in der zweiten Projektphase weiter ausgebaut.

Mit wem arbeiten Sie zusammen und wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Lynn Wagner: Unsere Praxispartner sind drei Großküchen: Zwei Schulküchen (betrieben von Rebional GmbH bzw. dem Mensaverein Rheine e.V.) und eine Betriebskantine (betrieben von NEUE ARBEIT der Diakonie Essen gGmbH). Parallel konnten wir auch noch das Studentenwerk Osnabrück als assoziierten Praxispartner gewinnen.
Die Zusammenarbeit mit den Praxispartnern ist sehr spannend. Dabei ist der Kontakt vor Ort wirklich wichtig. Vor einigen Tagen fand unser großes Planungstreffen für die Aktionen in diesem Jahr statt. Dabei wurde „ganz analog" gemeinsam geplant, welche Formate (Aktionswochen, Labelling oder auch die Nutzung von digitalen Formaten) zur Kommunikation rund um Biodiversität eingesetzt werden. Da geht es dann wirklich ins Detail: Wo sehen die Gäste welches Poster, welche Position muss das BiTe-Logo (eine kleine Biene in diesem Falle) auf dem Speiseplan haben oder auch welche Laufwege haben die Gäste?

Was ist das Neue an dem Projekt und wie wollen Sie vorgehen?

Lynn Wagner: Neu sind vor allem zwei Aspekte: Die Messung von Biodiversität auf Speisenebene und damit die Entwicklung des BiTe-Biodiversitätsindex sowie die enge Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Disziplinen (OecotrophologInnen, DesignerInnen, PsychologInnen etc.) und der große Schwerpunkt auf der gemeinsamen Kommunikationsarbeit vor Ort, beispielsweise indem kleine spielerische oder grafische Formate, wie bebilderte Tablett-Aufleger, Hologramme oder vieles mehr eingesetzt werden.

Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?

Melanie Speck: Das Projekt ist erfolgreich, wenn wir es durch bundesweite Erweiterung in 2023 mit vielen weiteren Küchenpartnern geschafft haben, viele Tausend Essen anzubieten, die als biodiversitäts-förderlich eingestuft werden können, und wenn wir den Gästen vermitteln konnten, wie eng ihre Essenauswahl mit dem Biodiversitätserhalt zusammenhängt. Die Hoffnung dahinter ist natürlich die, dass künftig sensibilisierte und informierte Gäste der Großküchen mehr biodiversitäts-förderliche Gerichte nachfragen und so Artenvielfalt erhalten bleibt.

Fördermaßnahme BiodiWert

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.

Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)

Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.